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sich zurück. »Wenn du mir nicht geholfen hättest, würde dieser Verbrecher jetzt noch immer als Verwalter auf meinem Gut sitzen.« Sie schaute Jürgen direkt in die Augen.

      Ihr Blick ging ihm durch und durch. Ich würde gern noch viel mehr für dich tun, dachte er.

      Da fragte sie: »Woran denkst du, Jürgen?«

      Er schüttelte den Kopf. »An nichts«, sagte er. Aber er dachte daran, dass sie erst einmal gesund werden musste. Das war am wichtigsten. Alles andere war Nebensache.

      *

      Jutta wurde auch gesund. Sogar schneller, als Jürgen erwartet hatte. Noch bevor er es erlaubte, stand sie auf und ging an einem sonnigen Spätaugusttag im Krankenhausgarten spazieren. Sie fühlte sich so unbeschwert und froh wie schon lange nicht mehr. Die quälenden Schmerzen hatten sie endgültig verlassen. Deshalb kam sie sich wie neugeboren vor. Dazu kam noch die Erleichterung darüber, dass in Riederau alles in Ordnung war. Das verdanke ich einzig und allein Jürgen, dachte sie.

      Bei dem Gedanken an ihn verklärte sich Juttas Gesicht. Auf ihn kann man sich verlassen, dachte sie. Er ist ein echter Freund.

      Plötzlich blieb Jutta stehen und zerpflückte nachdenklich ein Blatt in ihrer Hand. Eine Frage war in ihr aufgetaucht. Eine Frage, die nur er beantworten konnte.

      Im gleichen Moment, als Jutta das dachte, hörte sie Schritte hinter sich. Sie drehte sich um. Vor ihr stand Jürgen.

      »Jutta, ich weiß nicht, was ich sagen soll«, stieß er atemlos hervor. »Ich habe dir noch gar nicht erlaubt, aufzustehen. Und du läufst hier allein im Garten herum. Mein Gott, Jutta! Was dabei passieren kann!« Schützend legte er seinen rechten Arm um sie.

      »Hast du Angst um mich, Jürgen?«, fragte sie leise und lehnte sich dabei an ihn.

      »Ja«, sagte er rau. »Ich habe Angst um dich. Wie leicht kannst du einen Rückfall bekommen.«

      Da löste sie sich abrupt aus seinen Armen. »Als Arzt hast du Bedenken, und ich dachte …« Sie brach ab.

      »Was dachtest du?«, drängte Jürgen.

      Sie schüttelte jedoch nur störrisch den Kopf. »Nichts. Ich verstehe dich. Wenn ich einen Rückfall bekäme, würde man dich zur Verantwortung ziehen.«

      »Natürlich würde man das. Aber daran habe ich jetzt nicht gedacht. Ich habe mich nur um dich gesorgt. Versprich mir, dass du nicht wieder allein im Garten herumläufst.«

      »Aber ich möchte ab und zu gern an die frische Luft. Außerdem geht es mir wirklich schon gut.« Trotzdem stützte sie sich jetzt auf seinen Arm.

      »Was für ein kleiner Trotzkopf du doch bist«, sagte er zärtlich. »Genau wie früher. Das, was du dir in den Kopf gesetzt hattest, das musstest du auch tun.«

      »Das ist nicht wahr«, widersprach sie ihm neckend, obwohl sie genau wusste, dass er recht hatte.

      »O doch, meine Liebe.« Er führte sie zur nächsten Bank.

      »Hast du so viel Zeit, dass du hier mit einer Patientin im Garten sitzen kannst?«, fragte Jutta schelmisch, während sie sich setzten.

      »Ich glaube, du bist tatsächlich schon fast gesund«, erwiderte er lachend. Dann fuhr er ernst fort: »Auch ein Arzt hat ein gewisses Recht auf Freizeit.«

      »Ach so. Dann bist du also jetzt nicht im Dienst?«

      »Nein.« Sein Blick ließ sie nicht los. »Und als Privatperson kann ich mir einiges erlauben, was ich als Arzt nicht dürfte.«

      »Zum Beispiel?«

      Statt einer Antwort beugte er sich über sie und küsste sie auf die Schläfe.

      »War das so schlimm?«, fragte er leise.

      Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Aber alle können uns sehen. Sämtliche Patienten, die zum Fenster herausschauen.«

      »Deshalb habe ich dich ja auch nur auf die Schläfe geküsst.«

      Sie wagte nicht zu fragen, was er sonst getan hätte. Aber eigentlich war das ja klar. Trotzdem wurde sie nicht ganz klug aus ihm. Flirtete er mit ihr aus einer Laune heraus? So, wie er es früher oft getan hatte? Oder machte er sich gar über sie lustig? Sie schaute zu ihm auf. In seinen Augen glitzerte der Schalk.

