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eine bin, danke, pfui Deibel! Nehmen Sie Ihr Geld!

      Und noch dazu so wenig! sagt Pagel, völlig unbekümmert. Nicht einmal ein Paar Seidenstrümpfe können Sie sich dafür kaufen … Nein, sagt er rasch. Ich will Sie nicht mehr auf den Arm nehmen, hören Sie mal zu, ich möchte Sie sogar um Rat fragen …

      Sie steht da und starrt ihn an, die Scheine in der einen, die Leine mit dem zerrenden Fox in der andern Hand, völlig verblüfft über seinen veränderten Ton. Hören Sie –! sagt sie noch einmal, aber die Drohung ist nur schwach.

      Gehen wir hier lang? schlägt Pagel vor. Also los! Seien Sie nicht albern, kommen Sie ein Stück mit, Lina, Trina, Stina. Ich kann Ihnen hier auf offener Straße doch nichts tun, und verrückt bin ich auch nicht …

      Ich habe keine Zeit, sagt sie. Ich müßte längst zu Hause sein. Die gnädige Frau …

      Erzählen Sie der Gnädigen, Schnaps ist ausgerissen, und hören Sie jetzt zu. Ich war da eben drin bei dem feinen Kerl in der Villa, Schulkamerad von mir, wollte mir Geld pumpen …

      Und da stecken Sie Ihr Geld meinem Hund …

      Seien Sie keine Gans, Miezi!

      Liesbeth!

      Hören Sie zu, Liesbeth! Natürlich habe ich nichts gekriegt – weil Sie mit meinem Geld vor der Tür standen! Man kriegt nämlich kein Geld, so lange man noch was hat, und darum hatte ich es Ihrem Hund in das Halsband gesteckt. Kapiert –?

      Aber bei ihr geht es erheblich langsamer. Da sind Sie mir also gar nicht schon eine Woche lang nachgelaufen und einen Brief haben Sie auch nicht reingesteckt? Ich dachte, der Hund hätte ihn verloren …

      Nee, nee, Liesbeth, grinst Pagel zwar frech, aber jämmerlich ist ihm doch zumute. Kein Brief – und mit dem Geld wollte ich Ihnen auch nicht Ihre Reinheit abkaufen. Aber die Frage, die Sie mir nun beantworten sollen, ist die: was soll ich jetzt tun? Keinen Pfennig mehr. Eine Bude am Alex, für die die Miete nicht bezahlt ist. Meine Kleine sitzt als Pfand drin, nur mit meinem Sommerpaletot bekleidet. Alle Sachen habe ich verkauft, um hierher zu kommen.

      Ernst? fragt das Mädchen Liesbeth. Kein Quatsch mehr?

      Kein Quatsch mehr! Völliger Ernst!

      Sie sieht ihn an. Sie wirkt unglaublich frisch gewaschen und sauber – trotz der Hitze –, es riecht gewissermaßen nach Sunlichtseife um sie. Vielleicht ist sie nicht mehr ganz so jung, wie er zuerst dachte, außerdem hat sie ein recht energisches Kinn.

      Sie weiß jetzt, daß es wirklich ernst ist. Sie sieht ihn an, dann auf das Geld in der Hand.

      ›Gibt sie es mir jetzt wieder?‹ überlegt er. ›Dann muß ich zu Peter und muß etwas tun. Aber was ich tun soll, weiß ich wirklich nicht. Ich habe zu nichts mehr Lust. Nein, sie soll mir sagen, was ich tun soll …‹

      Sie hat das Geld glattgestrichen und in die Tasche gesteckt.

      So, sagt sie, nun kommen Sie erst mal mit mir. Nach Haus muß ich jetzt – und Sie sehen mir auch so aus, als könnten Sie ein Mittagessen in unserer Küche gebrauchen. Ganz grün und gelb sehen Sie aus. Die Köchin sagt nichts und die gnädige Frau ist auch einverstanden. Aber zu denken, daß Ihre Freundin in Ihrem Sommerüberzieher auf Ihrer Bude sitzt, und ’ne knuffige Wirtin womöglich dazu, und vielleicht nichts im Magen – und so was steckt Hunden Geld in das Halsband und möchte gleich wieder von frischem anbändeln – Scheißkerle seid ihr Männer doch!

      Sie hat immer rascher geredet, den Hund gezerrt, ist eiliger gegangen, aber keinen Augenblick war sie unsicher, ob er auch mit ihr ging.

      Und er ging wirklich mit, Wolfgang Pagel, Sohn eines nicht unbekannten Malers, Fahnenjunker a. D. und Spieler am Ende.

      Mit dem zweiten Bestellgang um elf hatte der Postbote schon den Brief gebracht. Aber um diese Zeit war Frau Pagel noch unterwegs, machte Besorgungen. So hatte Minna ihn auf den Konsoltisch unter dem Spiegel im Vorplatz gelegt. Da lag er nun, ein grauer Umschlag, irgendein gehämmertes, ziemlich pompöses Büttenpapier, die Adresse mit einer recht ausgeschriebenen Hand steil und sehr groß aufgemalt, und jeder freie Raum vorne wie hinten war vollgeklebt mit den Tausenderwerten der Briefmarken, obwohl es nur ein Stadtbrief war.

