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Reiterhof Dreililien 10 - Wege in Schatten und Licht. Ursula Isbel
Читать онлайн.Название Reiterhof Dreililien 10 - Wege in Schatten und Licht
Год выпуска 0
isbn 9788726219678
Автор произведения Ursula Isbel
Серия Reiterhof Dreililien
Издательство Bookwire
Als ich unsere Erkennungsmelodie Yellow is the colour of my true love’s hair pfiff, gab Hazel Antwort. Ihr helles Gewieher fand Widerhall. Plötzlich war die Luft erfüllt von den hohen Stimmen der Stuten und den Kinderstimmen der Fohlen und Jungpferde.
Ich stand mitten unter ihnen; sie umringten mich, beschnupperten mich. Nüstern bliesen mich freundlich an, Nasen pufften mich; alle wollten gestreichelt und begrüßt werden. Ich wußte, ich würde dieses Willkommen nie vergessen.
Das Geschiebe und Gedränge nahm zu. Dann war Hazel bei mir. Sie drückte ihre Stirn gegen meine Schulter, schnaubte mir ins Haar, spielerisch und zärtlich zugleich, und wieherte leise, als wollte sie mir etwas erzählen. Und ich umarmte sie lange, lange, die Augen voller Tränen, und flüsterte: „Mein Tierchen, mein Tierchen! Wie gut, daß es dich gibt, und daß du gesund bist. Du bist mir doch nicht böse, daß ich weg war? Ich hab so viel an dich denken müssen! Auch wenn ich manchmal fortgehe – ich komme immer wieder zu dir zurück; das hab ich dir ja versprochen!“
Und ich küßte sie auf die schmutzige Nase und fragte mich, wie es möglich ist, daß es zwischen Mensch und Tier so viel Liebe und Vertrautheit geben kann, eine so starke Bindung. Wieso gibt es Leute, die glauben, daß Tiere keine Seele haben, daß sie nicht ebenso empfindsam sind wie wir, fähig zu Freude und Trauer, Angst und Schmerz und Bindungen, die bis zum Tod dauern?
Die Herde drängte weiter, dem Stall zu. Ich ging mit, die Hand in Hazels Mähne, und schaute mich nach Matty um. Rasch verdichtete sich die Dämmerung zur Dunkelheit, und ich sah ihn nicht; doch plötzlich faßte mich jemand von hinten um die Taille, hob mich hoch und sagte: „Da bist du ja endlich wieder! War’s schön?“
„Sehr schön!“ sagte ich atemlos, wandte mich um und zerraufte ihm die Haare. „Aber so schön wie hier kann’s nirgends sein!“
„Dazu fährt man wahrscheinlich weg, um das zu kapieren“, erwiderte er halb lachend, halb im Ernst.
Ich wartete am Stalltor, während die Pferde in ihre Boxen geführt wurden. Am liebsten hätte ich gleich mitgeholfen, sie zu füttern und zu tränken, doch jetzt spürte ich wieder, wie müde ich von der langen Fahrt war. Maja, die die Nachhut bildete, kam, und ich dankte ihr, daß sie Hazel für mich versorgt hatte.
„Morgen hast du mal einen freien Tag“, sagte ich. „Ich bin gleich in aller Frühe da und helfe im Stall. Du möchtest sicher mal ausschlafen.“
Ihre großen braunen Augen glänzten im Licht der Kutscherlampe, die über dem Stalltor hing. „Du, das Angebot nehm ich gern an. Ich möchte schon seit ewigen Zeiten nach Rosenheim, um mir neue Jeans zu kaufen und mal wieder einen Buchladen von innen zu sehen. Und hier war bis gestern mit den Osterferien-Reitern so viel los, daß wir kaum zum Schnaufen gekommen sind.“
Als ich über den Stallhof ging, sah ich Michls dünne, hochaufgeschossene Gestalt unter dem Balkon des Gesindehauses, geduckt und heimlich wie ein Einbrecher oder ein Geist. Er lebte jetzt schon seit mehreren Wochen bei uns und war noch immer total unzugänglich und menschenscheu. Ich wollte ihm etwas zurufen, doch er war schon durch die Tür zum alten Schafstall verschwunden, in dem nun die drei ehemaligen Rennpferde Victory, Turf Star und Lucky Duck untergebracht waren.
Ich trat durch den Torbogen, auf dem Dreililiens Wappen in Stein gemeißelt war. Die Lampe schwang sacht im Luftzug. Und ich dachte: Ich hab allen was mitgebracht, nur Michl nicht. Er hat keinen, der an ihn denkt und ihm auch mal ein Geschenk macht.
Plötzlich fiel mir der schöne Geldbeutel ein, den ich bei einem Bummel durch Florenz gekauft hatte. Eigentlich war er für mich bestimmt, denn mein alter fiel schon fast auseinander. Doch ich konnte ihn sicher noch einmal zusammenflicken; wir hatten Ledernadeln und festen Zwirn in der Sattelkammer.
