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Covent Garden Ladies: Ein Almanach für den Herrn von Welt. Хэлли Рубенхолд
Читать онлайн.Название Covent Garden Ladies: Ein Almanach für den Herrn von Welt
Год выпуска 0
isbn 9788711449448
Автор произведения Хэлли Рубенхолд
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Als Kind eines Kneipenbesitzers musste er sicher auch früh anfangen, im Betrieb mitzuhelfen. Seine erste klare Funktion im Bedford Head wird die eines Bierjungen oder einer allgemeinen Aushilfe gewesen sein – jemand, der den Gästen ihre Getränke bringt und leere Krüge und Geschirr wegträgt. Da Lesen, Schreiben und Rechnen ebenfalls als zum Betreiben eines Gasthauses erforderliche Fähigkeiten betrachtet wurden, erhielt ein Wirtssohn auch eine gewisse Schulbildung, höchstwahrscheinlich durch eine nahe gelegene Armenschule. Sein wirklich nützliches Wissen eignete er sich jedoch vorwiegend an, indem er seinen Vater oder irgendein anderes älteres männliches Familienmitglied bei der Erledigung der unerlässlichen Aufgaben ihres Gewerbes begleitete. Wenn er nicht am Zapfhahn aushalf oder seine Einnahmen zählte, wird George Harrison seinen Betrieb aus dem Hintergrund überwacht haben. Er beaufsichtigte die Arbeit der Kellner, die sich, mit Bier beladen, von Tisch zu Tisch plagten, und verdächtige Subjekte behielt er sorgsam in seinem prüfend zusammengekniffenen Auge. Sobald er das entsprechende Alter erreicht hatte, konnte John seinem Vater in diesen Aufgaben assistieren, um schließlich als Vollmitglied in die Reihen des treusorgenden männlichen Bedford-Head-Bedienpersonals aufgenommen zu werden. Als einfacher Tischkellner wird der junge Harrison gegenüber der Kundschaft seines Vaters die Rolle des beflissenen Dieners eingenommen haben. Wenn er sich alle Mühe gab, ihr Verlangen nach Speis und Trank zu befriedigen, konnte er auch eine Belohnung in Form von Trinkgeldern erwarten und sich ein paar Pennys verdienen, indem er den feinen Herren ehrerbietig Teller voll Fleisch und mit Portwein gefüllte Gläser auftrug. Doch wird er bald gelernt haben, dass er mit der Befriedigung ihrer weniger legalen Wünsche viel erklecklichere Summen einheimsen konnte.
Dass die Bedford Head Tavern ein Familienbetrieb war, bedeutet nicht, dass sie auch ein ehrbares Haus war. Nichts weist darauf hin, dass sie sich eines besseren Leumunds erfreute als die Etablissements nebenan; all jene berüchtigten Kaschemmen, die die Maiden Lane verschandelten. Nur ein paar Türen vom Bedford Head die Straße hinunter schwärte eine stinkende Pestbeule von einem Schankhaus: Bob Derrys Cider Cellar. Bob Derry, seine Frau und Tochter nebst Schwiegersohn hatten ihre liebe Not, den in ihre widerliche Lasterhöhle ein und aus strömenden dichten Verkehr der vom Trunk getriebenen Zecher zu regulieren. Räumlichkeiten und Ausstattung von Derrys »Apfelweinkeller« waren, »wie der Name bereits nahelegt«, sehr »roh und einfach«, vermerkte John Timbs, ein Chronist der Gastronomiegeschichte. Derrys Haus war rund um die Uhr geöffnet und gewährte dem Bodensatz der Nachtschwärmer Asyl: all jenen, die bereits zu betrunken waren, um noch gehen oder richtig sprechen zu können. Von Derry geflissentlich ignoriert, machten hier Taschendiebe und syphilitische Straßendirnen ein Mordsgeschäft. Wie Samuel Derrick 1761 schrieb, war das Haus dafür bekannt, dass es dort immer wieder das eine oder andere Problemchen mit tätlichen Auseinandersetzungen gab – brutale Spektakel, wo Männer ihre Rivalen verprügelten oder die Schönen der Nacht sich gegenseitig die Gesichter zerkratzten. Die Kundschaft von Derrys Cider Cellar war nicht gerade dafür bekannt, bei einem guten Kampf dazwischenzugehen; sie gehörte eher zu jenem Schlag, der über den Ausgang Wetten abschließt. Einmal ging die Sache mit dem Doppelmord an zwei Trinkern aus, die nach einer erbitterten Auseinandersetzung grausam erstochen wurden.
