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      Niemals kapitulierte sie wirklich. Weder vor brutaler Gewalt noch vor seelischem Terror. Wenn sie sich auch aus körperlicher Schwäche nach außen hin unterwerfen mußte, innerlich blieb sie unbesiegt - eine Rebellin, die den Traum der Revolution nicht aufgab, auch wenn sie es nicht wagen konnte, sich laut dazu zu bekennen.

      »Ich werde niemals wirklich die Waffen strecken!« schwor sie sich, während sie mit blutunterlaufenen Flecken und schmerzenden Gliedern in dem engen Bett lag. »Und eines Tages werde ich ihm alles zurückzahlen. Eines Tages werde ich stark genug sein, um ihn zu besiegen...«

      Kurz vor ihrem neunzehnten Geburtstag eröffnete ihr der Onkel, daß er ihr eine Stellung als Gouvernante bei einem alten Freund besorgt habe. Isabel war glücklich. Endlich eine Chance, von Rowanfield Manor fortzukommen! Und obgleich die Trennung von ihrer Kusine Elisabeth sehr schmerzlich für sie war, hatte der Gedanke, frei zu sein, der Grausamkeit und dem Haß des Onkels entfliehen zu können, sie wie ein Rausch erfüllt.

      Aber ihre Freude fand ein jähes Ende. Sie war noch keine Woche in der neuen Stellung, als der Sohn des Hauses anfing, ihr nachzustellen. Er war ein ungeschliffener junger Mann von zweiundzwanzig Jahren, verwöhnt und verzogen von einer Mutter, die mit einer abgöttischen und zugleich sehr egoistischen Liebe an ihm hing. Sie glaubte, daß er nie etwas Unrechtes tun könnte, und als sie ihn schließlich dabei überraschte, daß er Isabel in einer Ecke der Bibliothek zu küssen versuchte, gab es für sie nicht den geringsten Zweifel, daß die Schuld ausschließlich bei Isabel zu suchen wäre. Jedenfalls war sie nicht einmal bereit, das Mädchen zu dem Vorfall auch nur anzuhören.

      Man befahl Isabel, die Koffer zu packen und innerhalb weniger Stunden das Haus zu verlassen. Sie kehrte nach Rowanfield Manor zurück, geknickt, aber völlig unvorbereitet auf den Empfang, den Onkel und Tante ihr bereiteten. Sie wenigstens würden sie anhören, dachte Isabel. Aber sie erlebte eine neue bittere Enttäuschung.

      »Du wirst den jungen Mann wohl ermutigt haben«, sagte der Onkel kalt, und ohne ihn anzusehen, wußte Isabel, daß in seinen Augen wieder dieses unheimliche Glitzern war, vor dem sie solche Angst hatte. Was sie im Unterbewußtsein schon immer gespürt hatte, jetzt stand es für sie fest: Er genoß es, wenn sie litt. Er genoß es wie eine Rache für den Trotz, den sie ihm jahrelang entgegengesetzt hatte, für die blutigen Kratzer, die sie mit ihren Fingernägeln in seinem Gesicht hinterlassen hatte, für die Wut, die in ihm gewesen war, wenn sie ihn angeschrien hatte: »Ich hasse dich, du ekelhafter, häßlicher, fetter alter Mann!«

      Von ihrer zweiten Anstellung war sie aus dem gleichen Grund zurückgekommen. Diesmal war es ihr Brotherr gewesen, der ihr nachgestellt hatte. Ihr Onkel verhörte sie stundenlang, und sie sah, daß dieses Verhör ihm ein schamloses Vergnügen bereitete. Doch obwohl er sie zwang, jede seiner Fragen zu beantworten, machte sie es ihm nicht leicht. Am Ende des Verhörs kochte er vor Wut und wirkte gleichzeitig völlig erschöpft.

      Isabel war die ganze Zeit in ihrem Zimmer auf und ab gegangen, jetzt blieb sie stehen. Sie war sich darüber klar, was sie an diesem Abend oder am nächsten Morgen erwartete.

      »Was hat er zu dir gesagt? Was hast du getan? Wann hast du zum ersten Mal etwas Derartiges bemerkt? Was hast du gefühlt, als er dich anfaßte?«

      Diese und ähnliche Fragen würden endlos fortgesetzt werden. Isabel zweifelte nicht daran, daß ihr Onkel sie mit voller Absicht in das Haus des Marquis von Droxburgh geschickt hatte. Isabel hatte Gespräche auf Gesellschaften über den Marquis mit angehört, sie war unbeabsichtigt Zeugin von Gesprächen der Dienerschaft gewesen, und aus alldem war eindeutig hervorgegangen, daß ihr Onkel den Ruf des Marquis genauso gekannt haben mußte wie alle anderen auch.

      Der Marquis von Droxburgh war ein durch und durch lasterhafter Mensch, verheiratet mit einer Frau, die ständig kränkelte, die sich um nichts im Haus kümmerte, kaum einmal ihr Zimmer verließ und der ihr Gatte im Grunde genauso gleichgültig war wie sie ihm.

