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(Jer 15,16). Hesekiel und Jeremia lebten, genauso wie Johannes, zu einer Zeit, in der der Druck groß war, einem ganz anderen Text zu folgen als dem von Gott in seiner Heiligen Schrift offenbarten. Diese spezielle Bibel-Diät fand bei allen Dreien ihren Niederschlag in Sätzen von maximaler Kraft, Bildern voll flammender Klarheit und einem prophetischen Leben voll mutigem Leiden. Wenn wir in Gefahr sind (was wir selbstverständlich sind), dem allgemeinen Trend nachzugeben und die Heilige Schrift beiseitezulegen und sie durch den Text unserer eigenen Erfahrung zu ersetzen – unsere Bedürfnisse, Wünsche und Gefühle – dann sollten uns diese drei raubeinigen Propheten – Johannes, Hesekiel, Jeremia –, die verantwortlich waren für die geistliche Erneuerung von Gottes Volk während seiner schlimmsten Zeit (Babylonisches Exil und Verfolgung durch die Römer) verbindliche Wegweisung durch unser alltägliches Leben sein und uns von dem überzeugen, was ihnen ein ureigenes Bedürfnis war: Ja, iss dieses Buch.

      12Siehe: Knox, Ronald A., Christliches Schwärmertum. Ein Beitrag zur Religionsgeschichte, Jakob Hegner, Köln/Olten 1957 (Originalausgabe: Ronald Knox, Enthusiasm, Collins Liturgical Publishing, London 1950).

      13James Houston schreibt über diese „Energie, Intelligenz und Gebet“ in Elmer Dyck (Hrsg.): The Act of Bible Reading, InterVarsity, Downers Grove, Ill. 1996, S. 148–73.

      KAPITEL 3

       Die Heilige Schrift als Text: Gottes Offenbarung kennenlernen

      Unser Leben, also alles, was wir erfahren – was wir brauchen, wollen und fühlen – ist wichtig für die Entfaltung des Lebens Christi in uns. Schließlich ist es unser Leben, das geformt werden soll. Doch es setzt seine Entwicklung nicht selbst in Gang. Neben vielen anderen Dingen bedeutet geistlich leben auch, uns selbst ernst zu nehmen. Es bedeutet, sich gegen den gesellschaftlichen Trend zu stellen, der uns unablässig auf unseren Status als Erzeuger und Leistende reduziert, so dass wir hinter den Siegeln unserer Abschlüsse und Gehälter nicht mehr als Mensch wahrgenommen werden. Wir sind doch so viel mehr als die Summe unserer Nützlichkeit und unseres guten Rufes, aller Orte, die wir besucht haben und der Menschen, die wir kennen. Es gibt ein einzigartiges, nicht kopierbares ewiges Ich, geschaffen im Ebenbild Gottes. Ein energisches Beharren auf der persönlichen Würde ist die Grundlage für geistliches Leben.

      In gewisser Weise können wir uns gar nicht zu ernst nehmen. Wir sind „wunderbar und einzigartig gemacht“ (Ps. 139,14). Doch schnell können wir ein zu enges Maß an uns anlegen, denn wir sind viel mehr als unsere Gene und Hormone, unsere Gefühle und Ziele, unsere Arbeit und unsere Ideale. Da ist Gott. Das meiste, wenn nicht sogar alles, was uns ausmacht, hat mit Gott zu tun. Sobald wir versuchen, uns aus uns selbst heraus zu verstehen und zu entwickeln, lassen wir einen Großteil unseres Wesens außer Acht.

      Deshalb besteht die Gemeinschaft der Christen seit jeher darauf, dass die Heilige Schrift, die offenbart, wie Gott sich uns nähert, notwendig und grundlegend für unsere Formung als Menschen ist. Während wir dieses Buch lesen, wird uns deutlich: Was wir brauchen ist nicht so sehr Information über Gott und uns selbst, sondern die Formung unseres Charakters hin zu unserem wahren Wesen.

      Die tiefste Eigenschaft der Sprache ist es zu formen, weniger zu informieren. Wenn Sprache persönlich wird, und in ihrer Bestform ist sie das, dann offenbart sie; und Offenbarung ist immer auch Weiterentwicklung, Gestaltung – wir wissen nicht mehr, wir werden mehr. Die wahren Sprachkünstler, Dichter und Liebende, Kinder und Heilige, benutzen Worte, um etwas zu schaffen – Nähe, Charakter, Schönheit, Güte, Wahrheit.