Es ging mir durch den Sinn, wie reich ich war, daß ich alles hatte, was ich brauchte, und noch viel mehr: Jörn, den ich liebte, und meinen Vater und Kirsty und eine kleine Schwester; ein Pferd und Freunde und ein wunderbares Zuhause. Michl aber hatte nichts. Da konnte ich wenigstens auf einen Geldbeutel verzichten, um ihm eine Freude zu machen.
2
Es war ein Glück, zu Hause zu erwachen. Friedliche, paradiesische Geräusche wie Vogelstimmen und das Säuseln des Windes in den Fichten und Tannen kamen durchs Fenster. In der Toskana ballerten seit Beginn der Jagdsaison schon in aller Herrgottsfrühe die „Hobbyjäger“ herum, die in ihrer teuren Jagdausrüstung scharenweise übers Land streiften und wie ein Todeskommando auf alles schossen, was sich bewegte. So gab es dort kaum noch ein Kaninchen oder einen Fasan, von größerem Wild ganz zu schweigen. Rebhühner waren so gut wie ausgerottet, so wie bei uns auch. Die Landschaft war ausgestorben wie eine Stadt ohne Bewohner; und die Vögel, die es geschafft hatten, den Leimruten und Netzen zu entgehen, verbargen sich vor den Menschen und waren in ständiger Fluchtbereitschaft – angstvolle Bewohner in einem feindlichen Land.
Ich mußte an die Füchsin denken, die ich einst an einem Sommertag hier im Wald in einem Tellereisen gefunden hatte. Das war während eines Ausritts mit Hazel gewesen. Auch bei uns gibt es Menschen, die grausam sind, und für die das Töten eines Tieres ein Sport ist. Es gibt Leute, und zwar nicht nur Millionäre, denen Jäger das Wild vor die Flinte treiben, damit sie es bequem und leicht abschießen und sich hinterher mit ihrem „Jagdglück“ brüsten können.
Erst vor kurzem war im Bayerischen Landtag ein Gesetzesentwurf zum Verbot der grausamen Schlagfallen abgelehnt worden. Beim Gedanken an die Leiden der Tiere, die oft tagelang in solchen Fallen steckten, bis sie qualvoll verendeten, an die Muttertiere, die sich selbst verstümmelten, sich Gliedmaßen abbissen, um sich zu befreien und zu ihren Jungen zu kommen, verflog das Glücksgefühl des Erwachens und machte einer dumpfen Bedrückung Platz.
Ich stieg aus dem Bett und trat ans Fenster. Ein rosiger Schimmer lag über den Baumwipfeln und Dreililiens Dächern. Meine Stallkleidung muffelte in einem unordentlichen Haufen in der Truhe vor sich hin, so, wie ich sie vor elf Tagen hineingestopft hatte. Ich zog sie an und ging die Treppe hinunter, leise, um Vater, Kathrinchen und Kirsty nicht zu stören.
In der Küche lag Herr Alois in seinem Korb. Er sah schläfrig zu mir hoch und klopfte mit dem Schwanz auf das karierte Kissen. Ich kraulte seine Ohren, was ihm einen seligen Seufzer entlockte, nahm mir eine Banane und einen Apfel, schlüpfte in den Anorak und verließ das Haus.
An diesem Morgen war ich besonders früh aufgestanden. Ich wollte als erste im Stall sein, in dem heimeligen Gewölbe, wo die Schwalben ihre Nester unter die Decke geklebt hatten und auf ihren Eiern brüteten wie in jedem Frühjahr, und die Pferde mir mit ihren schimmernden Augen über die Trennwände der Boxen entgegensahen. Doch als ich zu Hazel ging, merkte ich, daß Michl schon in Solveigs Box stand und ihr verklebtes Hinterteil striegelte.
Er duckte sich, als er mich sah, aber ich ging zu ihm und sagte: „Hallo, Michl, wie geht’s dir? Ich freu mich so, wieder zu Hause zu sein!“
Er gab ein undeutliches Gebrumm von sich. Inzwischen war ich daran gewöhnt, daß sich die Gespräche mit Michl einseitig und mühsam gestalteten; man redete drauflos, ohne je eine richtige Antwort zu bekommen. So fügte ich etwas hilflos hinzu: „Du, ich hab dir was aus Italien mitgebracht. Ein Geschenk. Du kriegst es später, nach der Stallarbeit.“
Er verschwand noch tiefer in der Box und erwiderte gar nichts. Doch zwischen der Holzwand und Solveigs Flanke sah ich ein Stück seiner Stirn und Wange unter dem semmelblonden Haar und merkte, daß er rot geworden war, so, als sei er zutiefst verlegen oder erschrocken.
Ich wollte noch etwas sagen, aber mir fiel nichts mehr ein.