Скачать книгу

wenn ich dich sehe, sitzt du da, den Kopf fixiert, die Hände verkrampft. In immer der gleichen Körperhaltung, nicht fähig, dich gezielt zu bewegen. So sitzt du da, Tag für Tag, Woche für Woche. Wer hereinkommt, begrüßt dich fröhlich, stellt dir unzählige Fragen. Doch eine Antwort wird er nie bekommen, denn auch deine Zunge will dir nicht gehorchen. Wie viel kannst du verstehen, von dem was man dir sagt? Ich weiß es nicht. Und doch bin ich sicher: Du hörst jedes einzelne Wort.

      Dann sitzt du wieder da und deine Augen irren rastlos im Raum umher. Eine Horde Kinder tobt an dir vorbei, laut und fröhlich lärmend. Siehst du sie? Wer weiß es? Da wird mir traurig zumute, klar: Du wirst niemals mitlaufen. Nicht gehen, nicht stehen, nicht sprechen. Du wirst immer da sitzen, Tag für Tag, Woche für Woche.

      Manch einer schaut verständnislos, wenn er dich sieht. Denn er will nicht verstehen. Kann der Verständnislose glauben, dass es Menschen gibt, die dich lieben? Er könnte es vielleicht, wenn er dich lachen hören würde.

      Denn dann und wann passiert es, dann lachst du los, einfach so, laut, ehrlich und ungehemmt. Und wer dich hört, der wird verstehen, denn niemand lacht so, wie du. Dann sitze ich da und staune über deine Ehrlichkeit, deine Fröhlichkeit und deine Lebensfreude. Dann scheint alles Unbegreifliche so klar und ich kann mich kaum sattsehen an deiner Freude. So warte ich geduldig auf unseren nächsten Besuch. Ich weiß, du wirst da sitzen, und wenn ich Glück habe, passiert es wieder. Dann werde ich es hören und tiefe Freude wird sich breitmachen, denn ich liebe dein Lachen, mein Freund!

      Maren Grenner wurde 1975 geboren. Sie ist verheiratet und Mutter von zwei Söhnen. Mit ihrer Familie lebt sie in Extertal im Kreis Lippe. In ihrer Freizeit liest und schreibt sie gerne.

      *

      Gleich

      Alle Menschen sind irgendwie gleich.

      Ich fühle mich anders als die anderen.

      Alle fühlen sich anders als die anderen.

      Deswegen sind doch alle irgendwie gleich.

      Raimund J. Höltich wurde 1963 in Bad Bevensen geboren, wuchs aber in Hamburg auf. Neben Gedichtsveröffentlichungen in Zeitschriften und einem eMagazin wurden auch eine Illustration, Gedichte, eine Kurzgeschichte und Aphorismen in Anthologien publiziert. Derzeit lebt, schreibt und malt der Autor in Hamburg.

      *

      Unersetzbarer Wert des Lebens

      „Wo nimmt der Mann nur den Mut her?“, sagen die einen. „Was für ein Wahnsinn!“, sagen die anderen. Wie „das Leben herausfordern“ empfinde ich dieses Extremsport-Projekt: ein Sprung – nicht von der Skischanze, nicht am Bungeeseil oder an einem Fallschirm – nein, der freie Fall erfolgt vielmehr aus der Stratosphäre zur Erde – die Dimension ist für mich ohne jegliche Vorstellung!

      Mich beschäftigt das Vorhaben. „Hoffentlich springt er nicht! Er kommt nie und nimmer lebendig auf der Erde an!“, denke ich, als der Tag näher rückt. Froh bin ich, als der Sprung aus witterungstechnischen Gründen abgesagt wird.

      Und dann – nur ein paar Tage später – erfolgt der Sprung doch! Der Mensch muss wahnsinnig sein! Warum macht er das? Was will er beweisen – anderen, sich? Warum? Kann Erfolg so vermessen machen? Mancher Behinderte wäre froh, seinem Rollstuhl zu entkommen ... und er legt es – aus meiner Sicht – dabei darauf an, sein Leben zu riskieren. Das wegen des Gewichts notwendigerweise dünne Material des Ballons – allein schon eine Gefahr beim Aufstieg! Würde er frühzeitig platzen, kann sich der Fallschirm nicht entfalten ... Warum gefährdet ein gesunder Mensch derart seine Gesundheit, sein Leben selbst. Gerade ein Mensch, der soviel Ex-tremsporterfahrung hat wie er und sich schon öfter in Graubereiche wagte, müsste durch gemachte Grenzerfahrungen den Wert seines Lebens noch bewusster schätzen, denke ich ...!