      »Ich werde einfach nicht klug aus dir«, sagte sie und stand auf. Deshalb konnte sie nicht mehr sehen, dass sein Blick plötzlich ernst geworden war.

      »Ist das so schwierig?«, fragte er, während er langsam mit ihr zurückging.

      Jutta beantwortete seine Frage jedoch nicht. Zwei junge Schwestern kamen ihnen entgegen. Sie musterten Jutta mit eifersüchtigen Blicken. Doch Jürgen sah das gar nicht. Er sah auch nicht den koketten Augenaufschlag, den die eine nur für ihn in Szene setzte.

      Jutta registrierte den Blick jedoch. »Du scheinst sehr beliebt zu sein bei den Schwestern.«

      Er nickte nur. »Ich komme gut mit ihnen zurecht.«

      »Und was tust du dagegen, dass sie dich anhimmeln?«

      Er musste lachen. »Gar nichts. Aber ich tue auch nichts dafür.«

      Er drehte sich nach den beiden Schwestern um, die jetzt auf der Bank saßen, auf der er eben noch mit Jutta gesessen hatte.

      »Hast du das gesehen?«, ereiferte sich die eine Schwester, während sie ihren Fruchtjoghurt löffelte.

      »Was? Dass sich die Rauscher bei Dr. Werner untergehakt hat? Natürlich habe ich das gesehen. Angeblich kennt er sie von früher. Das hat mir die Patientin von Nummer Acht erzählt.«

      »Ich möchte gern wissen, ob er in sie verliebt ist.«

      »Glaub ich nicht.«

      »Warum ist er dann dauernd in ihrem Zimmer? Und warum geht er sogar in seiner Mittagspause mit ihr spazieren?«

      »Keine Ahnung. Es interessiert mich auch nicht.«

      »Lüg nicht. Du bist doch genauso in ihn verknallt wie wir alle.«

      »Ja. Und ich weiß genau, dass wir alle überhaupt keine Chance bei ihm haben – und wenn du noch so kokett mit den Wimpern klimperst.«

      Solche Gespräche fanden unter den jüngeren Schwestern des Krankenhauses fast täglich statt. Jürgen war ein gut aussehender und noch verhältnismäßig junger Arzt. Und vor allem, er war noch ledig. So etwas regte die Fantasie der Mädchen an. Außerdem war er immer charmant und höflich. Damit nährte er so manche geheime Hoffnung.

      *

      Über seine Gefühle für Jutta hatte Jürgen sich bis zu diesem Nachmittag keine ernsthaften Gedanken gemacht. Er hatte ihr einfach geholfen. So, wie er es früher immer getan hatte. Und genauso wie damals, hatte er seine Gefühle beiseite geschoben. Bis zu diesem Nachmittag. Doch nach dem Spaziergang mit Jutta saß er allein in seinem Zimmer und dachte nach.

      Konnte es sein, dass er sich in Jutta verliebt hatte? Nach all den Jahren? Als junger Student hatte er sie angehimmelt. Doch damals hatte sie ihn als Mann gar nicht beachtet. Und heute? »Ich weiß es nicht«, stöhnte er. »Ich werde einfach nicht klug aus ihr.« Aber schließlich bin ich kein unbeholfener junger Student mehr, sagte er sich. Ich kann sie ja einfach fragen. Aber vorher muss ich mir immerhin über meine eigenen Gefühle im Klaren sein.

      Ein Anruf der Ambulanz unterbrach Jürgens Gedanken. Ein neuer Fall war eingeliefert worden. Jürgen wurde gebraucht. Für die nächsten zwei Stunden vergaß er Jutta.

      Umso mehr dachte Jutta an ihn. Sie ging unruhig in ihrem Zimmer auf und ab. Ich benehme mich genauso, als hätte ich mich verliebt, dachte sie ärgerlich. Aber das ist doch nur Einbildung. Ich kenne Jürgen viel zu lange und zu gut, um mich jetzt noch in ihn verlieben zu können. Das hätte vor zehn Jahren passieren müssen. In acht oder zehn oder vierzehn Tagen werde ich das Krankenhaus verlassen und ihn niemals wiedersehen.

      Bei dieser Vorstellung erschrak Jutta. Sie hörte nicht, dass die Schwester

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