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Hände in eine solche Verfassung zu bringen, daß sich bequem mit ihnen arbeiten läßt. Darum schneiden wir unsere Nägel kurz und streifen uns manchmal die Ärmel auf. Aber hier lassen die Leute absichtlich ihre Nägel so lang wachsen, wie es nur irgend möglich ist, und befestigen an den Handwurzeln, angeblich als Hemdknöpfe, kleine Schüsseln, um nur ja nicht imstande zu sein, mit den Händen etwas vorzunehmen.«

      Stepan Arkadjewitsch lächelte vergnügt.

      »Das soll eben eine Andeutung sein, daß er keine grobe Arbeit zu verrichten braucht. Er arbeitet mit dem Kopfe.«

      »Mag sein. Aber fremdartig bleibt es mir dennoch, ebenso wie es mir jetzt seltsam vorkommt, daß, während wir auf dem Lande uns möglichst schnell satt zu essen suchen, um wieder an unsere Arbeit gehen zu können, wir beide hier es darauf anlegen, möglichst lange zu essen, ohne satt zu werden, und zu diesem Zwecke Austern essen.«

      »Selbstverständlich tun wir das«, warf Stepan Arkadjewitsch dazwischen. »Aber darin besteht ja gerade das Ziel der Bildung: sich aus allem einen Genuß zu bereiten.«

      »Nun, wenn das das Ziel ist, dann möchte ich lieber ein Wilder sein.«

      »Du bist ja auch ein Wilder. Ihr Ljewins seid alle Wilde.«

      Ljewin seufzte. Er dachte an seinen Bruder Nikolai, und Scham und Traurigkeit überkamen ihn, so daß seine Miene sich verfinsterte; aber Oblonski leitete das Gespräch auf einen Gegenstand, der ihn sofort diese trüben Gedanken vergessen ließ.

      »Nun, wie ist's? Kommst du heute abend zu meinen Verwandten, ich meine, zu Schtscherbazkis?« fragte er, indem er die leeren, rauhen Austernschalen von sich schob, sich den Käse heranzog und bedeutsam mit den Augen zwinkerte.

      »Ja, ich werde bestimmt hinkommen«, antwortete Ljewin, »obgleich ich den Eindruck hatte, daß die Fürstin mich nur ungern aufforderte.«

      »Wie kannst du das denken! So ein Unsinn! Das ist nun einmal ihre Manier so. – Na, nun bring uns die Suppe, lieber Freund! – Das ist so ihre Art, grande dame«, sagte Stepan Arkadjewitsch. »Ich komme auch hin, muß aber vorher erst noch zu der Gräfin Bonina zu einer Gesangsprobe. Na, kannst du bestreiten, daß du ein Wilder bist? Wie ist es denn sonst zu erklären, daß du vor ein paar Monaten urplötzlich aus Moskau verschwandest? Schtscherbazkis haben mich unaufhörlich nach dir gefragt, als müßte ich Bescheid wissen. Und ich weiß doch nur das eine, daß du immer gerade das tust, was sonst niemand tut.«

      »Ja«, erwiderte Ljewin langsam und in sichtlicher Erregung. »Du hast recht: ich bin ein Wilder. Nur hat sich das nicht darin gezeigt, daß ich damals wegfuhr, sondern darin, daß ich jetzt wiedergekommen bin. Ich bin jetzt wiedergekommen . . . «

      »Oh, was bist du für ein glücklicher Mensch!« unterbrach ihn Stepan Arkadjewitsch und blickte ihm in die Augen.

      »Weswegen?«

      »Am gebrannten Mal erseh ich,

       Ob von edler Art ein Roß;

       An des Jünglings Aug erspäh ich,

       Ob ins Herz ihn Amor schoß«,

      deklamierte Stepan Arkadjewitsch. »Du hast noch alles vor dir.«

      »Hast du denn schon alles hinter dir?«

      »Nein, wenn auch nicht gerade das. Aber du hast noch die Zukunft; ich dagegen habe nur die Gegenwart, und die ist nur soso, halb süß, halb sauer.«

      »Wieso denn?«

      »Eine verdrießliche Geschichte. Na, aber ich wollte ja nicht von mir reden und könnte dir sowieso nicht alles auseinandersetzen«, antwortete Stepan Arkadjewitsch. »Also warum bist du denn nach Moskau gekommen? – He du, räum das hier weg!« rief er dem Tataren zu.

      »Kannst du es nicht erraten?« versetzte Ljewin, ohne die Augen, in denen ein tiefinnerliches Leuchten lag, von Stepan Arkadjewitsch wegzuwenden.

      »Ich errate es schon, kann aber doch nicht anfangen, davon zu reden. Schon danach kannst du beurteilen, ob ich richtig oder nicht richtig rate«, sagte Stepan Arkadjewitsch und blickte Ljewin mit einem feinen Lächeln an.

