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damit ihre Arbeit zur Entdeckung der Gene ausgezeichnet, die diese Rezeptoren codieren. Erstaunlicherweise sind olfaktorische Gene im Säugetier-Genom stark überrepräsentiert. Hunde haben etwa elfhundert olfaktorische Rezeptorgene, von denen rund achthundert aktiv tätig sind.*

      Merken Sie sich einmal die Zahl 19.000 – aus so vielen Genen besteht das Genom Ihres Hundes, also quasi sein Entwurf, der für die Schaffung seines gesamten Körpers von der charmant geringelten Rute bis zu den ausdrucksvollen dunklen Augen verantwortlich ist. Fast fünf Prozent des Genoms dienen zu nichts anderem als nur zur Schaffung von Geruchsrezeptoren – das macht jede Menge Schlösser, um die Schlüssel dieser Welt zu riechen.

      Hunderassen unterscheiden sich in ihrer Riechfähigkeit, was daran liegen könnte, dass sie unterschiedlich viele operative olfaktorische Gene haben: Boxer (mit kurzen Nasen, in denen die Nasenmuscheln komprimiert werden) haben etwas weniger funktionale Gene als Pudel (lange Nasen und respektable Schnüffler). Auch wenn man mit der Forschung zu diesem Thema gerade erst begonnen hat, gibt es doch einige Hinweise darauf, dass bestimmte Gene sogar mit der Entschlüsselung bestimmter Gerüche zu tun haben könnten. In einer Studie fand man eine kleine Abweichung an einem bestimmten Gen von Hunden, die im Aufspüren von Sprengstoff weniger gut abschnitten.

      Wenn genetische Unterschiede zu Unterschieden in der Geruchserkennung führen, könnte man fragen, ob bestimmte Rasse genetisch gesehen bessere Schnüffler sind als andere. Insofern, als dass irgendeine unbestimmte Unterkategorie von Genen dazu führen könnte, dass ein Hund einen Geruch wahrnehmen kann, den ein anderer Hund nicht riecht, ja. Ob der genetische Unterschied in der Riechleistung Teil der genetischen Unterschiede zwischen den Rassen ist, ist eine andere Frage – und eine vorerst unbeantwortete.

       Geruch trifft Ventilator

      All diese Arbeit, um zur Rezeptorzelle zu kommen – und der Geruch hat es immer noch nicht geschafft. Der Duft des toten Eichhörnchens oder irgendeiner beliebigen anderen Substanz wird nur dann entdeckt, wenn Bestandteile des Geruchs, nachdem sie sich an Rezeptoren angekuschelt haben, die Nervenzellen auch zum Feuern bringen. Diese verändern dann ihre elektrische Spannung und schicken ein Aktionspotenzial über ihre ganze Länge hinweg, das nun die Nase verlässt und ins „Nasengehirn“ gelangt: in den Riechkolben. Zehntausende Millionen Nervenzellen finden sich zu ein paar Tausend Bündeln zusammen und schlüpfen durch kleine Öffnungen im Knochen ins Gehirn.

      Ganz früher dachte man, dass das Riechen im Gehirn stattfindet und die Nase nur die Zuleitung ist. Selbst im zwanzigsten Jahrhundert und mit dem Aufkommen der Gehirn/Computer-Vergleiche hörte man nicht selten, dass die Nase quasi das Gebläse oder die Lüftung des Supercomputers namens Gehirn sei. Heute wissen wir, dass das Ganze sich etwas elektrischer verhält. Santiago Ramón y Cajal, ein früher und einflussreicher Anatom, kartierte Ende des neunzehnten Jahrhunderts den Weg von der Nase zum Gehirn und beobachtete dabei, dass Nerven (die die Information aufgenommener Gerüche tragen) ins Gehirn eindringen, nicht die Gerüche selbst.

      Der Riechkolben sitzt direkt hinter dem Nasenhintergrund, eingezwängt unter dem Frontallappen des Gehirns. Die Nase ist der schnellste Weg ins Gehirn: Ein Neuron gelangt aus der warmen, nach Abendessen und leicht nach umherschwebenden Hundehaaren duftenden Luft Ihres Wohnzimmers in die hochklimatisierte Umgebung des Gehirns. Vor dem Riechkolben „weiß“ eine Nervenzelle nur, dass sie sendet; im Riechkolben finden sich die Axone Tausender Nervenzellen der gleichen Rezeptorenart alle an einem einzigen Zielort zusammen und überschütten ihn mit Aktivität. Dies alles zusammengenommen scheint die Empfindung der Geruchswahrnehmung zu schaffen. So, wie ein Geruchsmolekül von den Rezeptoren gepackt und auseinandergenommen wird und damit viele Nervenzellen zum Feuern bringt, so wird es in den topographischen Schichten des Riechkolbens auch wieder rekonstruiert. Kleine Hinweisspuren von vielen Zellen werden in die Wahrnehmung des stinkenden Verwesungsgeruchs übersetzt, der die Entdeckung Ihres Hundes kennzeichnet.

      Man würde vielleicht erwarten, dass der Riechkolben des Hundes gigantisch groß ist. Ist er nicht. Aber er macht zwei Prozent seines gesamten Gehirns aus, zwei Cent eines Eurostücks. (Bei Menschen ist er verschwindend klein: weniger als ein Dreißigstel eines Cents.) Und das macht einen Unterschied: Der Riechkolben übersetzt die Signale der Nervenzellen in so etwas wie die Wahrnehmung eines Geruchs.

