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ergriff sie. Ihr Verdacht schien sich zu bestätigen. Maria ging durch die eiserne Tür ins Treppenhaus. Auf den Lift wollte sie nicht erst warten. Mit klopfendem Herzen betrat sie die Empfangshalle und eilte zur Rezeption, um sich beim Pförtner anzumelden. Sie war viel zu sehr mit ihren Gedanken beschäftigt, um den Blick wirklich zu bemerken, mit dem der Mann sie ansah. Nur in ihrem Unterbewußtsein registrierte sie diese Mischung aus Neugier und Abschätzung.

      Um diese Zeit war es ein Kommen und Gehen in der Halle, und wie immer waren die drei Aufzüge besetzt. Maria rannte die Treppe hinauf, dankbar dafür, daß das Büro, in dem sie ihren Arbeitsplatz hatte, nicht im zehnten Stock eines Hochhauses lag. Sie mußte nur drei Etagen hinauf, um dorthin zu gelangen.

      Auf dem Flur herrschte ein einziges Chaos. Die Angestellten standen dort und unterhielten sich aufgeregt, ein paar Männer, die Maria noch nie in ihrem Leben gesehen hatte, waren in den Büros mit etwas beschäftigt, das ihr seltsam vorkam.

      Sie räumten Schreibtische und Aktenschränke aus, Ordner lagen herum, teilweise auf dem Boden, und am Ende des Flures, wo die Direktoren des Unternehmens ihre Räume hatten, stand die Tür weit auf.

      Maria nickte grüßend zu allen Seiten und zwängte sich bis zu ihrem Büro vor. Kirsten stand völlig aufgelöst vor der Tür und starrte die Kollegin aus weit aufgerissenen Augen an.

      »Gott sei Dank, daß du da bist!« sagte sie.

      »Thorsten ist verschwunden«, rief Maria aufgeregt. »Er hat sich seit Freitag nicht mehr gemeldet. Ich befürchte das Schlimmste!«

      »Das tun wir auch«, vernahm sie eine Stimme.

      Ein Mann trat aus dem Büro und sah sie prüfend an.

      »Sie sind Maria Berger?« fragte er.

      Sie nickte.

      »Schön, daß Sie da sind. Wir müssen uns dringend unterhalten.«

      »Ja, Herr Gebhard… er ist verschwunden, nicht wahr?«

      Wieder dieser prüfende Blick.

      »Ja, das befürchten wir«, nickte der Mann, der sich ihr bisher nicht vorgestellt hatte. »Und wir würden gerne von Ihnen wissen, wohin er sich abgesetzt hat.«

      *

      Maria sah den Mann verständnislos an.

      »Von mir?« fragte sie. »Aber wieso? Ich meine, er ist doch entführt worden!«

      »Kommen Sie, am besten gehen wir in das Büro von Dr. Eberhard. Da sind wir ungestört«, sagte der Mann und ging voran, ohne darauf zu achten, ob sie ihm tatsächlich folgte – er setzte es einfach voraus.

      Im Büro des Aufsichtsratsvorsitzenden des Konzerns stellte er sich als Kriminalhauptkommissar Wolfgang Hellwig vor. Er bat sie, in einem Sessel Platz zu nehmen und setzte sich ihr gegenüber. Außer ihnen war niemand sonst anwesend.

      »Frau Berger, ich will es kurz machen«, begann er. »Ehrlich gesagt wundert es mich ein wenig, Sie heute hier zu sehen…«

      »Wieso? Ich verstehe nicht…«

      Seine Miene verdunkelte sich, die Stimme wurde ernster.

      »Ich will es Ihnen erklären«, fuhr der Beamte fort. »Gegen Dr. Thorsten Gebhard besteht der Verdacht, die ›Hillmann AG‹ um den Betrag von dreißig Millionen Euro betrogen zu haben. In der vorigen Woche wurde bekannt, daß eine Finanzprüfung vorgenommen werden sollte. Da hat der Herr offenbar gespürt, daß die Revision ihm gilt, und das Weite gesucht.«

      Es war, als hätte man ihr den Boden unter den Füßen weggezogen. Würde Maria nicht schon gesessen haben, wäre sie umgefallen. Aber es sollte noch schlimmer kommen!

