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Die Nacht der Schakale. Will Berthold
Читать онлайн.Название Die Nacht der Schakale
Год выпуска 0
isbn 9788711726938
Автор произведения Will Berthold
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Konopka hatte lachend, der Reporter verblüfft reagiert. Und dann war der rote Diplomat zur nächsten Klassifizierung gekommen: »Der Kapitalismus macht soziale Fehler und der Sozialismus kapitale.«
»Und warum kommen Sie dann nicht zu uns in den Westen, Herr Konopka?« hatte der Journalist erwidert und die Antwort erhalten: »Weil ich diese Fehler abstellen möchte.«
In Raten, auf Umwegen erreichte Konopka den Kudamm, gegen 22 Uhr 37. Auf Höhe des Hotels Kempinski stand ein grauer VW-Käfer, dessen rechte Türe unverschlossen war. Der Mann aus Ostberlin stieg ein, rutschte nach links, schaltete Zündung und Scheinwerfer ein, löste die Handbremse. Er fädelte sich in den Verkehrsstrom, reihte sich kurz vor der nächsten Ampel links ein und wählte mit Richtung Gedächtniskirche den denkbar längsten Weg zum Grunewald.
Er fuhr langsam, hatte das Autoradio eingeschaltet. Die in den Fond brodelnde Musik konnte das Richtmikrofon nicht stören, aber unerwünschte Zuhörer ausschließen, während der Mann aus dem Osten die Minispüle besprach:
»Achtung!« begann er. »geheimhaltestufe i. anweisung ausser der reihe.« Während Konopka sprach, fuhr er langsam. Das Mikrofon war nicht zu sehen. Er hatte beide Hände am Steuer, den Blick auf der Straße. Falls er wirklich von außen beobachtet würde, wirkte er wie ein Mann, der vor sich hinfluchte oder Selbstgespräche führte. Nach knapp zwei Minuten hatte er das Miniband mit Befehlen munitioniert. Während der Fahrt schob er die Kassette in die Jackentasche. Tote Briefkästen gab es in Berlin wie Sand am Meer, aber in diesem Sonderfall zog Konopka ausnahmsweise einen lebenden vor.
Das Band würde sich automatisch löschen, wenn es Unbefugten in die Hände fiel. Der Aufwand war nicht übertrieben. Es stand einiges auf dem Spiel, und zwar für den Osten wie für den Westen. Nur aus diesem Grund hatte Konopka heute Europas längste Mauer hinter sich gelassen. Er mußte die Geheimanweisungert im Kopf über den Kontrollpunkt schmuggeln, um sie nicht den Zufälligkeiten des Grenzübertritts auszusetzen.
Konopka ließ den VW-Käfer stehen. Er war sicher, daß ihn sein Eigentümer bald finden würde. Bis zum Blauen Haus mußte er nur noch zweimal um die Ecke. Die letzte Strecke gingen die meisten Besucher des Privatklubs zu Fuß. Es war verpönt, in seiner Nähe den Wagen abzustellen.
Sein Ziel lag im verträumten Ende eines leicht verwahrlosten Parks. Das Gebäude war mit wildem Wein bewachsen; man konnte nicht feststellen, ob es ursprünglich blau gewesen war. Konopka drückte die Klingel und nannte einen Namen.
Das Schloß sprang elektrisch auf; er trat in einen Vorraum. Erst als er die Türe geschlossen hatte, wurde er hell ausgeleuchtet. Vermutlich erschien er jetzt, von einer automatischen Kamera erfaßt, auf einem Bildschirm irgendwo im Haus, wo der Klubmanager prüfte, ob Name und Gesicht übereinstimmten.
Erst in diesem Fall sprang die nächste Türe auf – wie in diesem Moment.
Als Spitzenmann des Ostens mußte Konopka an diesem Ort exotischer wirken als die farbigen Diplomatentöchter nebst ihren Freundinnen, nur wußte es niemand. Das bedeutete, daß seine Bürgschaft ein ganz hoher Pate übernommen hatte.
Die Musik war angenehm gedämpft, das Licht weich moduliert. Die Halle wirkte groß, sparsam, doch nicht spärlich möbliert. Offensichtlich hatte hier Geld dem Geschmack geholfen; statt ihn zu bestimmen. Nebenan gab es kleinere Gesellschaftsräume, im Souterrain ein Hallenschwimmbad.
Konopka trat an die kleine Bar in der Ecke, sagte »Guten Abend« und wurde dadurch teilnahmeberechtigt an den Zufälligkeiten des Abends. Das weite Oval war zur Hälfte besetzt, Herren in knapper Überzahl. Die Damen sahen ungewöhnlich gut aus, nicht weil das Licht ihnen schmeichelte. Auch die Herren konnten sich sehen lassen. Der Mann aus dem Osten kannte niemanden, weder persönlich noch von dem Foto in seinem Dossier.
