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Die phantastische Welt der Literatur: 90+ Romane, Märchen & Zauberhafte Geschichten. Gustav Weil
Читать онлайн.Название Die phantastische Welt der Literatur: 90+ Romane, Märchen & Zauberhafte Geschichten
Год выпуска 0
isbn 9788027226276
Автор произведения Gustav Weil
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Nachdem er drei Tage lang sich mit ihm ergötzt und ihm alle Ehre und alles Vergnügen erwiesen, berief er eine große Ratsversammlung ein und ging in Merlins Begleitung dahin. Er redete den Merlin an und sagte ihm alles, was die alten Räte ihm von seiner Weisheit gesagt; bat ihn auch darum, ihm zu raten, wie er die Heiden wohl aus dem Lande treiben könnte. »Wisset«, antwortete Merlin, »seit Hangius ihr Anführer tot ist, wünschen sie nichts so sehr, als nur aus dem Lande zu sein. Meine Meinung ist, Ihr sendet ihnen Boten, mit dem Auftrag, einen Waffenstillstand von drei Wochen von ihnen zu begehren. Sie werden zur Antwort geben, daß dieses Reich ihnen zugehöre, daß sie es von Euch zurück verlangen, und werden Euch keinen Waffenstillstand verstatten. Darauf laßt ihnen nur zur Antwort wissen, daß, wenn sie nicht sogleich die Schlösser und festen Plätze ausliefern würden, Ihr sie alle umbringen wolltet.«
Der König sandte sogleich den Ritter Ulsin, einen sehr verständigen Mann, nebst noch zwei anderen Rittern als Abgesandte zu den Heiden, mit dem Auftrag, wie Merlin ihm vorgeschrieben. Die Abgesandten kamen vor die obersten Anführer und Hauptleute der Heiden, die in einem der festesten Schlösser des Landes saßen. Diese nahmen die Boten des Königs ehrenvoll auf, und der Ritter Ulsin trug ihnen das Verlangen des Königs vor, daß sie ihm nämlich einen Waffenstillstand von drei Wochen gestatten sollten. Die Heiden verlangten bis den andern Tag sich zu beraten, worauf Ritter Ulsin und seine Begleiter sich entfernten. Die Heiden beratschlagten sich nun die ganze Nacht hindurch und bedachten: wie sie erstlich durch Hangius' Tod den großen Verlust erlitten, hernach wie es ihnen an allen Lebensmitteln in ihren festen Burgen und Schlössern fehle und das Volk im Lande sie nicht gern sehe; bedachten aber auch andrerseits wieder, daß, da der König um Waffenstillstand ersuchen lasse, es doch mit ihm schwach bestellt sein müsse. Obgleich sie nun auf jeden Fall nur wünschten, ihr Leben und ihr Gepäck zu retten, weil es nicht gut in einem Lande bleiben ist, wo man nichts zu essen hat, ließen sie dem Könige dennoch folgendes zur Antwort wissen: »Der König überlasse uns das Land, die Städte und die festen Schlösser in Frieden, dafür wollen wir ihm jedes Jahr dreißig wohl gerüstete und wohl berittene Ritter geben, nebst zehn Jungfrauen, zehn Damen und zehn Fräulein, nebst den zugehörigen Dienern und Dienerinnen, wie auch hundert Falken, hundert Rosse, und hundert Zelter.«
Die Abgesandten kamen mit diesem Bescheid wieder zum König Pendragon und erzählten ihm alles bei versammeltem Rat, was ihnen bei den Heiden widerfahren war und welchen Bescheid sie gegeben. König Pendragon wandte sich zu Merlin, und fragte ihn, was er nun zu tun habe. »Gestattet Ihr ihnen dieses«, antwortete Merlin, »so tut Ihr dem Reich großen Schaden in der Zukunft. Laßt ihnen sagen, daß sie sogleich ohne Aufschub das Land räumen, und Ihr sollt sehen, daß sie es recht gern tun, denn sie haben keine Lebensmittel mehr und sterben Hungers; schenkt ihnen ihr Leben, sie werden nichts mehr verlangen.« Es geschah so wie Merlin es verlangte, und der König ließ ihnen des andern Tages durch dieselben Boten befehlen, sogleich abzuziehen. Die Heiden waren froh, diesen Befehl zu hören, sie versammelten sich sogleich und zogen samt und sonders ab, der König schenkte ihnen Schiffe, und sie gingen alle übers Meer fort aus dem Lande.
