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die sich aus unseren Heiligen Bedürfnissen, Heiligen Wünschen und Heiligen Gefühlen zusammensetzt, werden mit guten Absichten durchgeführt und sind sehr überzeugend. Es ist schwer, sich nicht vom Zeugnis all dieser Experten überzeugen zu lassen. Unter ihrer Anleitung werde ich mir ziemlich sicher, dass ich der bestimmende Text für mein Leben bin.

      Man könnte meinen, dass die Predigt von dieser neuen Dreieinigkeits-Religion keine große Gefahr für Menschen darstellt, die im Namen der Dreieinigkeit getauft sind, die regelmäßig und andächtig das Apostolische und Nizänische Glaubensbekenntnis sprechen, die Gebete mit der Anrufung „Unser Vater…“ einleiten, die täglich aus dem Bett steigen, um Jesus als ihrem Herrn und Retter nachzufolgen und immer wieder singen „Jesus, meine Zuversicht …“

      Allerdings ist diese konkurrierende Souveränität in derart geistliche Sprache verpackt und wir sind so leicht von unserer eigenen geistlichen Souveränität zu überzeugen, dass sie tatsächlich unsere Aufmerksamkeit erregt. Die neuen geistlichen Meister versichern uns, dass all unsere geistlichen Bedürfnisse in dieser neuen Dreieinigkeit verwirklicht sind: unsere Suche nach Sinn und Transzendenz, unser Wunsch nach einem größeren Leben, unsere Ahnung von geistlicher Bedeutsamkeit – und, nicht zu vergessen – es gibt jede Menge Platz für Gott, ob viel oder wenig entscheidest du selbst. Die neue Dreieinigkeit schafft Gott oder die Bibel nicht ab. Sie stellt sie vielmehr in den Dienst unserer Bedürfnisse, Wünsche und Gefühle. Das ist uns ganz recht, denn wir sind unser ganzes Leben darauf abgerichtet worden, alles und jeden genau so zu behandeln. So ist das nun mal. Das ist das Vorrecht der Unabhängigkeit.

      Heute zeichnet sich erschreckend deutlich ab, dass der Kern der christlichen Gemeinschaft, nämlich die Souveränität Gottes, der sich in drei Personen offenbart, von nahezu allem angefochten und untergraben wird, was wir in der Schule lernen, was uns in den Medien präsentiert wird, was an sozialen, beruflichen und politischen Erwartungen an uns herangetragen wird, weil die Experten uns versichern, dass das Ich souverän ist. Diese Stimmen scheinen genau auf unserer Wellenlänge zu liegen. Wenn sie uns zeigen, wie wir unserem souveränen Ich zum Leben verhelfen, dann sind sie so bestimmend und maßgeschneidert, dass wir kaum bemerken, wie wir unsere Heilige Bibel eintauschen gegen diesen neuen Text, das Heilige Ich. Gehen wir denn nicht nach wie vor zum Bibelkreis und lesen wir nicht täglich die geforderten Verse und Kapitel? Während wir unaufhörlich dazu ermutigt werden, auf unsere Bedürfnisse, Träume und Vorlieben zu hören, merken wir kaum, wie wir uns von dem Glauben entfernen, den wir so lange bekannten.

      Es ist eine große und heimtückische Gefahr, wenn wir das Ich als den bestimmenden Lebenstext einführen und gleichzeitig der Heiligen Schrift die Ehre erweisen, indem wir ihr einen besonderen Platz im Regal zuweisen. Niemand von uns ist gegen diese Gefahr immun.

      Aus diesem Grund ist es so wichtig, den Befehl des starken Engels an Johannes wiederzubeleben. Wenn wir unserer Identität treu bleiben wollen, wenn wir einen Lebenstext wollen, der uns in die Nähe von Gottes Volk führt, der uns vertraut hält mit seinem wahren Wesen und seinem Handeln, dann müssen wir dieses Buch einfach essen.

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      Es ist grausam, aber wahr, dass wir trotz all unserer Kultiviertheit, all unseres Wissens und unserer Selbsterkenntnis nicht schlau genug sind, die Herrschaft über unser Leben zu erlangen. Der bemitleidenswerte Zustand vieler Menschen, die ihren eigenen Erfahrungshorizont als Lebenstext heranziehen, ist ein verheerender Beweis gegen die anmaßende Hervorhebung des souveränen Ich. Wir brauchen einen Text, der uns offenbart, was wir auch dann nicht wissen können, wenn wir das gesammelte Wissen sämtlicher Jahrhunderte zusammenfassen. Das Buch, die Bibel, offenbart uns den sich selbst offenbarenden Gott und damit gibt sie uns Einblick in den Zustand der Welt, den Zustand unseres Lebens und unseren eigenen Zustand. Wir müssen uns dort auskennen, wo wir leben. Wir müssen die Zusammenhänge kennenlernen, in diesem Land der Dreieinigkeit, in der von Gott geschaffenen Welt, in seiner Rettung und seinem Segen.