Der Blickfang nannte sich Bianca, offensichtlich eine Südamerikanerin. Sie trug ein gehäkeltes Wollkleid auf der bloßen Haut; es heizte den Umsitzenden beiderlei Geschlechts offensichtlich ein, daß man nicht sah, was man doch sehen müßte..
Es gab keinen Keeper an der Bar, entweder es übernahm einer der Gäste dieses Amt freiwillig, oder man bediente sich selbst. Da in diesem Haus – so wenig Bordell wie Kloster – laute Töne verpönt waren, benutzte man Alkohol ohnedies nur, um seine Sinnlichkeit leicht anzufeuchten. Erlaubt war, was gefiel, und es gefiel das Unerlaubte.
Man kam hierher, um etwas zu erleben oder um sich zu versagen. Der Klub lebte davon, daß sich Fantasie und Wirklichkeit überschnitten. Die Konversation an der Bar war dreisprachig. Man unterhielt sich mit der bekannten Star-Architektin über den neuesten Golfschläger, ganz fachlich, und malte sich dabei aus, daß die Dame mit dem präzisen Französisch in wenigen Minuten schon irgendwo nebenan zu einer fleischfressenden Pflanze werden könnte, die noch dazu Zoten ausspuckte, um eine Stunde später den Sündenpfuhl ladylike wieder zu verlassen.
Gelegenheit macht Liebe. Der Privatklub bot sie reichlich. Es war wie eine Diplomatenjagd in einem Wildpark. Männliche und weibliche Teilnehmer waren gleichberechtigt; jeder hatte sein Gewehr – keiner die Gewähr –, und jede Kugel trifft ja nicht, auch wenn man mit Schrot schießt.
Kurz vor 23 Uhr stieß Konopka auf das Wild, das vielleicht ihn jagen würde:
An der Bar, schräg gegenüber, saß eine Dreißigerin mit grüngrauen Augen und weichen Lippen, die männliche Aufmerksamkeit provozierte und mißachteté, Männer durchblickend, als wären sie aus Glas. Eingeweihte wußten, daß sie längst nicht so unnahbar war, wie sie sich gab, was nichts daran änderte, daß ihnen etwas einfallen mußte, wenn sie sich ihr nähern wollten.
Konopka sah aus wie ein Mann, der sich gerade das Angriffskonzept zurechtlegte.
»Verehrtester«, raunte ihm ein geschniegelter Bursche belustigt zu, der neben ihm saß und von allen Emil genannt wurde. »Bei dieser Dame werden auch Sie sich eine Abfuhr holen.«
»Möglich«, erwiderte der urbane Spitzenfunktionär und nahm mit den Augen Maß.
Dann wechselte er den Platz, setzte sich neben die Dreißigerin und nahm das alte Spiel auf: Adams Begehren – Evas Verwehren.
»Sie gefallen mir«, sagte Konopka.
»Danke«, erwiderte sie mit einem leichten französichen Akzent. »Zum Glück gefalle ich nicht nur Ihnen.«
Die Umsitzenden lachten.
»Sind Sie Französin?« versuchte er das Gespräch in Gang zu halten.
»Keine Fragen«, entgegnete sie. »Nicht an diesem Ort.«
»Ich würde Ihnen gerne Berlin zeigen«, sagte Konopka. »Ich bin nur leider sehr in Zeitdruck.«
»Ich heiße Madeleine«, erwiderte sie, »und ich hasse Männer, die es eilig haben. Hast ist mir überhaupt zuwider. Aber falls Ihnen etwas Neues einfällt«, sie lächelte spöttisch, »bon, ich gebe Ihnen fünf Minuten Zeit, Monsieur.«
Konopka stand auf.
Madeleine zögerte, nahm dann vorsichtig ihre übereinandergeschlagenen Beine vom Hocker, hängte sich bei ihm ein. Unter beifälligen und eifersüchtigen Blicken gingen beide die freitragende Treppe hinauf, die zu den intimeren Räumen führte.
Eine Tür stand offen; der Mann aus dem Osten bewertete es offensichtlich als Einladung. Er schaltete das Radio ein, wiewohl es sicher in diesem Haus so wenig Zuhörer gab wie Zuschauer. Auch in verfänglicher Situation blieb er der blendende Vertreter eines miesen Gewerbes. Er spielte die Szene durch wie vor vollem Haus, stand einen Moment verlegen vor der frivolschönen Madeleine, betrachtete die Couch.
Sie war breit und weich, nah und einladend.
»Sie gefallen mir«, sagte Konopka.
»Erste Wiederholung«, spottete sie. »Geht alles ab von Ihrer Zeit. Bin nur gespannt, wie Sie das in vier Minuten schaffen wollen.«
Seine Hände schossen vor; er riß sie an sich.
»Nicht mit