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Die Nacht der Schakale. Will Berthold
Читать онлайн.Название Die Nacht der Schakale
Год выпуска 0
isbn 9788711726938
Автор произведения Will Berthold
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Cassidy ließ sich das Band noch einmal vorspielen, aber es brachte in so wenig weiter wie die zoologische Würdigung des Raubvogels. Die Nachricht war interessant und lächerlich, eine seltsame Mischung, halb Karl May, halb James Bond, reichlich abenteuerlich und völlig undurchsichtig.
»Lassen wir einmal offen, ob der Mann ein trojanisches Pferd ist, oder wirklich mit uns ein Geschäft machen will«, sagte der CIA-Experte. »In beiden Fällen steht fest, daß der große Unbekannte die Möglichkeit hat, aus der DDR auszureisen, nicht nur ins neutrale Ausland, sondern sogar in die Bundesrepublik. Das wiederum läßt den Rückschluß zu, daß er bei uns nicht als Agent geführt wird und das Vertrauen von General Lupus in besonderem Maße genießt. Wie wir wissen, tut es im Osten Vertrauen allein nicht«, fuhr Cassidy mit einem anzüglichen Lächeln fort. »Der Bursche müßte den Stasi-Leuten auch noch andere Sicherheiten zu bieten haben.«
»Sie sehen das richtig, Mr. Cassidy«, entgegnete Ritter, der in Pullach genauso als exzellenter Fachmann bekannt war wie auf der anderen Seite der sächselnde Lipsky mit dem roten Punkt an der pikanten Stelle. »Bei Funktionären mit Diplomatenpaß nehmen wir immer an, daß sie nicht nur wegen eines Sektfrühstücks in den Westen reisen, können ihnen aber das Gegenteil meistens nicht beweisen. Damit kommen prima vista als Sperber – ich spreche jetzt rein theoretisch – General Lupus selbst, Konopka und Brosam in Frage. Diese drei können jederzeit die zugemauerte Grenze passieren«, stellte der Auswertungsspezialist fest. »Selbstverständlich kann sich auch ein anderer Spitzenmann eine Ausreisegenehmigung besorgen.«
»Die Frage ist nur, ob er in den Osten zurückkehren oder im Westen bleiben will«, erwidert Cassidy mit einem süffisanten Lächeln. »Und was soll der Hinweis auf die BRD-Mission in Berlin bedeuten?«
»Sieht nach einer dritten Morgengabe des Sperbers aus. Wir haben seit langem den Verdacht, daß irgendwie aus dem Auswärtigen Amt Geheiminformationen hinausgetragen werden. Wir haben Nachforschungen angestellt und auf die Botschaften im Ausland ausgedehnt, selbstverständlich auch auf unsere Vertretung in Ostberlin. In keinem Fall hat sich auch nur die Andeutung eines Verdachts ergeben.«
Cassidy war zu höflich, um festzustellen, daß sich ein Verrat auf höchster Ebene zehn Jahre lang im Pullacher Camp hingezogen hatte und daß der schließlich entlarvte Mann von der Gegenspionage, ein Günstling des alternden Generals, trotz seiner DDR-Geburtsstadt durch alle Sicherheitsprüfungen mit Bravour hindurchgekommen war. Felfe, so hieß der Maulwurf, einer der Ehemaligen aus dem Reichssicherheitshauptamt, der kaum weniger schädlich gewesen war als Guillaume, hatte bis dahin Pullachs Führungssrolle in der Ost-Spionage mit einem Schlag zerstört – die CIA war seinerzeit zu der Rechnung gekommen, daß fast drei Viertel alles ihr vorliegenden Wissens um den östlichen Gegner aus BND-Quelle stammte.
Was seinen guten Ruf betrifft, bleibt freilich kein Geheimdienst der Welt lange Jungfrau.
Auch jetzt, an einem Schönwettertag wie aus dem Bilderbuch, hingen wieder Wolken über dem Camp Nikolaus: Ein ehemaliger Topmann, der nach seinem Ausscheiden mit Hilfe bajuwarischer Vetternwirtschaft zum obersten Verfassungshüter im weiß-blauen Land aufgerückt war, hatte nach seinem Abschied vom Camp BND-Geheimakten (teils peinlichen Inhalts) hinter seinem Kamin versteckt und diversen Zeitungen als ›Spionage-Roman‹ angeboten. Die Sache war geplatzt und führte zum Unangenehmsten, was einem geheimen Nachrichtendienst drohen kann: Schlagzeilen in der Presse, Untersuchungsausschuß, Einleitung eines Strafverfahrens. Bevor der Fall ganz überschaubar war – vermutlich würde er es nie werden –, fragt sich der Mann auf der Straße bereits, welche berufliche, moralische und geistige Qualität ein hochdotierter Spitzenbeamter des Untergrunds eigentlich haben mußte.