      »Wie allgemein bekannt ist, stehen Sie in einem intimen Verhältnis zu Dr. Gebhard«, setzte Wolfgang Hellwig hinzu. »Da liegt der Verdacht nahe, daß Sie in den Millionenbetrug verstrickt sind. Wir gehen zu diesem Zeitpunkt davon aus, daß Sie, Frau Berger, die Komplizin des Diebes sind!«

      Maria preßte entsetzt die Hände vor den Mund.

      »Was… was sagen Sie da?« stieß sie hervor, sichtlich erschüttert. »Das können Sie doch unmöglich glauben!«

      Unbeeindruckt sah der Beamte sie mit kühlem Blick an.

      »Glauben tue ich gar nix«, erwiderte er schroff. »Für mich zählen Fakten und sonst nix. Sie erwähnten vorhin, Dr. Gebhard sei entführt worden. Ist das die Geschichte, die Sie beide sich ausgedacht haben? Sollen Sie uns das Märchen von einer Entführung auftischen, während Ihr Geliebter sich ungehindert mit dem Geld aus dem Staub macht?«

      »Wie können Sie so was sagen?« schrie Maria auf. »Ich habe nichts damit zu tun! So glauben Sie mir doch!«

      Wolfgang Hellwigs Miene war undurchdringlich.

      »Wir werden sehen«, sagte er knapp.

      Es klopfte an der Tür, und ein junger Mann kam herein.

      »Chef«, sagte er, »wir haben eine erste Spur. So, wie es aussieht, ist unser Mann am Freitagabend vom Flughafen Frankfurt aus nach Südafrika geflogen. Ich habe mich schon mit den Kollegen in Johannesburg in Verbindung gesetzt. Aber das kann dauern.«

      »Ist gut, Jochen«, nickte Wolfgang Hellwig.

      Er wandte sich wieder Maria zu.

      »Südafrika«, sagte er nachdenklich. »Waren Sie schon einmal dort?«

      Die junge Frau nickte beklommen.

      Vor zwei Monaten waren sie und Thorsten dorthin geflogen und hatten drei herrliche Wochen am Kap der guten Hoffnung verbracht.

      »Dann kennt sich Thorsten Gebhard also dort aus«, stellte Winkler fest. »Da liegt es natürlich nahe, daß er versucht, sich nach Afrika abzusetzen. Wahrscheinlich weiß er auch, daß viele Staaten da unten kein Auslieferungsabkommen mit uns haben.«

      Er zog schwer die Luft ein.

      »Das wird ein hartes Stück Arbeit!«

      Maria war immer noch wie betäubt, in ihrem Kopf schwirrten die Gedanken durcheinander. Thorsten war ein Dieb, der Millionen unterschlagen hatte, ein gesuchter Verbrecher auf der Flucht vor der Polizei.

      »Was geschieht jetzt?« fragte sie den Beamten. »Kann ich gehen?«

      Wolfgang Hellwig sah sie beinahe belustigt an.

      »Gehen?« antwortete er. »Sie?«

      Er schüttelte den Kopf.

      »Auf gar keinen Fall. Sie sind vorläufig festgenommen, Frau Berger, wegen des Verdachts der Mittäterschaft in einem Fall von schweren Raubes.«

      Er gab seinem Kollegen, der immer noch an der Tür stand, ein Zeichen.

      »Bring’ sie ins Präsidium und besorge einen Durchsuchungsbeschluß für ihre Wohnung.«

      »Geht klar, Chef«, nickte Jochen Brandner und sah Maria auffordernd an.

      *

      »Also, noch mal von vorne«, sagte Wolfgang Hellwig unbarmherzig. »Sie heißen?«

      Maria tat alles weh. Seit sieben Stunden oder noch länger saß sie nun schon in dem kahlen Raum, in dem nur ein Tisch und ein paar Stühle standen. Eine grelle Lampe leuchtete ihr ins Gesicht, und das Aufnahmegerät war wieder eingeschaltet.

      »Wie oft denn noch?« fragte sie und fuhr sich müde über das Gesicht.

      »So oft, bis wir die Wahrheit erfahren haben«, lautete die Antwort.

      Mit zitternden Fingern griff Maria nach dem Wasserglas, das Wolfgang Hellwig vor sie hingestellt hatte, und trank. Dann begann sie wieder zu erzählen.

      Acht Jahre war es jetzt her, daß sie aus einem kleinen Dorf in den Alpen nach München gekommen war. Sie hatte keine Verwandten mehr und wollte einfach nur fort aus der Enge der Heimat. In der bayerischen Landeshauptstadt suchte sie sich Arbeit, besuchte nebenher die Abendschule

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