Zwar stellen die Annalen von Covent Garden das Bedford Head der berüchtigten Lasterhöhle nebenan an keiner Stelle ebenbürtig an die Seite, dennoch wird man dieses Haus kaum als einen Hort der Gesetzmäßigkeit betrachtet haben. Die meisten der Etablissements im Umkreis dürften auf die eine oder andere Weise in kriminelle Machenschaften verwickelt gewesen sein, ob sie nun Huren erlaubten, offen Freier anzuwerben (eine allgemein akzeptierte Praxis), Hehlerei trieben oder stadtbekannte Kriminelle vor den Wachen versteckten. Häufig entfalteten die Eigentümer oder deren Personal auch noch weit schlimmere kriminelle Aktivitäten, und Kellerräume oder Obergeschosse wurden zum Schauplatz von Missetaten wie Diebstahl, Erpressung, betrügerische Münzbeschneidung, Falschmünzerei, von Misshandlung und Vergewaltigungen. In einem Milieu, wo sich das Anständige und das Unerlaubte zu einem unauflöslichen Gewebe verflochten hatten, muss Harrison bereits in die Welt der Gesetzesbrecher eingeführt worden sein, ehe er überhaupt in der Lage war, zwischen beiden Seiten zu unterscheiden. Da Kellnern und Kuppeln praktisch nicht voneinander zu trennen waren, ist es auch wenig wahrscheinlich, dass George Harrison seinen Sohn davon abzuhalten suchte, sein Geld mit dem »Vermitteln von Bekanntschaften« zu verdienen. Ähnlich wie im Fall seines Alter Egos dürfte vielmehr neben den äußeren Umständen auch die ermunternde väterliche Zusprache John Harrison zum Zuhälter gemacht haben.
Im 18. Jahrhundert waren das städtische Wirtshaus und sein Verwandter, das Kaffeehaus, in erster Linie Domänen der Männer. In ihrer Bestimmung waren sie sich bisweilen sehr ähnlich, dienten als Orte der gesellschaftlichen Begegnung und als ein Forum, wo Männer von Rang miteinander Geschäftliches und Neuigkeiten besprachen. Bestimmte Berufsstände bevorzugten oft bestimmte Örtlichkeiten, trotzdem traf hier im Allgemeinen eine bunte Bandbreite von Berufen und Gesellschaftsschichten auf engem Raum zusammen. Auch wenn die Hauptattraktion der Kaffeehäuser das von ihnen feilgebotene koffeinhaltige Modegetränk war, gab es hier, wie in den Cafés auf dem Kontinent, doch auch Alkoholisches. Die besseren Häuser beider Kategorien boten neben flüssigen Erfrischungen auch Speisen an, die entweder in der öffentlichen Schankstube oder, wenn der Gast über die entsprechenden Mittel verfügte, ein Stockwerk höher in abgesonderten Räumlichkeiten eingenommen werden konnten. Im Laufe des Jahrhunderts entfalteten die Aktivitäten in diesen Obergeschossräumen mehr und mehr ihre eigene Geschichte. Sie boten den Mitgliedern von Herrenclubs einen idealen Rahmen für ihre monatlichen oder jährlichen Versammlungen. Diese Zusammenkünfte, die in den Abendstunden häufig mit Gesprächen über Politik, Wissenschaft und Kunst bei einem zeremoniellen Mahl begannen, arteten oftmals zu nächtelangen Massenorgien aus. Bezechte Männer konnten nach den Maßstäben der ehrbaren Gesellschaft weder als würdevoll noch als ungefährlich gelten; folglich durfte keine Frau, die darauf Wert legte, sich eine Dame zu nennen, sich auch nur in die Nähe der Tür eines solchen Etablissements wagen. Dennoch wimmelte es in den Kaffee- und Wirtshäusern von Frauen, insbesondere in den um Covent Garden gelegenen. Das waren jene Frauen, die – wie zeitgenössische Autoren behauptet hätten – »kraft ihres Standes« dazu bestimmt waren, die Männer zu unterhalten. Wo immer Männer tranken, kamen über die Jahrhunderte hinweg bald auch die Huren. War erst einmal der Bierdurst gelöscht und der Bauch mit gutem Essen gesättigt, blieben nur noch die fleischlichen Begierden zu befriedigen. Das machte es den Prostituierten leicht, denen die Freier sozusagen in den Schoß fielen. Und es fügte sich, dass die eine Person, die an der Nahtstelle zwischen dem trunkenen Gast und seiner ersehnten geschlechtlichen Erleichterung stand, eben die männliche Bedienung im Gasthaus war.
»Als wir vor wenigen Wochen den Abend in einem gewissen Wirtshause nahe des Covent Garden verbrachten, erhitzte der Wein etlichen meiner Gefährten so sehr das Blut, dass sie nach dem Hauptportier läuteten und ihn wahrhaftig fragten, ob er denn nicht mit Mädchen für sie dienen könne«, notierte ein mit den zeitgenössischen Kuppeleigepflogenheiten unvertrauter junger Zeitungsschreiber. Lüsternen Männern standen natürlich alle möglichen Ventile der Triebabfuhr zur Verfügung, wenn aber der Zuhälter die Geschlechtspartnerin vermittelte, bestand gegenüber der Zufallsbegegnung mit einer x-beliebigen Straßendirne doch ein immerhin geringfügig besserer Schutz vor Krankheiten. Zumindest theoretisch war das ein wichtiger Aspekt. In ihrer elementarsten Form konnte die Aufgabe eines kuppelnden Kellners einfach nur darin bestehen, eine geeignete im Haus verfügbare Frau oder eine ihm bekannte Dame aus der Nähe zu ihrer Kundschaft zu geleiten. Wie Jack Harris höchstselbst klargestellt hat: »›Kuppler‹ bedeutete nicht mehr, als durch die Nachbarschaft zu eilen und das erstbeste Lumpenweib zu den Herren in dem Wirtshause zu bringen, zu dem ich gehörte.« Dieser Service war ein Bestandteil seiner Aufgabe, schließlich hatte er für die Zufriedenheit