      »Nun, was kannst du mir darüber sagen?« fragte Ljewin mit zitternder Stimme; er fühlte, daß in seinem Gesicht alle Muskeln zitterten. »Wie siehst du die Sache an?«

      Stepan Arkadjewitsch trank langsam sein Glas Chablis aus, ohne die Augen von Ljewin wegzuwenden.

      »Ich?« erwiderte er. »Ich würde nichts sehnlicher wünschen, nichts sehnlicher! Das wäre das beste, was überhaupt geschehen könnte.«

      »Aber bist du auch nicht in einem Irrtum befangen? Du weißt doch, wovon wir sprechen?« fragte Ljewin und blickte seinen Tischgenossen in unruhiger Spannung starr an. »Du meinst also, daß es möglich wäre?«

      »Das meine ich allerdings. Warum sollte es nicht möglich sein?«

      »Nein, meinst du wirklich, daß es möglich wäre? Nein, sage mir alles, was du darüber denkst! Nun aber, wenn . . . wenn mich eine abschlägige Antwort erwartet? – Ich bin sogar überzeugt . . . «

      »Warum denkst du denn das?« sagte Stepan Arkadjewitsch, über Ljewins Aufregung lächelnd.

      »Es scheint mir bisweilen so. Das wäre ja entsetzlich, sowohl für mich wie für sie.«

      »Na, für ein junges Mädchen ist jedenfalls nichts Entsetzliches dabei. Jedes junge Mädchen ist auf einen Heiratsantrag stolz.«

      »Ja, jedes junge Mädchen, aber nicht sie.«

      Stepan Arkadjewitsch lächelte. Er verstand Ljewins Gefühl sehr wohl und wußte, daß für diesen jetzt alle jungen Mädchen auf der Welt in zwei Klassen zerfielen: die eine Klasse umfaßte alle jungen Mädchen auf der Welt außer ihr, und diese jungen Mädchen hatten sämtlich menschliche Schwächen und waren eben junge Mädchen von ganz gewöhnlichem Schlage; die andere Klasse wurde von ihr allein gebildet, von ihr, die keinerlei Schwächen an sich hatte und hoch über allem stand, was Mensch hieß.

      »Warte mal, nimm doch Sauce!« sagte er und hielt Ljewins Hand fest, der die ihm dargereichte Sauce zurückwies.

      Gehorsam nahm Ljewin, ließ aber Stepan Arkadjewitsch nicht zum Essen kommen.

      »Nein, warte mal, warte mal!« sagte er. »Mach dir doch klar, daß es sich bei dieser Frage für mich um Leben und Tod handelt. Ich habe noch nie mit jemand davon gesprochen und kann auch mit niemand als mit dir davon sprechen. Wir beide, du und ich, sind ja in jeder Beziehung verschieden geartet; anderer Geschmack, andere Anschauungen, alles verschieden; aber ich weiß, daß du mich gern hast und mich verstehst, und darum empfinde ich auch eine so starke, herzliche Zuneigung zu dir. Aber ich beschwöre dich, sei ganz aufrichtig!«

      »Was ich für meine Person glaube, habe ich dir schon gesagt«, erwiderte Stepan Arkadjewitsch lächelnd. »Ich will dir aber noch mehr sagen: Meine Frau ist ein im höchsten Grade bewundernswertes Wesen . . . «, hier seufzte Stepan Arkadjewitsch in Erinnerung an sein Verhältnis zu seiner Frau und fuhr erst nach kurzem Stillschweigen fort: »Sie besitzt die Gabe, in die Zukunft zu sehen. Sie durchschaut die Menschen durch und durch; und damit nicht genug, sie weiß auch voraus, was geschehen wird, namentlich auf dem Gebiete der Heiraten. So hat sie zum Beispiel vorhergesagt, daß Fräulein Schachowskaja diesen Herrn Brenteln heiraten werde. Kein Mensch wollte es glauben, und doch kam es so. Und sie steht ganz auf deiner Seite.«

      »Inwiefern?«

      »Insofern, als sie dich nicht nur gut leiden kann, sondern auch erklärt, Kitty werde ganz sicher deine Frau werden.«

      Bei diesen Worten überzog auf einmal ein strahlendes Lächeln Ljewins Gesicht, ja es waren ihm die Tränen der Rührung ganz nahe.

      »Das sagt sie?« rief er aus. »Ich habe es ja immer gesagt, daß deine Frau ein herrliches Weib ist. Nun, aber jetzt genug davon, genug!« fügte er hinzu und stand von seinem Platze auf.

      »Schön, schön! Aber bleib doch sitzen!«

      Jedoch zum Sitzen hatte Ljewin

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