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Norden, es heißt doch, dass MS umso günstiger für den Patienten verläuft, je länger die Abstände zwischen den einzelnen Schüben sind. Mein letzter Schub war vor drei Jahren. Was denken Sie, wie sieht es für mich aus?«, wollte Katharina von Danny wissen.

      »Mit letzter Gewissheit lässt sich das leider nicht sagen. Diese Krankheit kann bei jedem Patienten anders verlaufen, aber es stimmt, dass die Abstände zwischen den Schüben ein gutes Indiz für den weiteren Verlauf sind. So betrachtet, sieht es für Sie wirklich gut aus.« Auch wenn es keine Garantie dafür gab, dass Katharina an einer harmlosen Variante dieser Entzündung der Nerven litt, war es doch sehr wahrscheinlich, dass sie dieses Glück hatte.

      »Ich habe neulich im Fernsehen einen Bericht über die Behandlung mit Propionat, das Salz der Propionsäure gesehen. Es soll nicht nur im Tierversuch gewirkt haben, sondern auch bei Menschen. Betroffene mit MS, Parkinson und sogar Alzheimer konnten ihr Befinden mit dieser Behandlung stark verbessern«, erzählte ihm Katharina und sah ihn danach voller Erwartung an.

      »Ich verfolge diese Forschung und wollte ohnehin mit Ihnen darüber sprechen. Letztendlich geht es darum, die gesunden Darmbakterien zu vermehren.«

      »Richtig, weil, wie man inzwischen weiß, unser Gehirn mit unserem Darm in Verbindung steht und sich beide Organe gegenseitig beeinflussen. Joghurt und Gemüse, Ballaststoffe überhaupt sollen die Darmflora ja positiv beeinflussen. Die Frage ist nur, reicht das für mich aus, um Erfolg zu haben?«

      »Es gibt Propionat auch als Nahrungsergänzungsmittel.«

      »Könnte ich es damit versuchen?«

      »Wissen Sie was, sobald es Ihnen wieder besser geht, schicke ich Sie zu einem gründlichen Check-up in die Klinik meiner Eltern, danach überlegen wir, was wir tun können«, schlug Danny seiner Patientin vor.

      »Das hört sich gut an, Doktor Norden. Ich bin bereit, wirklich alles zu tun, um diese Krankheit in Schach zu halten. Im Moment bin ich ganz zufrieden mit meinem Leben. Ich bin noch nicht auf Hilfe angewiesen, und die Arbeit im Sekretariat der Musikschule macht mir Spaß und bringt glücklicherweise auch ein paar Euro ein.«

      »Jetzt werde erst einmal wieder gesund, Mama, dann sehen wir weiter«, sagte Sophia, die am Fußende des Bettes stand und bisher nur zugehört hatte.

      »Ihre Tochter hat recht, Frau von Arnsberg, ruhen Sie sich ein paar Tage aus, dann sprechen wir noch einmal in Ruhe über alles«, versicherte ihr Danny.

      »Ich danke Ihnen für Ihren Besuch, Doktor Norden«, sagte Katharina, als Danny ihr gute Besserung wünschte und sich von ihr verabschiedete.

      »Kein Problem, Hausbesuche gehören zu den Aufgaben eines Hausarztes«, entgegnete er mit einem freundlichen Lächeln.

      »Ich bringe Sie noch zur Tür«, sagte Sophia, als Danny seine Tasche aufnahm, um Katharinas Schlafzimmer zu verlassen. »Ist mit meiner Mutter wirklich alles in Ordnung, abgesehen von dieser Bronchitis?«, fragte sie leise, als sie die Klinke der Haustür schon in der Hand hielt, um Danny zu öffnen.

      »Sie wissen doch, ich lüge meine Patienten nicht an, auch wenn es für sie unangenehm sein sollte. Die meisten Menschen wissen ohnehin sehr gut, wie es um sie steht.«

      »Sie haben recht, aber wenn es um die Gesundheit meiner Mutter geht, bin ich immer in einer Art Alarmzustand«, gab Sophia mit einem tiefen Seufzer zu.

      »Kommen Sie einfach zu mir, falls Sie etwas quält. Ihre Mutter ist eine starke Frau, sie weiß, was sie sich zumuten kann. Sie müssen sich nicht ständig um sie sorgen«, beruhigte er Sophia. Er ahnte, was ihr durch den Kopf ging, wenn sie ihre Mutter krank im Bett liegen sah. Der Tod ihres Vaters und die Verbannung aus seiner Familie waren erst ein Jahr her. Sophia fürchtete sich davor, nun auch noch ihre Mutter zu verlieren und dann ganz allein zu sein.