      Dann, in den Medien, sich überschlagende Meldungen vom geglückten Sprung ...!

      Irgendwie atme ich erleichtert auf, um gleichzeitig zu denken: „Hoffentlich kommt da nicht noch etwas nach, wenn er alle ärztlichen Untersuchungen hinter sich hat! Für ein solches Unterfangen ist der Mensch nicht angelegt!“

      Über 39.000 m freier Fall, 4,2 Minuten lang in einer Geschwindigkeit, mit der er die Schallmauer durchbrach, die Probleme des unkontrollierten Trudelns, die er in den Griff zu bekommen hatte, bevor ihn spürbar die Bewusstlosigkeit zu erfassen drohte. Die nervliche Anstrengung, Konzentration und der Gedankenablauf in diesen bedrohlichen Momenten – für mich unvorstellbar. Und dann der Moment einer geglückten Landung, die die Welt aufatmen ließ und ihn sicher auch! Er fiel auf die Knie und riss beide Arme hoch.

      Es muss wohl neben der Arbeit, die seine ganze Konzentration erforderte, gefühlsmäßig unglaublich viel abgelaufen sein, denn wie man lesen konnte, hat dem Mann der Sprung „keinen Spaß“ gemacht. Ein Moment der Freude kam – Meldungen zufolge – für ihn erst auf, als sich sein Fallschirm öffnete und er sich sicher war, dass er heil auf der Erde ankommen würde. In seiner Seele muss dabei viel passiert sein, denn er hat, wie ich hörte, zeitnah die Entscheidung getroffen, ganz mit dem Extremsport aufzuhören. Das ist für mich ein hoffnungsfrohes Fazit aus diesem, wie durch ein Wunder gut ausgegangenen, aber dennoch fast unwirklichen Unterfangen. Nach diesem unnachahmlichen Sprung kann das tiefe Gefühl der Seele – Achtung vor dem Wert des Lebens und der Schöpfung – nur noch größer geworden sein.

      Sieglinde Seiler wurde 1950 in Wolframs-Eschenbach geboren. Sie ist Dipl. Verwaltungswirt (FH) und lebt mit ihrem Ehemann in Crailsheim. Seit ihrer Jugend schreibt sie Gedichte. Später kamen Aphorismen, Märchen und Prosatexte hinzu. Ferner fotografiert sie gerne. Bislang hat sie bereits über 200 Gedichte im Internet und in diversen Anthologien veröffentlicht.

      *

      Anders sein wollen?

      Ich wollte gern mal anders sein,

      so richtig böse und gemein.

      Ist es eine Philosophie

      des Lebens und wie erlern ich sie?

      Ich lass die Liebe einfach sein,

      schon bin ich böse und gemein!

      Doch nachts, da regt sich das Gewissen,

      fragt: „Ruhst du sanft in deinen Kissen?“

      Des Teufels Fratze mir erscheint,

      seh mich mit ihm in Höllenqual vereint.

      Sollte so mein Leben enden?

      Da will ich es doch wieder wenden.

      Am Morgen bin ich dann erwacht, und dachte:

      „Was für eine Nacht.“

      Es ist doch besser, lieb zu sein,

      und nicht mehr böse und gemein.

      Ursula Keleschovsky wurde 1959 geboren und lebt in Aschaffenburg. Sie schreibt gerne Haikus und Aphorismen, erzählt Märchen und Geschichten frei oder erfindet welche zusammen mit Kindern.

      *

      Ich bin anders – und was bist du?

      „Du bist komisch, anders, nicht wie wir.

      Los, hau ab – verschwinde von hier!

      Mit dir

      wollen wir

      uns nicht abgeben.

      Geh

      und leb doch woanders dein Leben!

      Los, hau ab – verschwinde von hier!

      Du warst nie,

      bist

Скачать книгу