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fragte er. »Vielleicht weiß der eine oder andere Rat.«

      Christian würde alles getan haben, um weiterzukommen. Hastig erzählte er vom Verschwinden seiner Braut und der vergeblichen Suche auf der Alm.

      Allerlei Vermutungen wurden laut, und der allgemeine Tenor war, daß der Brandner sowieso ein merkwürdiger Kauz sei, dem man nicht über den Weg trauen konnte.

      Aber er machte einen verdammt guten Kas’!

      Sebastian berichtete, was er in dem Kirchenarchiv herausgefunden hatte.

      »Trotzdem bleibt das Madel verschwunden«, sagte einer.

      »Von welchem Madel redet ihr?« fragte Markus Bruckner, der eben hinzugetreten war und nur den Rest des Gespräches mitbekommen hatte.

      »Aber natürlich hab ich das Madel gesehen«, rief er aus.

      Christian sprang auf und hätte beinahe einen Stuhl umgerissen.

      »Wann? Wo haben Sie Veronika gesehen?« rief er erregt.

      Der Bürgermeister von Sankt Johann setzte sich und winkte nach Sepp Reisinger.

      »Vor einer guten Woche. Bei mir drüben, im Rathaus«, erwiderte er auf Christians Fragen. »Sie hat sich nach dem alten Brandner erkundigt.«

      Der Wirt nahm die Bestellung auf und Markus Bruckner erzählte, wie er Veronika Seebacher kennengelernt hatte.

      *

      »Sie kam ins Rathaus und erkundigte sich nach Urban Brandner. Sie sagte, er wäre ihr Großvater, sie sei die Tochter von Maria Seebacher, geborene Brandner«, sagte der Bürgermeister und trank einen kräftigen Zug aus seinem Bierkrug.

      Er wischte sich den Schaum von den Lippen.

      »Ich hab’ ihr den Weg zur Alm beschrieben, und dann hat sie der Lenz, der Knecht vom Sterzinger, ein Stück auf dem Wagen mitgenommen«, fuhr er fort. »Und nun ist das Madel verschwunden?«

      »Der Alte behauptet, daß sie nicht dort gewesen wäre«, fuhr Christian auf. »Ja, er kenne sie nicht einmal.«

      »Unsinn«, schüttelte der Bruckner-Markus seinen Kopf. »Das Madel ist hinauf zu ihm. Da wett’ ich meine beste Kuh drauf.«

      Christian hielt es nicht mehr länger aus.

      »Den Burschen kauf ich mir«, rief er. »Jetzt gleich!«

      Pfarrer Trenker ergriff ihn beim Arm und zog ihn sanft auf den Stuhl zurück.

      »Beruhigen Sie sich, Christian«, sagte er. »Heut abend werden S’ net mehr viel ausrichten können. Es ist viel zu dunkel, um noch nach oben zu gehen. Morgen früh steigen wir noch einmal hinauf und stellen Urban zur Rede. Dann kann er sich nicht mehr in Ausflüchte retten.«

      Natürlich wußte Christian, daß Pfarrer Trenker recht hatte, aber die Sorge um seine Braut raubte ihm jedes logische Denken.

      »Aber, Veronika – wenn der Alte sie dort oben gewaltsam festhält, oder Schlimmeres – wenn sie gar nicht mehr lebt…«, protestierte er.

      »Nein, nein«, widersprach Sebastian.

      Während des Gespräches war ihm ein Gedanke gekommen, den er immer weiter gesponnen hatte.

      »Vielleicht liege ich völlig falsch, mit meinen Gedanken«, sagte er. »Aber ich könnte mir vorstellen, daß der Alte Veronika nicht gehen lassen will, weil er nicht noch einmal ein Kind verlieren will.«

      Die anderen sahen ihn verständnislos an.

