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gleichzeitig.

      »Schon«, gab sie zu. »Er war ja auch so hilfsbereit, als ich ihn gebeten hab’, hier im Haus mal nach dem Rechten zu schauen. Es gab da ein paar kleinere Arbeiten, und ich hab’ gedacht, ich mach’ ihm eine Freud’ damit, wenn ich ihn frag’.«

      »Er hat also hier bei Ihnen ein paar kleinere Reparaturen ausgeführt.«

      »Ja, und dann haben wir Kaffee getrunken und uns unterhalten…«

      »Worüber, wenn ich fragen darf?«

      Die Witwe zuckte die Schultern.

      »Na ja, über das Leben und so. Was man eben spricht, wenn man zusammensitzt und sich unterhält.«

      Sebastian schmunzelte. Eigentlich hatte er nicht erwartet, daß er diese Informationen so schnell aus Maria Erbling herauskitzeln würde. Zwar war ihre Lästerei im ganzen Ort gefürchtet, aber wenn es um sie selbst ging, dann konnte Maria verschlossen wie eine Auster sein.

      »Aha«, nickte er, »und haben S’ vielleicht ein paar Andeutungen gemacht…? Ich mein’, daß das Haus für Sie allein viel zu groß wär’ oder so ähnlich.«

      Maria errötete bis unter die Haarwurzeln.

      »Na ja, ich hab’ halt gedacht, ich würd’ ihm eine Freud’ machen«, sagte sie verlegen. »Es ist doch auch kein Leben, immer nur auf der Straße, wo er doch so krank ist, der Herr Moislinger.«

      »Ich glaub’, ich weiß jetzt, welche Absicht dahintersteckte, Frau Erbling«, lächelte Sebastian. »Und ich kann verstehen, daß Sie sich da gewisse Hoffnungen gemacht haben. Aber der Karl ist kein Mensch, der sich bindet. Er liebt seine Freiheit über alles, und wahrscheinlich hat er sich von Ihnen zu bedrängt gefühlt und hat daraus die Konsequenz gezogen, daß es besser wär’, wenn er weiterzieht.«

      »Dann hab’ ich ihn also vertrieben, ja? Wollen S’ das damit sagen?«

      Sebastian schüttelte den Kopf.

      »Nein, früher oder später wäre Karl ohnehin gegangen«, erwiderte er. »Ich hab’ Sie auch nur deshalb aufgesucht, um letzte Gewißheit zu haben. Sehen S’, ich selbst hab’ mich natürlich auch gefragt, warum er so Hals über Kopf auf und davon ist, und ob ich vielleicht der Grund bin. Aber jetzt sollten S’ sich deswegen keine Vorwürfe machen. Niemand hätt’ ihn aufhalten können.«

      Er verabschiedete sich von Maria Erbling und ging zum Pfarrhaus zurück.

      Geahnt hatte er schon, was dahinterstecken könne, zumal Alois Kammeier, der Mesner, ihm angedeutet hatte, die Witwe sei in Karl Moislinger verliebt. Zuerst wollte der Geistliche es nicht so recht glauben, doch dann erschien ihm dieser Gedanke gar nicht mehr so abwegig.

      Nun, wie auch immer, er hoffte, daß es dem Alten gutging, und Karl auf seine Gesundheit aufpaßte – wo immer er jetzt auch stecken mochte.

      Bis zum Mittagessen war es noch ein bißchen Zeit, und Sebastian warf einen Blick in die Tageszeitung. Die Schlagzeile war nicht zu übersehen.

      Dreiste Unterschlagung in Computerkonzern, stand in dicken Lettern auf der Titelseite. Wohin sind die dreißig Millionen Euro verschwunden? Weltweite Fahndung nach Finanzdirektor. War seine Geliebte Mittäterin?

      Der Geistliche las den Artikel ungläubig. Es war ihm ein Rätsel, wie ein einzelner Mensch in der Lage war, so eine Unterschlagung zu begehen, aber der vermutliche Täter war gerissen vorgegangen und hatte seit Wochen größere Summen auf ein Konto überwiesen, das augenscheinlich einer Partnerfirma der »Hillmann AG« gehörte. Erst durch eine Finanzprüfung innerhalb des Konzerns war der Betrug ans Licht gekommen.