      Zunächst hatte Isabel keine Ahnung gehabt, was sie erwartete. Das Haus war wundervoll. Ein großes georgianisches, Gebäude inmitten einer weiten grünen Parklandschaft, umgeben von reizvollen, tiefblauen Seen. In der ersten Woche hatte Isabel geglaubt, auf Droxburgh Castle glücklich zu werden. Das Kind, das sie unterrichten sollte, war ein zartes, verschüchtertes kleines Ding, dessen Zerbrechlichkeit Muttergefühle in Isabel wachrief. Voller Freude bereitete sie die Unterrichtsstunden vor. Sie redete dem Kind zu, besser zu essen und ging mit ihm, so oft es möglich war, an die frische Luft. Ruhe und Frieden lagen über dem Ort, und es schien nichts zu geben, das die Idylle stören konnte.

      Aber dann kehrte der Marquis nach Hause zurück, brachte eine Gesellschaft von Freunden mit, laute, arrogante, vergnügungssüchtige Leute, die bis zum Luncheon in den Betten lagen, nachdem sie die Nacht durchzecht und beim Kartenspiel zugebracht hatten. Alles im Haus stand plötzlich Kopf. Die Diener hetzten durch die Korridore, fanden keine Zeit, pünktlich für die Mahlzeiten der Gouvernante und ihrer kleinen Schutzbefohlenen zu sorgen, und wenn endlich aufgetragen wurde, war das Essen kalt oder lieblos zubereitet.

      Das Haus hallte wider von lauter Musik, wildem Gelächter und lärmenden Stimmen. Oft schreckte Isabel mitten in der Nacht aus dem Schlaf, und sogar die Hunde schlichen am nächsten Morgen müde und lustlos ums Haus.

      An einem Nachmittag betrat der Marquis das Unterrichtszimmer. Isabel erhob sich bei seinem Eintritt höflich und knickste. Sie rechnete damit, daß er sie kurz begrüßen, sich nach dem Stand des Unterrichts erkundigen und dann wieder gehen würde. Doch dann bemerkte sie den begehrlichen Blick in seinen schmalen Augen, sah das verkniffene Lächeln um die sinnlichen Lippen und fühlte, wie ihr Herz bis in den Hals schlug. Entsetzen schnürte ihr die Kehle zusammen. Ein unkontrollierte Zittern befiel sie, denn sie wußte aus Erfahrung, was ihr nun bevorstand. Und als der Marquis einen Schritt auf sie zutrat, gab es für Isabel kein Halten mehr. Hals über Kopf stürzte sie aus dem Raum.

      Das war der Anfang einer schrecklichen Zeit gewesen, denn von diesem Augenblick an hatte sie in diesem Haus keine Ruhe mehr. Schließlich konnte sie die Angst nicht mehr länger ertragen. Sie war mit ihrer Nervenkraft am Ende. Obwohl sie jeden Abend ihr Zimmer verschloß, fand sie keinen Schlaf. Sie lag wach und lauschte mit überreizten Sinnen auf die Geräusche von draußen, auf das Tappen schleichender Schritte, das leise Quietschen der niedergedrückten Türklinke, das beschwörende Flüstern einer erregten Männerstimme.

      Und dann - am gestrigen Abend - machte sie die Feststellung, daß der Schlüssel zu ihrer Schlafzimmertür verschwunden war, und eine nie gekannte Panik ergriff von ihr Besitz.

      Sie verbrachte die Nacht im sorgfältig verriegelten Kinderzimmer, und am heutigen Morgen, noch bevor die Dienerschaft aufgestanden war, hatte sie mit ihrer Reisetasche das Haus verlassen.

      Dem Kind und der Marchioneß hinterließ sie einen kurzen Brief. Darin entschuldigte sie sich in unzusammenhängenden Worten für ihr plötzliches Weggehen. Sie schrieb, ihre Tante sei erkrankt und brauche ihre, Isabels, Pflege. Sie bedauere die Plötzlichkeit ihres Aufbruchs und die Unmöglichkeit einer Rückkehr.

      Was anderes hätte ich sonst schreiben können, fragte sie sich nun, während sie vor den Spiegel trat und hineinblickte.

      Wie ein leuchtender, lebendiger Farbfleck hob sich ihr Haar von der weißen Wand im Hintergrund ab, und sie dachte, daß dieses schwere, tizianrote und mit seinen üppigen Locken kaum zu bändigende Haar die Ursache ihres ganzen Unglücks sei.

      War es wirklich ihr Haar, das den Ausdruck in den Augen der Männer veränderte, sobald sie seiner ansichtig wurden?

      Warum verhielten sie sich alle so seltsam in ihrer Gegenwart? Warum hatte Isabel stets das Gefühl, alle Männer hätten den Wunsch, sie an sich zu reißen, weil ihr Anblick sie um den Verstand brachte?

      »Es ist ungerecht«, murmelte sie. Im gleichen Augenblick öffnete sich die Tür, und Elisabeth stürmte ins Zimmer.

      »Isabel!« rief sie freudestrahlend. »Ich hörte, wie Mama zu Papa sagte, du seist hier. Ich wollte es erst gar nicht glauben. Ich dachte, das kann doch nicht wahr sein. Ich hab' mich davongeschlichen, weil ich sicher sein wollte! O Isabel, ich bin ja so froh, dich zu sehen!«

      »Auch

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