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Zeitspanne, nach zwei Sekunden, ein zweites, ein drittes, und nach dem dritten Pfeifen ließ sich schon das ›Murksen‹ vernehmen.

      Ljewin wendete die Augen nach rechts und links, und siehe da, gerade vor ihm, an dem trüb bläulichen Himmel, über den für das Auge zusammenfließenden zarten Schößlingen der Espenwipfel, war der fliegende Vogel zu sehen. Er flog gerade auf ihn zu. Die Laute des Murksens, ein ähnlicher Ton, wie wenn man ein festes Gewebe in gleichmäßigem Zuge durchreißt, schienen dicht an seinem Ohre zu erklingen; schon waren der lange Schnabel und der Hals des Vogels zu sehen; da flammte in demselben Augenblicke, als Ljewin anlegte, hinter dem Busche, wo Oblonski stand, ein roter Blitz auf: der Vogel schoß wie ein Pfeil nieder und schwang sich dann wieder in die Höhe. Wieder flammte ein Blitz und erscholl ein Knall, und mit den Flügeln schlagend, als ob er versuche, sich in der Luft festzuhalten, hielt der Vogel im Fluge inne, schwebte einen Augenblick an derselben Stelle und klatschte dann schwer auf den sumpfigen Boden nieder.

      »Hab ich vorbeigeschossen?« rief Stepan Arkadjewitsch, der wegen des Rauches nicht sehen konnte.

      »Da ist sie!« sagte Ljewin und wies auf Laska, die, das eine Ohr in die Höhe gereckt und mit der Spitze des hochgehobenen buschigen Schweifes wedelnd, mit ruhigen Schritten, wie wenn sie das Vergnügen verlängern wollte, und gleichsam mit einer Art von Lächeln den geschossenen Vogel ihrem Herrn brachte. »Na, das freut mich, daß dir das geglückt ist«, sagte Ljewin, verspürte aber dabei schon einen gewissen Neid, weil es ihm selbst nicht gelungen war, diese Schnepfe zu erlegen.

      »Ein schmählicher Fehlschuß aus dem rechten Lauf«, antwortete Stepan Arkadjewitsch und lud sein Gewehr von neuem. »Pst, da fliegt wieder eine!«

      In der Tat ertönten wieder die scharfen, schnell aufeinanderfolgenden Pfiffe. Zwei Waldschnepfen, die miteinander spielten und einander jagten, flogen nur pfeifend, aber nicht murksend gerade über die Köpfe der Jäger hinweg. Vier Schüsse krachten; aber wie Schwalben machten die Waldschnepfen eine flinke Wendung und entschwanden den Blicken.

      Der weitere Verlauf des Schnepfenstriches war ausgezeichnet. Stepan Arkadjewitsch erlegte noch zwei Stück, desgleichen Ljewin zwei, von denen aber eine nicht zu finden war. Es fing an, dunkel zu werden. Die helle, silberne Venus schimmerte bereits tief unten im Westen mit ihrem zarten Glanze zwischen den Birken hindurch, und hoch oben im Osten glühte schon mit seinem rötlichen Lichte der düstere Arktur. Über seinem Kopfe erfaßte Ljewin mit seinen Blicken bald die Sterne des Großen Bären, bald verlor er sie wieder. Die Schnepfen hatten ihren Flug schon eingestellt; aber Ljewin beschloß noch zu warten, bis die Venus, die er unterhalb eines Birkenastes erblickte, über diesen hinaufgestiegen und die sämtlichen Sterne des Großen Bären klar geworden wären. Nun war die Venus schon über den Ast hinaufgestiegen, und der Wagen des Großen Bären mitsamt der Deichsel war am dunkelblauen Himmel bereits vollständig sichtbar, aber Ljewin wartete noch immer.

      »Ist es nicht Zeit zur Heimkehr?« fragte Stepan Arkadjewitsch.

      Im Walde war es schon ganz still; es rührte sich kein einziger Vogel mehr.

      »Wollen doch noch ein bißchen bleiben«, antwortete Ljewin.

      »Wie du willst.«

      Sie standen jetzt ungefähr fünfzehn Schritte voneinander entfernt.

      »Stiwa«, sagte Ljewin auf einmal ganz unerwartet, »warum sagst du mir denn nicht, ob deine Schwägerin sich verheiratet hat oder wann sie sich verheiraten wird?«

      Ljewin fühlte sich so gefaßt und ruhig, daß, wie er meinte, keine Antwort ihn aufregen konnte. Aber das, was ihm Stepan Arkadjewitsch wirklich antwortete, hatte er schlechterdings nicht erwartet.

      »Es ist ihr gar nicht eingefallen, sich zu verheiraten, und sie denkt nicht daran, es zu tun; aber sie ist sehr krank, und die Ärzte haben sie ins Ausland geschickt. Man fürchtet sogar für ihr Leben.«

      »Was sagst du da!« rief Ljewin. »Sehr krank? Was fehlt ihr? Wie hat sie . . . «

      Während sie so sprachen, spitzte Laska die Ohren, blickte zum Himmel hinauf und warf dann den beiden Jägern einen vorwurfsvollen Blick zu.