      Neben Dr. Thorsten Gebhard wurde auch der Name einer Frau genannt, die verdächtigt wurde, in die Unterschlagung verwickelt zu sein. Zwar war der Nachname abgekürzt, doch das verschwommene Foto, das neben dem Artikel abgedruckt war, ließ den Geistlichen aufmerken. Er betrachtete es genau, schaute noch einmal auf den Namen. Maria B. – kein Zweifel, es mußte sich bei der Frau um ­Maria Berger handeln, die vor Jahren aus St. Johann fortgegangen war.

      Max kam und unterbrach seinen Bruder bei der Lektüre.

      »Dolles Ding, was?« sagte der Polizist, als er sah, was Sebastian las. »Unglaublich, mit was für einer Dreistigkeit manche Leute vorgehen.«

      Er rieb sich die Hände.

      »Ich glaub’, das Essen ist fertig.«

      Der Geistliche nickte.

      »Ich komme«, sagte er und faltete die Zeitung zusammen.

      »Die Fahndung läuft auf Hochtouren«, erzählte Max während des Mittagessens. »Aber es gibt noch keine heiße Spur von diesem Dr. Gebhard. Und bei seiner Schläue muß man darauf gefaßt sein, daß man ihn nie bekommt. Es gibt genug Plätze auf der Erde, an denen man sich verstecken kann, und mit dreißig Millionen läßt es sich ganz gut leben.«

      »Die Frau, die in dem Artikel genannt wird«, sagte Sebastian. »Ich fürchte, wir kennen sie.«

      »Diese Maria B.?« fragte Max erstaunt. »Wer soll denn das sein?«

      »Maria Berger, die Tochter vom Tischler, der vor sieben oder acht Jahren verstorben ist«, antwortete der Bergpfarrer. »Maria war das einzige Kind, die Mutter ist schon einige Jahre zuvor gestorben, und die Tochter hat St. Johann verlassen, nachdem sie das Haus und die Werkstatt verkauft hatte.«

      Max nickte.

      »Ja, ich erinnere mich«, sagte er. »Und du glaubst, daß sie das ist?«

      »Schau dir das Foto in der Zeitung an. Freilich ist sie älter geworden, aber ich bin sicher, daß es sich um Maria handelt.«

      »Auweia, dann steckt sie jetzt aber ganz schön tief in der Tinte.«

      »In der Zeitung steht, sie beteuert ihre Unschuld.«

      »Und du glaubst ihr?«

      »Für mich ist jeder so lange unschuldig, bis ihm das Gegenteil bewiesen ist«, entgegnete Sebastian.

      Sein Bruder schaute ihn forschend an.

      »Du hast doch was vor«, stellte der Polizist fest. »Das sehe ich an deinem Gesicht. Sebastian, halt’ dich da raus. Das ist Sache der Kollegen von der Münchener Kripo.«

      Der gute Hirte von St. Johann schüttelte den Kopf.

      »Das kann ich net, Max«, sagte er. »Maria ist mein Pfarrkind, ich kann net einfach die Augen davor verschließen, daß sie sich in Not befindet.«

      »Und was willst du unternehmen?«

      Sebastian lächelte.

      »Kannst du für mich ihre Münchener Adresse herausfinden?« fragte er. »Für dich ist das doch ein Klacks.«

      Max erwiderte seinen Blick. Dann nickte er seufzend und nahm sich noch ein Fleischpflanzerl von der Platte.

      »Danke, Max«, sagte der Bergpfarrer.

      *

      Warum bloß mußte die Sonne scheinen? Wieso drehte sich die Welt immer noch? Warum ging das Leben einfach weiter?

      Maria Berger verstand es nicht. Seit dem vergangenen Montag war in ihrem Leben nichts mehr so wie vorher.

      Die junge Frau saß in ihrer Wohnung und brütete stundenlang vor sich hin. Daß man sie auf freien Fuß gesetzt hatte, hieß noch lange nicht, daß die Polizei auch an ihre Unschuld glaubte. Der Beweis dafür stand vor dem Haus. Ein dunkler PKW, in dem zwei Männer saßen, die alles beobachteten. Wer ins Haus hineinging, wer es wieder verließ, und wenn es Maria war, dann folgten sie ihr. Entweder mit dem Auto, wenn sie selbst auch fuhr, oder einer der Beamten in Zivil stieg aus, wenn sie zu Fuß unterwegs war, und ging ihr nach. Seit drei Tagen ging das jetzt so. Maria wußte sogar ganz genau, wann die Polizisten abgelöst wurden; alle sechs Stunden kamen zwei andere Männer, die die Observation übernahmen.

      In der Firma war sie beurlaubt worden. Die Herren vom Aufsichtsrat hatten es ihr nahegelegt, für eine

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