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Die Nacht der Schakale. Will Berthold
Читать онлайн.Название Die Nacht der Schakale
Год выпуска 0
isbn 9788711726938
Автор произведения Will Berthold
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Mauro Dressler benahm sich vorsichtiger, obwohl er nicht, wie sein toter Rivale, mit vier Leibwächtern auftrat; aber sein Job war heiß, Gefahr sein Metier. Er galt als verschlagen und verwegen. Im Niemandsland der Legalität operierend, hatte er einen Ruf wie Donnerhall, im Guten wie im Schlimmen. Freilich konnte er auch in verzweifelten Fällen so etwas wie die letzte Hoffnung darstellen. Diese Hoffnung erfüllte sich häufig, doch niemals kostenfrei; er half meistens, immer jedoch nur gegen Gebühr.
Für einen Mann wie Barry Wallner, der eine untrügliche Witterung für Weizen in der Spreu hatte und daraus spannende Polit-Triller fertigte, Millionen-Seller, in Massenzeitungen vorabgedruckt, in viele Sprachen übersetzt, ein programmierter Bucherfolg rund um den Globus, war Mauro Dressler, der mit Informationen nicht geizte, eine Fundgrube und jedenfalls sein Geld wert.
Immerhin 50000 Dollar Vorschuß und eine Honorarbeteiligung von einem Fünftel. Gegenleistung: die exklusive Verwertung aller den Ost-West-Dschungel betreffenden Hintergrundoperationen durch den Verlag Fairway House, Park Avenue, New York, N. Y., soweit es sich – um eine Gefährdung der Beteiligten zu verringern – um bereits abgesschlossene Fälle handelte.
Der Top-Journalist wußte natürlich, daß sein Vertragspartner ein hemmungsloser und letztlich undurchsichtiger Abenteurer war. Er hatte sich deshalb abgesichert und zwei Männer aus der Crew des Menschen-Importeurs herausgepickt, die ihn zusätzlich mit bezahlten Informationen versorgten. Sie gehörten zu den Desperados, die zum Teil seit Jahren für die Trasco auf den Transitstrecken oder irgendwo sonst auf DDR-Territorium ihre Haut zu Markte trugen und dabei ständig Kopf und Kragen riskierten.
Zur Zeit saßen sieben aufgeflogene Dressler-Leute in DDR-Gefängnissen Freiheitsstrafen zwischen zehn Jahren und lebenslänglich ab; sie wurden längst durch Neuzugänge ersetzt. Vorübergehend für die Trasco arbeitete auch der Tankstellenbesitzer, Bastler und DDR-Hasser Michael Gartenschläger, der 1961 als Siebzehnjähriger von einem ostdeutschen Gericht wegen politischer Brandstiftung zu lebenslanger Haft verurteilt und zehn Jahre später von der Bundesregierung für 45000 DM freigekauft worden war. Dem Verwegenen gelang es zweimal sich vom Westen her der deutsch-deutschen Grenze nähernd, Tötungsmaschinen des Typs SM 70 auszubauen und zur kriminaltechnischen Untersuchung sicherzustellen. Beim dritten Versuch am 30. März 1976 starb der Mann, den die DDR-Presse einen ›Maschinenschlosser, Rias-Hörer, Brandstifter und Vandalen‹ nannte, im Kugelhagel der Kalaschnikow-Schnellfeuer-Gewehre; die Vopos hatten ihn zuvor nicht angerufen.
Dieses Ende mußten die Mitglieder der Dressler-Organisation vor Augen haben, wenn sie auf den Transitwegen versuchten, Menschen aus dem Land der Aufpasser und Anpasser herauszuschmuggeln. Mit Rücksicht darauf waren die Informationen in den Wallner-Unterlagen halbwegs verschlüsselt und die Männer, von denen sie stammten, ohne Namen; dabei war dem cleveren Barry doch eine Indiskretion unterlaufen: Er hatte sie auf einem Zettel mit S. und F. bezeichnet.
Ein Blitzbesuch bei Pythia diesmal dienstlich und nicht privat – zeigte mir an, daß S. für Schwarz und F. für Forbach stehen könnte. Schwarz bedeutete mir wenig, aber der Name Forbach elektrisierte mich, denn das war nach Zürich und Pullach bereits die dritte Hochzeit, auf der dieser Kommunistenfresser tanzte. Diese Feststellung führte automatisch zur Frage, an wieviel Untergrund-Veranstaltungen der Mann noch teilnehmen mochte.
In diesem Stadium des Falls hatte sich Barry Wallner üblicherweise zum Schreiben zurückgezogen und die weiteren Erkundigungen vor Ort an seine Rechercheure delegiert. In einem Brief an Dressler wurde ein gewisser Brian Singer als sein Beauftragter für künftige Gespräche angekündigt, ein neuer Mann und damit ein unbeschriebenes Blatt. Der private Investigator – angeblich ein As – sollte nicht dadurch auffallen, daß er womöglich in einer Sache bereits aufgefallen war.