      »Vielen Dank, Herr Doktor, ich werde sicher irgendwann darauf zurückkommen.«

      »Gern, jederzeit, Sophia. Wir sehen uns nachher, bis dann«, verabschiedete sich Danny und verließ die Wohnung der beiden. Er hoffte für sie, dass sie noch eine Möglichkeit fanden, an das Erbe zu gelangen, das ihnen zustand. Sollte sich Katharinas Befinden irgendwann doch verschlechtern, würde ihnen diese Erbschaft das Leben erleichtern.

      *

      »Schatz, sag mir bitte, ob du deine Entscheidung, nicht mehr als Krankenschwester zu arbeiten, nicht bereust. Aber bitte sei ehrlich«, bat Katharina ihre Tochter, nachdem sie ihr Blut abgenommen hatte und das Röhrchen, das sie gefüllt hatte, in eine kleine stabile Kunststoffbox packte.

      »Ich bereue es nicht, ganz im Gegenteil. Es war eine wirklich gute Entscheidung«, versicherte Sophia ihrer Mutter. »Die Arbeit macht mir Spaß, mit Lydia verstehe ich mich blendend, und mein Boss ist wundervoll. Ich kann mich absolut nicht beschweren. Und mal abgesehen davon, dass ich nicht mehr im Schichtdienst bin und wir mehr Zeit miteinander verbringen können, haben wir auch noch den perfekten Hausarzt für dich gefunden.«

      »Ja, allerdings, das haben wir. Ich fühle mich von Doktor Norden wirklich gut betreut. Ganz offensichtlich ist er auch bereit, neue Wege zu gehen, wie ich gerade feststellen konnte.«

      »Die Wissenschaft macht Fortschritte, und er ignoriert diese Fortschritte nicht. Was aber nicht bedeutet, dass Versuche, die in einem Labor erfolgreich verlaufen, auch bei Menschen Erfolg haben.«

      »Das weiß ich, Kind, aber was das angesprochene Propionat betrifft, damit kann ich nicht wirklich Schaden anrichten. Und wer weiß, vielleicht habe ich Glück, meine Symptome stagnieren und die Krankheit schreitet nicht mehr weiter voran.«

      »Es ist auch durchaus möglich, dass du wirklich nur eine leichte Variante der Multiple Sklerose erwischt hast, und es keine weiteren Schübe mehr gibt. Aber ja, du hast recht, wir könnten es mit dem Propionat versuchen. Wenn Doktor Norden uns unterstützt, bin ich dabei«, versprach Sophia, als sie das hoffnungsvolle Leuchten in den Augen ihrer Mutter bemerkte.

      »Ich werde alles tun, damit ich nicht zu einer Belastung für dich werde, Sophia. Du bist jung, du musst dein eigenes Leben führen. Du sollst dich nicht ständig um mich kümmern müssen.«

      »Das mache ich aber gern.«

      »Ich weiß, aber ich will nicht, dass du all die Dinge versäumst, die ein junger Mensch erleben sollte. Versprich mir, dass du nicht wegen mir auf die Liebe verzichtest.«

      »Wer mit mir zusammen sein will, muss akzeptieren, dass ich für dich da sein werde, wenn du mich brauchst. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Und jetzt muss ich los, wenn ich es noch vor der Nachmittagssprechstunde ins Labor schaffen will. Brauchst du noch etwas?«, wollte Sophia wissen.

      »Nein, geh nur, ich bin ja nicht bettlägerig, nur ein bisschen erkältet.«

      »Also gut, dann bis heute Abend. Und denk dran, ich gehe nach der Sprechstunde noch in den Supermarkt«, sagte Sophia. Sie steckte die Box mit der Blutprobe in ihre Handtasche und eilte aus der Wohnung. An ihr Handy, das in der Küche in der Ladestation steckte, dachte sie nicht.

      *

      Nach seinem Besuch bei Sophias Mutter war Danny nach Hause gefahren und hatte sich noch ein paar Minuten aufs Sofa im Wohnzimmer gelegt. Er hatte noch zwanzig Minuten Zeit, bis die Nachmittagssprechstunde begann. Er musste lächeln, als er daran dachte, was Marius Meier am Morgen zu ihm gesagt hatte. Dass er glaubte, er wäre ein guter Lehrer geworden. Vielleicht stimmte es, manchmal hatte er schon darüber nachgedacht, ob das ein Beruf für ihn hätte sein können.

      Andererseits war es inzwischen ein nervenaufreibender Beruf. Die Kinder saßen nicht mehr still in der Klasse und hörten den Lehrern zu. Lehrer standen in Konkurrenz zum Unterhaltungsprogramm des Internets und des Fernsehens. Sie mussten sich inzwischen als Entertainer bewähren, wollten sie die Aufmerksamkeit ihrer Schüler bekommen.

      Was Marius betraf, da hatten sie wohl alle vorschnell geurteilt. Vermutlich konnte der Junge gar nichts für sein Verhalten. Sollte er wirklich nur unter Eisen- und Vitaminmangel leiden, würde er ihm schnell helfen können, und für Marius würde sich einiges zum Besseren wenden.

      Lydia und Sophia waren

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