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doch in einem anderen, kein Geist in einem anderen geschaut werden: indes jener Vater allein wird im Sohn geschaut, bezw. dieser Sohn im Vater geschaut; denn Unähnliches läßt sich nicht in Unähnlichem schauen, vielmehr kann nur unter der Voraussetzung der Einheit des Wirkens und der Kraft der Sohn im Vater und der Vater im Sohne geschaut werden. „Die Werke, die ich vollbringe, versichert er, vollbringt auch jener"68. In den Werken wird Jesus geschaut, in den Werken des Sohnes auch der Vater wahrnehmbar. Der schaute Jesus, der jenes Geheimnis in Galiläa schaute, weil ja niemand außer dem Herrn der Welt Elemente verwandeln konnte69. Ich schaue Jesus, wenn ich lese, wie er einen Blinden die Augen mit Erde bestrich und das Augenlicht zurückgab70; denn ich erkenne den wieder, der den Menschen aus Erde bildete und ihm den Geist des Lebens, das Licht der Augen eingoß71. Ich schaue Jesus, da er Sünden vergibt; denn niemand kann Sünden nachlassen als Gott allein72. Ich schaue Jesus, da er den Lazarus auferweckt73, während ihn die Augenzeugen (des Vorganges) nicht schauten. Ich schaue Jesus, schaue desgleichen den Vater, da ich die Augen zum Himmel erhebe, nach den Meeren wende, zur Erde zurücklenke; „denn was an ihm unsichtbar ist, wird in den geschaffenen Dingen geistig wahrgenommen"74.

       8.

      „Wie es uns diejenigen überliefert haben, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes gewesen sind." Ein Zweifaches erheischt die Tugend im Vollkommenen: Intention und Handlung. Beide Funktionen nun legt der heilige Evangelist den Aposteln bei; denn sie waren, wie er hervorhebt, nicht bloß Schauer, sondern auch Diener des Wortes. Das Schauen intendierte den im Handeln bestehenden Dienst. Zweck der Intention aber ist die Handlung, das Erste in der Handlung die Intention. Und um uns speziell des Beispieles der Apostel zu bedienen: Die Intention besteht darin, daß Petrus und Andreas, sobald sie die Stimme des Herrn: „Ich will euch zu Menschenfischern machen" hatten rufen hören, ohne Verzug den Ruderpflock verließen, dem Worte folgten75. Doch in der Intention ist nicht ohne weiteres auch die Handlung eingeschlossen. Nicht einmal dort ist noch von einer Handlung, sondern erst von der Intention die Rede, wo Petrus klagt: „Herr, warum sollte ich Dir jetzt nicht folgen können? Mein Leben will ich für Dich einsetzen"76. Das war nämlich erst die Intention, war aber noch nicht die Leidenstat, mochte auch im Fasten, mochte im Wachen, mochte im Verzicht auf sinnliche Genüsse immerhin bereits ein Handeln liegen; es ist dies ja das Handeln eines Christen. Nicht in allem Tun liegt nämlich Intention und Handlung zugleich, sondern während bei dem einen ein Handeln vorliegt, ist bei einem anderen erst die Intention gegeben. So hat gerade auch Petrus, obschon er bereits vieles mit unermüdlichem, apostolischem Tugendeifer vollführt hatte, dennoch erst später auf des Herrn Ruf „du folge mir"77 sein Kreuz getragen, ist dem Worte nachgefolgt und hat der Tat des Leidens sich unterzogen. Doch mochte immerhin bei Petrus, Andreas, Johannes und den übrigen Aposteln Intention und Handlung gleicherweise vorhanden sein:

       9.

      Manchmal liegt indes der Schwerpunkt mehr in der Intention als im Handeln, oder aber mehr im Handeln als in der Intention. Einen solchen Unterschied gewahren wir im Evangelium zwischen Maria und Martha. Die eine lauschte dem Worte, die andere hatte es eilig mit der Bedienung. Da hielt letztere inne und sprach: „Herr, kümmert es Dich nicht, daß sie mich allein bei der Bedienung ließ? Sage ihr also, daß sie mir helfe!" Und er antwortete ihr: „Martha, Martha, Maria hat den besten Teil erwählt, der ihr nicht genommen werden wird"78. Die eine also gab sich eifrig intensivem Lauschen, die andere übereifrig dienstgefälligem Handeln hin. Gleichwohl waren beide auf beide Tugendfunktionen hinlänglich bedacht. So hätte doch gewiß einerseits Martha, wenn sie dem Worte nicht gelauscht hätte, nimmer sich seinem Dienste unterzogen, einem Handeln, das die Intention verrät. Andererseits lernte Maria aus der vollkommenen Übung beider Tugendfunktionen soviel Gefälligkeit, daß sie die Füße Jesu salbte, mit ihren Haaren trocknete und das ganze Haus mit dem Wohlgeruche ihres Glaubens erfüllte79. Manchmal auch ist die Strebsamkeit (intentio) sehr groß, das Handeln unfruchtbar: so wenn jemand sein Interesse der Arzneikunde zuwendet, dieselbe aber nicht beruflich ausübt, wiewohl er alle ärztlichen Kenntnisse besitzt. So kommt es dann, daß, weil unfruchtbar sein Handeln, auch unfruchtbar sein Streben bleibt. Manche auch entfalten dann und wann ein rühriges Handeln, aber zu geringe Strebsamkeit: so wenn jemand das Geheimnis der heilbringenden Taufe empfängt und der notwendigen Kenntnis der verschiedenen Tugendvorschriften kein Interesse zuwenden wollte. So kommt es vielfach, daß er wegen lässiger Strebsamkeit der Frucht des Handelns verlustig geht. Daher die Notwendigkeit, die Vollkommenheit beider Tugendfunktionen anzustreben, wie sie die Apostel zu erlangen vermochten, von denen es heißt: „welche von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes gewesen sind". Daß sie Augenzeugen waren, offenbart ihr Streben nach der göttlichen Erkenntnis; daß sie Diener waren, ihr Handeln.