Barry, der Schlagzeilen-Zauberer, hatte sich auf sein Handwerk nicht minder gut verständen als der große Gregory, der hartnäckig darauf bestand, daß ich als Brian Singer nach Europa abflog. Wie ich ihn kannte, hatte er seine Vorbereitungen dafür längst getroffen; es war auch vom fachlichen Gesichtspunkt nichts mehr dagegen einzuwenden, denn falls auf Wallner tatsächlich ein Attentat verübt worden war, bedrohte auch seinen Assistenten und Rechercheur bald ein Anschlag.
»Allerdings nur wenn er als solcher erkannt wird«, tat es der CIA-Vize ab. Dann können Sie sich wohl vorstellen, wie wir Sie abschirmen, Lefty.« Er löffelte wieder genüßlich seinen Gesundheitsbrei. »Und überhaupt – seit wann sind Sie denn so ängstlich?«
»Ich bin nicht ängstlich, Sir, nur vorsichtig.«
»Und das verlängert das Leben«, lobt er.
»Wie Joghurt und Corn-flakes«, verspottete ich seine frugale Lebensweise.
»Okay, Lefty«, überging er es. »Passen Sie auf sich auf. Ich möchte nicht, daß Amerika einen tüchtigen Nachwuchsdiplomaten in spe verliert.«
Sein Greisengesicht zeigte wieder das Vexierspiel mit Falten und Runzeln. »Ich werde hier in Langley verbreiten lassen, das Sie nach Erstellung eines Gutachtens wieder Holiday in Fernost machen – für alle Fälle.«
Die Schaffung einer neuen Identität dauerte sonst Wochen, wenn nicht gar Monate. Diesmal blieb keine Zeit mehr, gründlich in die Haut eines anderen zu schlüpfen, denn Steve erwartete mich dringend in München, und Brian Singer, der Mann mit dem unbeschriebenen Lebenslauf, machte es mir ohnedies leicht. Wie ich Gregory einschätzte, gab es ihn tatsächlich, und er machte im Gegensatz zu mir an irgendeinem entlegenen Fleckchen der Welt Ferien auf CIA-Kosten, während ich unter seinem Namen und mit einem darauf amtlich ausgestellten, wenngleich falschen Paß in die Ost-West-Schlammschlacht zog.
Mit einem Umweg über New York, damit die Verlagsangestellten wenigstens antworten konnten, falls sie nach dem Aussehen ihres brandneuen Mitarbeiters Brian Singer gefragt würden. Es war nur ein Minimum an Tarnung, aber das ist immer noch mehr als gar keine.
Ich saß in der Maschine nach New York, die nach Boston weiterflog. Als der Flugkapitän bei der Begrüßung dies seinen Passagieren mitteilte, spürte ich einen Stich in einer vernarbten Wunde. In Boston hatte Vanessa gelebt, aus der auf einmal Madge geworden war. Ich fragte mich ziemlich töricht, welcher der beiden Namen ihrer Persönlichkeit mehr entspräche. Es war müßig und auch unwichtig, darüber nachzudenken, denn ich konnte die selbstgestellte Frage ohne weitere Nachforschungen nicht beantworten – und ich würde mich natürlich an die Absprache mit Gregory halten und jeden Kontaktversuch vor Erledigung meines Auftrags unterlassen. Zudem wußte ich auch gar nicht, wo sie sich aufhielt und ob ich diesen Einsatz überleben würde. Vielleicht riskierte der große Gregory, mich noch kurz vor Torschluß zu verheizen, weil er es einfach nicht ertragen konnte, einen bisher nicht enttarnten Agenten ›unblutig‹ an das US-State-Department zu verlieren.
Ich versuchte, Vanessa zu verdrängen, aber sie geisterte wie ein Irrwisch durch mein Bewußtsein. Ich redete mir ein, daß Liebesträume nichts anderes seien als eine Infektionskrankheit der Psyche, aber gegen diese Ansteckung gab es vorderhand noch keine Antibiotika, und selbst das Training der Jahre, das Verlangen einfach abzustellen wie Wasser oder Strom, war vergebliche Anti-Liebesmühe.
Ich dachte nicht an das Verlangen nach Vanessa: Es dachte an mich.
Um drei Uhr p. m. landete die Maschine aus Washington pünktlich auf dem La-Guardia-Flughafen in New York, und da ich nicht zu den Passagieren gehörte, die nach Boston weiterfliegen durften, stieg ich aus, nahm ein Taxi und fuhr nach Manhattan. Wenn ich meine Vorstellung in Barry Wallners Verlagshaus schnell über