So ward durch Merlins Rat das Land von den Heiden befreit, wodurch er beim Volke zu großen Ehren und Ansehen gelangte. König Pendragon regierte lange Zeit in Frieden, und sein Volk liebte und ehrte ihn über die Maßen. Er drückte auch sein Volk auf keine Weise und tat ihm keine Art von Zwang an. Merlin war stets bei ihm, und er tat nichts ohne Merlins Beistimmung, keines andern Rat galt bei ihm als der seinige.
XVII. Über einen Neider, der Merlin eine Falle stellte und den dreifachen Tod geweissagt bekam, sowie über das Buch der Prophezeiungen
Es lebte im Reich ein sehr reicher vornehmer Herr, von hoher Abkunft und einer der mächtigsten im Land nach dem König; er war aber von hassender boshafter Gemütsart, voll Neid und bösen Willen. Dieser war neidisch auf Merlin, so daß er es nicht länger ertragen konnte, ging also zum König und sprach: »Herr König, ich wundre mich sehr, wie Ihr dem Merlin so ganz unbeschränkten Glauben beimessen könnt, da doch alles, was er weiß, vom bösen Feinde herrührt und er ganz von seinen Künsten voll ist. Wollt Ihr mir erlauben, so will ich ihn in Eurer Gegenwart auf die Probe stellen, und Ihr sollt sehen, daß alles nur Lug und Betrug ist.« Der König gab ihm die Erlaubnis, unter der Bedingung, daß er den Merlin auf keine Weise beleidigen solle; »ich verspreche«, sagte der Herr, »daß ich ihm nichts zu Leide tun und seinem Leib nicht nahekommen will.«
Als nun Merlin einst mit dem König sich unterhielt, kam dieser vornehme Herr, begleitet von zwanzig anderen, und stellte sich als wäre er sehr krank. »Seht«, sagte er zum König, »hier ist der weise Merlin, der dem König Vortigern seine Todesart vorausgesagt, wie Ihr ihn nämlich verbrennen würdet; es gefalle Euch also, Herr König, ihn zu bitten, daß er mir sage, welche Krankheit ich habe, und welchen Tod ich sterben werde.« Der König und die Begleiter des vornehmen Herrn gingen nun den Merlin mit Bitten an, daß er es tun möge. Merlin wußte sehr wohl, was dieser Mann wollte, kannte auch seinen Haß und Neid recht gut. »Wisset, gnädiger Herr«, sagte er, »daß Ihr zur Stunde eben nicht gar krank seid. Ihr werdet aber vom Pferd fallen und den Hals brechen, das wird Euer Ende sein.« – »Davor wird mich Gott bewahren«, sagte der Herr lachend, als wollte er über Merlins Rede spotten, und sprach darauf insgeheim zum König: »Erinnert Euch wohl, mein König, der Rede Merlins, denn ich werde ihn auf die Art unter einer anderen Gestalt in Eurer Gegenwart prüfen«, nahm darauf Abschied vom Könige und reiste zu seinen Gütern. Nach zwei oder drei Monden kam er wieder, in einer Verkleidung, daß man ihn nicht erkannte, und sich krank stellend; ließ den König insgeheim bitten, daß er doch mit Merlin zu ihm komme, aber er sollte Merlin nichts davon sagen, daß er es sei. Der König ließ ihn wissen, er würde ihm den Merlin zuführen, und durch ihn sollte er sicher nichts erfahren.
»Wollt Ihr mit mir kommen«, fragte der König Merlin, »zu einem Kranken hier in der Stadt?« – »Ich bin es wohl zufrieden,« antwortete dieser; »der Kranke muß ein sehr vertrauter Freund des Königs sein, da er hingehen will, ihn zu besuchen?« – »Ja«, erwiderte der König, »ich will allein mit Euch zu ihm gehen.« – »Es kommt keinem König zu«, sagte Merlin wieder, »einen Kranken zu besuchen, ohne ein starkes Gefolge von wenigstens dreißig Mann.« Der König erwählte dreißig Mann zu seinem Gefolge, die Merlin aussuchte, und die er liebte, und so begleitet gingen sie zusammen zu dem Kranken. Als dieser den König und Merlin sah, rief er: »Sire, ich bitte, fragt den Merlin, ob ich wieder geheilt werde oder nicht.« – »Er wird«, sagte Merlin, »weder an dieser Krankheit noch überhaupt in seinem Bett sterben.« – »Ach Merlin«, sagte der Kranke, »wolltet Ihr wohl sagen, welchen Tod ich sterben werde.« – »An dem Tage«, sagte Merlin, »an welchem Du sterben wirst, wird man Dich aufgehängt finden.«
Darauf tat er, als