      ›Na, na, jetzt ist auch die richtige Zeit zum Plaudern‹, dachte sie. ›Und da fliegt eine. – Da ist sie, – wahrhaftig. Die verpassen sie!‹ dachte Laska.

      Aber gerade in diesem Augenblicke hörten die beiden ein scharfes Pfeifen, wie wenn ein Peitschenschlag ihr Ohr träfe; beide griffen rasch nach den Gewehren, und gleichzeitig flammten zwei Blitze auf, gleichzeitig krachten zwei Schüsse. Die hoch oben fliegende Schnepfe legte plötzlich die Flügel zusammen und fiel in das Gebüsch, dessen dünne Zweige sich unter ihr bogen.

      »Das war fein! Eine gemeinsame Beute!« rief Ljewin und lief mit Laska in das Gebüsch, um die Schnepfe zu suchen. ›Ach ja, was hat mir nur eben eine so unangenehme Empfindung verursacht?‹ fiel ihm ein. ›Richtig, Kitty ist krank! Was ist da zu machen? Es tut mir sehr leid‹, dachte er.

      »Ah, hast sie gefunden! Ei, bist ein kluger Hund!« sagte er, nahm den warmen Vogel aus Laskas Maul und steckte ihn in die schon fast gefüllte Jagdtasche. »Ich habe sie gefunden, Stiwa!« rief er.

      16

      Während sie heimfuhren, erkundigte sich Ljewin nach allen Einzelheiten von Kittys Krankheit und nach den Plänen der Familie Schtscherbazki; und wiewohl er sich geschämt hätte, es einzugestehen, so war ihm doch das, was er erfuhr, angenehm. Angenehm deswegen, weil er nun noch hoffen konnte, und noch angenehmer deswegen, weil nun sie litt, sie, die ihm so viel Leid zugefügt hatte. Aber als Stepan Arkadjewitsch von den Ursachen der Krankheit Kittys zu sprechen anfing und dabei den Namen Wronski erwähnte, da unterbrach ihn Ljewin:

      »Ich habe keinerlei Recht, Einzelheiten des Familienlebens zu erfahren und, offen gestanden, auch kein Interesse dafür.«

      Stepan Arkadjewitsch lächelte ganz leise vor sich hin, als er die plötzliche, ihm so wohlbekannte Veränderung in Ljewins Gesicht wahrnahm, das sich nun ebenso verdüstert hatte, wie es noch einen Augenblick vorher heiter gewesen war.

      »Hast du über den Wald mit Rjabinin schon fest abgeschlossen?« fragte Ljewin.

      »Ja, ich habe fest abgeschlossen. Es ist ein recht guter Preis, achtunddreißigtausend. Achttausend sofort und das übrige auf sechs Jahre verteilt. Ich habe mich lange mit der Geschichte abgeplagt. Kein Mensch wollte mehr geben.«

      »Das heißt, du hast den Wald so gut wie umsonst hingegeben«, bemerkte Ljewin mit finsterer Miene.

      »Wieso denn so gut wie umsonst?« fragte Stepan Arkadjewitsch mit einem gutmütigen Lächeln, da er wußte, daß Ljewin jetzt an allem etwas auszusetzen haben werde.

      »Weil der Wald mindestens fünfhundert Rubel die Deßjatine wert ist«, versetzte Ljewin.

      »Na ja, da sieht man diese Landwirte!« sagte Stepan Arkadjewitsch scherzhaft. »Nein, welch verächtlichen Ton ihr gegen uns armselige Städter anschlagt! Aber wenn es darauf ankommt, ein Geschäft zustande zu bringen, so machen wir es schließlich doch am besten. Glaube mir nur, ich habe alles berechnet«, fuhr er fort; »der Wald ist sehr vorteilhaft verkauft, so daß ich schon fürchte, der Käufer könnte versuchen, wieder zurückzutreten. Es ist ja doch kein Nutzholz«, bemerkte Stepan Arkadjewitsch erklärend, in dem Bestreben, durch das Wort Nutzholz Ljewin vollständig von der Grundlosigkeit seiner Zweifel zu überzeugen, »sondern größtenteils nur Brennholz. Und es kommen nicht mehr als dreißig Saschen auf die Deßjatine, und er gibt mir für die Deßjatine zweihundert Rubel.«

      Ljewin lächelte geringschätzig. ›Diese Art kenne ich‹, dachte er. ›So macht er es nicht allein, so machen es alle Stadtleute. Wenn die im Laufe von zehn Jahren ein paarmal auf dem Lande gewesen sind und zwei, drei landwirtschaftliche Ausdrücke aufgeschnappt haben, dann gebrauchen sie die, wo sie passen und nicht passen, und sind fest überzeugt, daß sie nun schon alles aufs beste verstehen. »Nutzholz, dreißig Saschen auf die Deßjatine.« Da wirft einer mit solchen Ausdrücken um sich und versteht selbst nicht, was er sagt.‹

      »Mir

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