Was erst jetzt bekannt wurde, hatte sich schon lange vorher ereignet, stammte noch aus der Zeit, da General Gehlen, für den der Zweite Weltkrieg nie zu Ende gegangen war, von der Elendsalm heruntergestiegen und mit 50 Stahlkoffern seines für Hitler gehorteten Materials übergangslos in die Dienste der Besatzungsmacht getreten war. Sein Opportunismus war der Nationalsozialismus; später mußten viele dem Mann recht geben, er, zu seinen Lebzeiten überschätzt und unterschätzt, glorifiziert und geschmäht, sich als Galionsfigur auf das selbst errichtete Denkmal gestellt hatte und aus dem Grab heraus mit einer nachgelassenen ›Verschlußsache‹ noch auf seine innenpolitischen Gegner schoß.
Papas Spion war tot; seine Nachfolger waren moderner, kühler, abwägender und in jedem Fall zurückhaltender, auch wenn sie bei ihren Bonn-Besuchen ihren Kontrolleuren nicht mit tarnendem Mummenschanz wie Schlapphut, Sonnenbrille und falschem Namen imponieren wollten. »Wir füttern zur Zeit dem Computer mit allen uns bekannten Tatsachen über die Stasi-Spitze«, sagte Ritter. »Die elektronische Datenverarbeitung läuft heiß. Ich warte noch ein, zwei Tage, aber dann kann ich Ihnen eine ziemliche verbindliche Sperber-Auswahl vorlegen, Steve.« Er lachte trocken. »Ich sehe keine besondere Gefahr, solange wir den Fall cool abwickeln. Manchmal fürchte ich zwar, auf einem Schleudersitz zu hocken, aber in der Haut unserer Gegner möchte ich noch weniger stecken.«
»Sie sind in Zugzwang«, erwiderte Cassidy.
»Und jeder Zug, den die andere Seite macht, muß eigentlich falsch sein. Sowie der Sperber aus der Deckung tritt, gibt er sich zu erkennen. Bevor er das Geld kassiert, muß er aus der Kulisse auftauchen.«
»Richtig, Peter …«
»Wir haben schon einige Vorleistungen, und wir werden dafür sorgen, daß sie sich vermehren, bevor wir einen Cent investieren. Mich macht nur nervös, daß für General Lupus der Faktor Zeit keine große Rolle spielt; er scheint seinen sowjetischen Lehrmeistern die Geduld zur Langzeitpolitik abgesehen zu haben.«
»Wir könnten die Affäre ohne großes Risiko vorantreiben, wenn wir uns zu einer ungewöhnlichen Maßnahme entschlössen«, stellt der CIA-Spezialist fest. »Da müßte allerdings Bonn mitspielen.«
»Was meinen Steve?«, fragt der Chef-Auswerter.
Cassidy entwickelte seinen Plan und sah, daß der Mann, er ihm zuhörte, ebenso fasziniert wie erschrocken war.
»Ihre Idee ist blendend«, sagte Ritter, »und siedend heiß. Ich werde sie unverzüglich unserem Präsidenten vortragen«, versprach er.
Es hieß im Klartext, daß nur eine Chance bestand, Bonns Zustimmung zu einer höchst ungewöhnlichen Manipulation zu erhalten: wenn sich Pullachs Hausherr voll hinter den Vorschlag stellte.
7
Mein Abflug nach Europa hatte sich verzögert, weil der große Gregory darauf bestand, daß ich mich vor meinem Einsatz noch intensiv mit Barry Wallners letztem Fall befaßte. Ich brütete über seinem Nachlaß, ohne mich lange zu fragen, wie er in die Hände der Agency gelangt war, lernte Namen und Daten auswendig und prägte mir tatsächliche oder vorgebliche Geschehnisse ein.
Vieles war mir bekannt, einiges neu; alles in allem eine Story wie Dynamit. Wie fast alle Themen, die der Enthüllungsjournalist angefaßt hatte. Wie ich unter der Hand erfuhr, hatte die Luftaufsichtsbehörde inzwischen festgestellt, daß der Absturz, dessen Opfer er geworden war, auf einen Motorschaden zurückging. Dieser Sachverhalt stellte bei einem Mann wie Barry das schier unlösbare Rätsel, ob das Debakel auf Fahrlässigkeit, Sabotage oder höhere Gewalt zurückging.
Barry Wallner hatte, wie es für seine Arbeitsweise typisch war, das Thema selbst aufgerissen und den Rahmen seiner Reportage persönlich erstellt, die Kontakte zu den Informanten hergestellt und die notwendigen finanziellen Vereinbarungen getroffen. Er brauchte dabei nicht knauserig zu sein; der New Yorker Verlag Fairway House, an dem er beteiligt war, konnte dank der hohen Auflage seines Top-Schreibers kräftig nachhelfen.
Der Pfadfinder gängiger Politskandale hatte bei einem längeren Europa-Aufenthalt vor einiger Zeit diverse Leute angesprochen, die aus der Fluchthilfe im Osten ein lukratives Gewerbe gemacht hatten. Ins Geschäft gekommen war er in erster Linie mit der Züricher trasco ag, deren Inhaber Mauro Dressler unbegreiflicherweise dazu neigte, mit seinen Erfolgen zu prahlen. Der Eidgenosse war der Typ, der gern mit offenem Hemd herumlief, um seine behaarte Männerbrust vorzuzeigen,