       10.

      [Forts. ] * „So hat es gefallen"*80. Es kann nicht ihm allein nur gefallen haben, wenn er erklärt „es habe ihm gefallen". Denn nicht kraft menschlichen Willens allein81 hat es ihm gefallen, sondern wie es dem gefiel, „der in mir redet, Christus"82, der bewirkt, daß das, was gut ist, auch uns als gut erscheinen kann. Denn wessen er sich erbarmt, den ruft er auch83. Darum kann, wer Christus folgt, auf die Frage, warum er Christ werden wollte, antworten: „Es hat mir gefallen". Wenn er so spricht, leugnet er nicht, daß es Gott gefallen hat; denn „von Gott wird der Wille der Menschen bereitet"84. Gottes Gnade ist es, wenn Gott von einem Heiligen verherrlicht wird. So wollten denn gar viele ein Evangelium schreiben, aber nur vier, die des göttlichen Gnadenbeistandes gewürdigt wurden, fanden Aufnahme.

       11.

      „So hat es auch mir gefallen, nachdem ich über alles von Anfang an genaue Kunde eingeholt habe der Reihenfolge nach"85. Daß unser Evangelium sorgfältiger berichtet als die übrigen, dürfte niemand bezweifeln. Darum sind es nicht falsche, sondern wahre Dinge, die es zum Gegenstand seiner Darstellung hat. Auch vom heiligen Paulus wurde ihm denn auch das verdiente Zeugnis der Sorgfältigkeit ausgestellt: „Der wegen seines Evangeliums bei allen Gemeinden Lob findet"86, versichert er. Fürwahr der muß Lob verdienen, der von dem großen Völkerlehrer des Lobes gewürdigt ward87. ― Nicht über weniges, sondern über alles, wie er versichert, holte er Kunde ein. Und nachdem er Kunde eingeholt, hat es ihm gefallen ― nicht alles, sondern aus allem niederzuschreiben; denn nicht ‚geschrieben' hat er alles, sondern „Kunde hat er eingezogen" über alles. „Wollte man nämlich, so heißt es, alles aufschreiben, was Jesus getan, würde, wie ich glaube, die ganze Welt es nicht fassen"88. Man merkt auch, wie er selbst solches, was von anderen aufgezeichnet wurde, absichtlich übergangen hat. So bricht sich denn die Gnade im Evangelium in mannigfachem Lichte, und zeichnet jedes Buch durch Sondergut an wunderbaren Geheimnissen und Geschehnissen sich aus; denn es teilten sich die Streiter Christi in seine Kleider89. Eine erschöpfendere Erklärung über letztere Stelle wird an seinem Platz gegeben werden90.

       12.

      [Forts. ] Adressiert aber ist das Evangelium an Theophilus, d. i. den Gottgeliebten. Wenn du Gott liebst, ist es an dich geschrieben; wenn es an dich geschrieben ist, nimm das Geschenk des Evangelisten hin! Bewahre des Freundes Pfand im Inneren des Herzens! „Bewahre die schöne Hinterlage durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist"91, betrachte sie häufig, erwäge sie oftmals! Treue gebührt vor allem dem Pfande; der Treue folgt Sorgfalt, daß nicht Motte oder Rost die dir anvertrauten Pfänder verzehre92; denn verzehrbar ist, was dir anvertraut ist. Das Evangelium ist ein schönes Pfand, doch sieh zu, daß nicht in deinem Herzen Motte oder Rost es verzehren! Mottenfraß ist’s, wenn du der guten Lektüre schlechten Glauben schenkst.

       13.

      Eine Motte ist der Häretiker, eine Motte Photinus, eine Motte für dich Arius. Es zernagt das Kleid (der Gottheit), wer das Wort von Gott trennt. Es zernagt das Kleid Photinus, da er liest: „Im Anfange war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war"; denn unversehrt bleibt das Kleid, wenn du liest: „Und Gott war das Wort"93. Es

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