       Der offenbarende und offenbarte Gott

      Beginnen wir am Anfang. Wir nennen dieses Buch „Offenbarung“. Gott offenbart sich und sein Verhalten uns gegenüber. Er erzählt uns nicht etwas, er zeigt sich selbst. Bücher haben Autoren. Wie auch immer wir uns die Inspiration vorstellen, die christliche Kirche geht davon aus, dass Gott auf die eine oder andere Weise für dieses Buch zuständig ist und zwar offenbarend, nicht nur informativ. Die Autorität der Bibel ergibt sich direkt aus der Autorschaft Gottes. Anders ausgedrückt handelt es sich hier nicht um eine unpersönliche Autorität, eine Ansammlung von Fakten oder Wahrheiten. Es ist keine papierene Autorität, wie wir sie in Gesetzestexten in unseren Rechtsbibliotheken finden oder die faktische Autorität eines Mathematikbuches. Dies ist eine Offenbarung, von einer Person offenbart – wir erhalten Einblick, wir erfahren von Angesicht zu Angesicht, was es heißt, unser Leben als Mann oder Frau zu leben, die wir im Ebenbild Gottes geschaffen sind.

      Die frühen Christen bekamen eine gebrauchsfertige Bibel, das, was wir heute das Alte Testament nennen, die Thora und die Propheten und weitere Schriften, die für die Hebräer maßgebend waren. Für die erste Generation waren diese hebräischen Schriftrollen die christliche Bibel. Doch dann zirkulierten die Schriften von Paulus und anderen Leitern der frühen christlichen Kirche. Außerdem wurden die Geschichten über Jesus niedergeschrieben, die Inhalt für die gute Nachricht, das Evangelium lieferten, das mit viel Freude und Nachdruck gepredigt und gelehrt wurde. Man erkannte, dass diese Schriften eine Fortsetzung der Heiligen Schrift waren, die jene Christen ja in Ehren hielten, an die sie glaubten, aus der sie predigten und lehrten. Nach und nach wurde ihnen klar, dass beides zusammenpasste, dass es eine gemeinsame Autorschaft gab zwischen den hebräischen Schriften, die schon so lange Teil ihrer Tradition waren, und diesem neuen Evangelium sowie den Briefen der Gott lobenden und bezeugenden Christen. Es dauerte eine Weile, bis diese Erkenntnis sich etabliert hatte. Es passierte nicht von heute auf morgen. Schließlich musste man sich erst an die Vorstellung gewöhnen, dass ein dünnes Buch, geschrieben von Markus, zusammengefasst wurde mit dem gewaltigen, fünf Bände umfassenden Wort Gottes, das Mose zugeschrieben wurde. Es war ziemlich viel verlangt, die Briefe von Paulus an neu gegründete und unerfahrene Gruppen neu bekehrter Christen in eine Reihe mit den seit Jahrhunderten bewährten Psalmen und dem Ehrfurcht gebietenden Jesaja zu stellen. Auch wenn Paulus‘ Briefe brillant geschrieben waren, schien es nicht sehr wahrscheinlich, dass dies eintreten würde. Und doch passierte es. Die heilige Gemeinschaft fasste diese beiden Teile schließlich zusammen. Es entstanden die zwei „Testamente“, aus denen ein Buch wurde, unsere Heilige Schrift. Innerhalb von ungefähr einhundert Jahren besaßen die frühen Christen im Grunde die gleiche Heilige Schrift, wie wir sie heute haben.

      Nicht alle waren damit einverstanden, was da gemacht wurde: Das Ergebnis blieb nicht unangefochten. Es gab Gruppen, die mit den alten hebräischen Schriftrollen nichts zu tun haben wollten. Sie wandten ein, dass der Gott, der sich in diesen alten Büchern zeigte, nicht im Entferntesten etwas mit dem Gott zu tun hatte, den Jesus offenbart hatte und von dem er gepredigt hatte. Dann gab es Splittergruppen (unterschiedlich gnostisch geprägt), die sich ins andere Extrem verstiegen – sie wollten alles einschließen, was innerhalb der großen Gruppe erbaulicher Texte gut schien, was offenbar exklusive Einsichten vermittelte. „Exklusive“ und „erbauliche“ geistliche Impulse waren damals so beliebt wie heute. Doch Schritt für Schritt entlarvte die Gemeinschaft der Christen alles Törichte und Sensationelle und wagte es, ihren Konsens als Gottes Wort zu bezeichnen.

       Die Dreieinigkeit: Es bleibt persönlich

      Um ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie man diesen Text liest, ist es ist

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