      Als Frau Pagel etwas verspätet und recht erhitzt aus der Stadt zurückkam, warf sie nur einen flüchtigen Blick auf den Brief. ›Ach, von Kusine Betty!‹ dachte sie. ›Jetzt muß ich mich erst um mein Essen kümmern. Was die alte Klatsche will, höre ich noch früh genug.‹

      Erst als sie bei Tisch saß, fiel ihr der Brief wieder ein. Sie schickte Minna danach, Minna, die wie stets hinter ihr in der Tür stand, während wie stets das Gedeck für Wolfgang am andern Tischende unbenutzt dalag. Von Frau von Anklam, sagte sie über die Schulter zu Minna, indem sie den Brief aufriß.

      Gott, das wäre auch nicht so eilig gewesen, gnädige Frau, daß Ihr Essen deswegen kalt werden muß.

      Aber aus der Stille, der starren Haltung der gnädigen Frau, aus der Reglosigkeit, mit der sie auf den Brief starrte, erriet sie, daß es doch wichtig gewesen war.

      Minna wartete lange, still, ohne Bewegung. Dann räusperte sie sich, schließlich sagte sie mahnend: Das Essen wird kalt, gnädige Frau!

      Wie –?! schrie Frau Pagel fast, fuhr herum und starrte Minna an, als sei die ihr völlig unbekannt. Ach so … besann sie sich. Es ist nur … Minna, Frau von Anklam schreibt es mir … Es ist nur – unser junger Herr heiratet heute!

      Und da war es vorbei. Der Kopf mit den weißen Haaren lag auf der Tischkante; der grade Rücken, den der Wille immer wieder gestrafft hatte, war krumm – die alte Frau weinte.

      Gott! sagte Minna. Gott!

      Sie trat näher. Zwar fand sie in dieser Heirat gar nicht so viel Schlimmes, aber sie verstand doch Kränkung, Schmerz, Verlassenheit der Herrin. Vorsichtig legte sie ihr die verarbeitete Hand auf den Rücken und sagte: Es braucht ja noch nicht wahr zu sein, gnädige Frau. Es ist noch lange nicht alles wahr gewesen, was Frau von Anklam erzählt hat.

      Diesmal ist es wahr, flüsterte Frau Pagel. Irgend jemand hat das Aufgebot gelesen, als es aushing, und hat ihr davon erzählt. Heute um halb eins.

      Sie hob den Kopf, sah suchend die Wände entlang. Dann besann sie sich, und der Blick fand die Uhr, die sie suchte, an ihrem Arm. Schon halb zwei! rief sie. Und der Brief hat so lange draußen gelegen, ich hätte es rechtzeitig wissen können …

      Wahres Leid findet in allem Nahrung, selbst im Widersinnigen. Daß sie es nicht rechtzeitig gewußt hatte, daß sie nicht um halb eins hatte denken können: ›Jetzt werden sie getraut‹ – das verstärkte Frau Pagels Kummer noch. Mit rinnenden Tränen, bebender Lippe saß sie da, sah ihre Minna an und sprach: Jetzt brauchen wir kein Gedeck mehr aufzulegen, jetzt ist Wolf ganz fort, Minna. Ach, dieses schreckliche Frauenzimmer – und nun heißt sie Frau Pagel, ganz wie ich!

      Sie bedachte den Weg, den sie gegangen war unter diesem Namen; den stürmenden, eiligen Blütenweg zuerst. Dann die langen, die endlos langen Jahre an der Seite des gelähmten Mannes, der, immer fremder werdend, ruhig und freundlich Bilderchen pinselte, indes sie für ihn nach einer Gesundheit jagte, nach der er doch nichts mehr zu fragen schien. Schließlich erinnerte sie sich an das Erwachen, an den wieder Auferstandenen mit den weißen Schläfen, der, in die albernsten Geckereien verstrickt, ihr schändlich gestorben ins Haus getragen wurde …

      Jeder Schritt dieses weiten Weges war so mühsam gegangen worden von ihr, kein Jahr ohne Sorge; Leid war ihr Bettgenoß gewesen, und ihr Schatten hieß Kummer. Aber darüber war sie eine Pagel geworden, aus den holden Täuschungen jungen Fleisches war die feste Frau erstanden, die nun und für ewig Frau Pagel hieß. Noch im Himmel würde sie eine Pagel sein; es war völlig unmöglich, daß Gott sie je etwas anderes sein ließ als eine Pagel. Aber all dies schwer Erkämpfte, diese Verwandlung, die ein schmerzliches Wachsen gewesen war in ihre Bestimmung hinein, das fiel diesem jungen Ding in den Schoß, als sei es nichts. Liederlich, wie sie zusammengekommen

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