      »Urban hat vor Jahren seine einzige Tochter Maria davongejagt«, fuhr Sebastian fort. »Maria ist Veronikas Mutter und bestimmt sahen die beiden sich ähnlich. Ich bin überzeugt, daß der alte Brandner in den Jahren, die er nun schon da oben verbringt, mehr als einmal bereut hat, so hart gegen sein eigen Fleisch und Blut gewesen zu sein. Er muß vom Auftauchen seiner Enkeltochter völlig überrascht gewesen sein. Vielleicht hat er im ersten Moment sogar geglaubt, Maria sei wieder zu ihm zurückgekehrt. Und nun, so könnte ich mir vorstellen, will er an seiner Enkelin wiedergutmachen, was er bei Maria versäumt hat.«

      »Das scheint mir eine interessante Überlegung«, gab Christian Wiltinger zu. »Veronika und ihre Mutter hatten wirklich eine große Ähnlichkeit. Man hätte sie für Schwestern halten können.«

      »Sehen Sie«, nickte Sebastian Trenker. »Daher glaube ich, daß Ihre Verlobte wohlauf ist. Der alte Fuchs da oben wird sie vor uns versteckt haben, aber ein Leid wird er ihr ganz bestimmt nicht zufügen.«

      »Also gut«, stimmte Christian schweren Herzens zu. »Dann versuchen wir es morgen noch einmal.«

      »Gleich nach der Frühmesse geht’s los«, sagte Sebastian.

      »Ich würd’ euch ja begleiten«, warf Max ein. »Aber ich muß morgen in Sachen Madonnenraub in die Kreisstadt. Wenn wir Glück haben, bekommen wir das gute Stück schon bald zurück.«

      »Vielleicht sollte Doktor Wiesinger mitkommen – vorsichtishalber«, schlug Christian vor.

      »Keine schlechte Idee«, stimmte Sebastian zu.

      »Ich bin gerne bereit«, erklärte der Arzt. »Auch in Hinsicht auf den Gesundheitszustand des alten Mannes. Ihre Theorie, Hochwürden, hat durchaus etwas für sich. Ich bin zwar kein Psychiater, aber ein paar Semester habe ich dieses Fach studiert. Es ist durchaus möglich, daß Urban Brandner in dem Wahn lebt, seine Enkeltochter vor dem zu bewahren, was seiner Tochter widerfahren ist. Das kann unter Umständen gefährliche Züge annehmen. Daher komme ich selbstverständlich mit, für den Fall, daß medizinische Betreuung erforderlich ist.«

      »Gut, dann wäre das ja geklärt«, freute Sebastian sich.

      Er schaute auf die Uhr.

      »Ich verabschiede mich«, sagte er und stand auf. »Morgen früh klingelt der Wecker erbarmungslos.

      Die anderen beschlossen, den Stammtisch aufzuheben und ebenfalls zu gehen.

      *

      Veronika hatte zum wiederholten Male ihren Rucksack ein- und wieder ausgepackt. Immer noch sann sie über eine Möglichkeit nach, Reißaus zu nehmen. Besonders seit der Großvater sich seit dem gestrigen Besuch noch merkwürdiger benahm. Wer mochte es nur gewesen sein, der den Alten aufgesucht hatte, und was wollte er vom Großvater?

      Das Madel trat hinaus. Urban Brandner saß vor der Hütte an seinen Schnitzarbeiten. Veronika setzte sich zu ihm.

      »Es sind wunderschöne Figuren, die du da machst«, sagte sie, ihn ehrlich bewundernd.

      Urban lächelte und reichte ihr das handtellergroße Werkstück, an dem er gerade arbeitete. Es war ein Mädchenkopf. Als sie ihn näher betrachtete, sah Veronika verblüfft in ihr eigenes Antlitz.

      »Das ist ja, als würd’ ich in den Spiegel schau’n«, flüsterte sie.

      Es war alles da, der Haarschopf, die kleine Stupsnase, sogar das Grübchen auf der rechten Wange fehlte nicht.

      »Ich schenk’s dir, Maria«, sagte Urban.

      Das war zuviel. Wutentbrannt sprang das Madel auf und warf das Schnitzwerk mit einer heftigen Bewegung auf den Boden.

      »Ich heiß’ Veronika«, schrie sie außer sich. »Geht das net in deinen sturen Schädel ’nein?«

      Urban erhob sich. Er schaute sie böse an.

      »Schäm’ dich, Kind«, schimpfte er. »Wenn du net gehorchst, sperr’ ich dich ein.«

      »Dann tu’s doch«, antwortete Veronika trotzig.

      »Du willst es ja net anders«, raunzte Urban und zog sie mit sich.

      Wieder der Verschlag. Urban sperrte sie ab.

      »Ich laß dich erst wieder raus, wennst artig bist«, drohte er. »Und der Mutter sag’ ich auch, daß du net artig warst, Maria.«

      »Veronika! Ich heiße Veronika!« schrie sie verzweifelt

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