      Vom Riechkolben aus wird die Geruchsinformation auf eine fast unmittelbar losgehende und umfangreiche Wiedererkennungssuche durch das Hundegehirn gejagt: Welche Gefühle mit dem Geruch verknüpft sind, welche Erinnerungen er wecken und welche Verhalten er auslösen könnte. Für einige dieser Entscheidungen verbindet sich der Riechkolben direkt mit dem Riechhirn sowie mit dem subkortikalen limbischen System, das dem Geruch die emotionale Färbung wie zum Beispiel Angst oder Aufregung hinzufügt.

      Untersuchungen zur Reaktion des Gehirns auf Gerüche hatten immer ein gemeinsames Element: das Subjekt mit irgendetwas extrem Stinkigem zu konfrontieren und das Ergebnis zu messen. Einer der frühen Wissenschaftler, der die Gehirnreaktionen auf Geruch studierte, war der Physiologe Edgar Adrian, der den bescheidenen Igel verschiedenen Gestänken aussetzte, darunter dem verwesender Würmer. „Wasser, in dem einem Regenwurm zu verwesen erlaubt wurde“ rief eine deutliche Reaktion auf Seiten des Igels hervor.

      Stärker zeitgenössische Wissenschaftler konfrontierten Kaninchen mit scharf riechendem Cheddar-Käse, lockten Tsetse-Fliegen mit einem Gemisch aus Ochsen- und Büffelurin an, setzten verängstigte Ratten den Analdrüsensekreten ihrer Fressfeinde Wiesel und Rotfuchs aus oder, ein neuerer Versuch, hielten Hunden den Achselhöhlengeruch ihrer Besitzer unter die Nase.

      Hier müssen wir zur Erklärung etwas weiter ausholen: Neurowissenschaftler haben oft eine Vorliebe für Versuche, die großen Fragen zum Geist und zum Denken mit Hilfe von Geräten beantworten zu wollen. Magnetresonanztomographen (MRTs) können, wenn man sich in ihnen drin befindet oder von ihnen generierte Bilder anschaut, oberflächlich betrachtet wie Gedankenleser erscheinen. Bei der „funktionellen“ MRT liegt das Subjekt auf einer Plattform, die von einer Röhre umgeben ist, in der sich ein sehr starker Magnet befindet. Durch Störungen des Magnetfelds können Bilder des Blutflusses im Gehirn (und damit der neuralen Aktivität) festgehalten werden. Legen Sie sich hin und denken Sie an Ihre Großmutter, und diejenigen Bereiche Ihres Gehirns, in dem Ihre Erinnerungen an Omas schiefes Lächeln, an ihre Brille, an den Geruch von Talkum und an die Spielzeuge sitzen, die sie für Sie gebastelt hat, als Sie noch klein waren, werden auf dem Computerbildschirm aufleuchten.

      Aber eine fMRT wird niemals die Frage beantworten, wie es sich anfühlt, diese Erinnerungen zu haben oder Omas Geruch wieder in sich wachzurufen. Bilder von Gehirnbereichen erklären nicht, wie der Geruch von Talkumpuder in mir das Erinnerungsbild an meine Großmutter weckt, wie sie im dunklen, vollgestellten Wohnzimmer in ihrem Spezialsessel sitzt. Stattdessen lässt das Gerät uns die Aktivität von weitem betrachten: Man schaut dem Meteoritenschauer der Perseiden zu, ohne deshalb Antwort auf die Fragen des Universums zu finden. Und so haben auch ein paar Forschungsprogramme damit begonnen, die Gehirne von Hunden in MRTs zu betrachten. Was an sich schon für beide Spezies eine – wenn auch machbare – Mammutleistung in Sachen Training und Geduld ist, da die Hunde im Tomographen bei Bewusstsein, sprich wach sein, aber trotzdem vollkommen stillhalten müssen. In einer der ersten MRT-Studien hatte man untersucht, welche Bereiche in den Gehirnen von Hunden angesprochen wurden, denen man den Geruch ihrer Besitzer vorhielt.

      „Geruch der Besitzer“ meint in diesem Fall den Geruch aus den Achselhöhlen der Besitzer, den man mit einem Gazepad abgenommen hatte und nun damit vor der Nase des bäuchlings im MRT liegenden Hundes wedelte. Man fand heraus, dass ein Gehirnbereich namens Nucleus caudatus angesichts des Achselhöhlengeruchs vor Aufregung geradezu tanzte. Die Wissenschaftler hatten nach diesem Bereich Ausschau gehalten, weil er leicht auf dem MRT-Bild zu erkennen ist und weil er mit Belohnungsempfindungen in Verbindung gebracht wird.

      Ich schlage noch eine weitere Methode vor, um zu erforschen, wohin genau die Geruchsinformation im Gehirn geht: Beobachten Sie Ihren Hund. Wenn Sie Ihr Leben mit einem Hund teilen, dann wissen Sie, was passiert, nachdem sein Gehirn ein totes Eichhörnchen identifiziert hat. Kein Hund wartet und denkt über die Tragweite seines nächsten Schrittes nach, bevor er handelt.

      Er

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