      Gott ist nicht so, wie wir gemeinhin vermuten. Das meiste, was uns von Gott und seinem Handeln erzählt wird, sei es von unseren Freunden auf der Straße, oder was wir in der Zeitung über ihn lesen oder im Fernsehen sehen oder uns selbst ausdenken, ist schlicht und ergreifend falsch. Vielleicht ist es nicht vollkommen falsch, doch falsch genug, um unser Leben durcheinanderzubringen. Und dieses Buch ist, um es ganz genau zu sagen, Offenbarung; eine Offenbarung dessen, was wir selbst nie herausgefunden hätten.

      Ist dieser Text nicht fest im entscheidenden Zentrum unseres gemeinschaftlichen und persönlichen Lebens angesiedelt, gehen wir unter. Wir versinken in einem Sumpf voller wohlmeinender, doch halbherziger Menschen, die gnadenlos in ihre Bedürfnisse, Wünsche und Gefühle verstrickt sind.

       Hoshia

      Vor ein paar Jahren wurden meine Frau und ich während einer Israelreise zu einem Morgengebet in eine orthodoxe jüdische Synagoge eingeladen. Wir waren zu diesem Zeitpunkt in dem kleinen galiläischen Dorf Hoshia. Es war halb acht Uhr morgens. Anwesend waren vierzehn oder fünfzehn Jungen und junge Männer im Alter von etwa zwölf bis siebzehn Jahren und eine kleine Gruppe älterer Männer. Die Jungen lasen aus der Bibel – es handelte sich um eine große Schriftrolle, die zwei Jungen feierlich aus dem „Heiligen Schrein“ holten, ehrfürchtig auf einen Lesetisch legten und bis zu der Stelle der heutigen Morgenlesung aufrollten. Sie behandelten sie so ehrfürchtig, so stolz. Dann begannen sie zu lesen, doch es sah nur so aus, als würden sie lesen, denn sie hatten sie auswendig gelernt, die gesamte Tora, die ersten fünf Bücher der Bibel. Später fanden wir heraus, dass alle Jungen sie komplett auswendig gelernt hatten – vom Anfang bis zum Ende. Dabei waren sie bei dem, was sie taten, so unbefangen, so jungenhaft, so zufrieden und so fröhlich.

      Nach dem Ende des Gottesdienstes blieben ein paar Jungen da, um mit uns zu sprechen. Sie waren so stolz auf ihre Synagoge und ihre Schriftrollen, so erfreut, uns erklären zu können, was sie dort taten. Sie waren das völlige Gegenteil widerwilliger Schuljungen, die sich durch den Unterricht quälen, oder frommer Schuljungen, die versuchen, Gott durch ihre Andächtigkeit zu beeindrucken. Sie waren einfach nur Jungen, allerdings Jungen, die mit Freude entdeckt hatten, wie die Bibel in ihnen arbeitet, ihnen einen lebendigen Gott offenbart, der hilft zu leben, diese Bibel, die in ihnen verdaut wird, während sie jeden Morgen zusammenkommen, um dieses Buch zu essen.

      Wir waren tief berührt von der freudigen Hingabe dieser Jungen an das, was Gott ihnen in dieser Schriftrolle offenbarte, davon, wie sie die zentrale Stellung und Autorität dieser Heiligen Schrift nicht aussprachen, sondern lebten. Und es berührte uns noch tiefer, als wir später darüber sprachen, wie viele Jungen und Mädchen, Männer und Frauen über die ganze Welt verteilt, hungrige Männer und Frauen, genau das Gleiche taten und wie glücklich wir sein konnten, dass wir schon mit so vielen von ihnen so gute Mahlzeiten eingenommen hatten – herzhafte Mahlzeiten, Mahlzeiten, die die Seele füllen.

      14Karl Barth bevorzugt den Begriff „Seinsweisen“: „Gott ist Einer in drei Seinsweisen, Vater, Sohn und Heiliger Geist“ (Barth, Karl: Kirchliche Dogmatik I,1: Die Lehre vom Wort Gottes. Prolegomena zur Kirchlichen Dogmatik, Evangelischer Verlag, Zollikon/Zürich 1955, S. 379).

      15Lewis, C. S.: Über das Lesen von Büchern. Aus dem Englischen von Hans Schmidthüs, Herder, Freiburg 1966, S. 82 (Originalausgabe: Lewis, C. S.: An Experiment in Criticism, Cambridge University Press, Cambridge 1961). Lewis gibt noch folgende Veranschaulichung: „[Aufnehmen ist] … als ob wir auf eine Radfahrt mitgenommen würden von einem Mann, der Straßen kennt, die wir bis dahin nie erforscht haben. Das andere [Gebrauchen] ist, als ob wir unserm eigenen Fahrrad einen kleinen Hilfsmotor hinzufügten und auf eine der vertrauten Fahrten gingen.“

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