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Urban Fantasy: going intersectional. Группа авторов
Читать онлайн.Название Urban Fantasy: going intersectional
Год выпуска 0
isbn 9783947720644
Автор произведения Группа авторов
Жанр Ужасы и Мистика
Издательство Автор
Sein starker deutscher Akzent ließ mich vermuten, dass dieser Mann in Irland fremd war – fremder noch als ich. Er erklärte mir, dass ich in solchen Sommernächten als Sexarbeiterin mehr Geld verdienen könne als im Lagerhaus als Nachtwächterin. »Alle stehen auf exotische Frauen«, fügte er hinzu.
Ein überhebliches Grinsen zog sich über seine gerötete Miene. Doch der Tritt in den Magen, der mich noch weiter hätte demütigen sollen, wurde zu einem Angriff gegen einen Körper, der sich gedankenschnell verwandelt hatte, als sammelten sich kalte Steine unter meiner Haut, ohne dass sich etwas nach außen hin andeutete.
Es knackte, als hätte mein Widersacher meinen Magen verfehlt und sich an meiner Hüfte den Fuß gebrochen. Während in mir der Schmerz nur kurz aufflackerte, stachelte er meinen Gegner zu einem langen Schrei an und brachte ihn aus dem Gleichgewicht, sodass er aus dem Licht der Laterne hinaustaumelte und stöhnend zu Boden fiel.
Ich nahm meine verborgene Verwandlung zurück, und das Verschwinden des Druckgefühls bescherte mir für einen Moment die Empfindung von Leerstellen zwischen Haut und Fleisch.
Langsam erhob ich mich vor dem Fremden. Er fluchte, löste vor Schmerz grunzend die Hände von seinem Fuß und griff in seine Jackentasche.
Ich musste lachen. Hier draußen in dem kleinen Gewerbegebiet am Rande von Tallaght würde uns mitten in der Nacht niemand hören – außer vielleicht Glenn, der mich drüben bei Almandine Logistics abgelöst hatte und wenig Sympathie für Menschen hegte, die nachts Leute überfielen.
Mein Angreifer fluchte mir variierende Bezeichnungen für Sexarbeiterinnen entgehen und zog einen Elektroschocker aus der Innentasche seiner Jacke.
»Ich hätte ja mit einem Messer gerechnet«, erwiderte ich. »Vor einer Pistole hätte ich sogar Respekt gehabt.«
Mit seinen Flüchen fand er schließlich das, was solche Kerle so oft finden, wenn sie mit mir zu tun haben und merken, dass sie unterlegen sind: Er verknüpfte rassistische und sexistische Schimpfwörter miteinander, als wären es Zaubersprüche, die im Verbund mehr Kraft entfalteten.
Mit einer schnellen Bewegung und angetrieben von der kühlen Magie, die in mir pulsierte, packte ich mit der einen Hand den Arm meines Angreifers, mit der anderen entriss ich ihm den schmalen Elektroschocker und warf diesen zur Seite.
Der Fremde griff nach meinem Arm, aber ich versetzte ihm einen Tritt zwischen die Beine und brach damit seine Angriffslust. »Das war von einer exotischen Frau!«, stieß ich ihm entgegen, während er nur ein Wimmern ausstieß. Ich trat ihm in den Magen. »Das war für die unverlangte Karriereberatung.« Ich trat immer wieder auf ihn ein. »Und der ist dafür, dass du was gegen Sexarbeiterinnen hast! Der hier ist für das N-Wort! Und das ist für die jämmerlichen Wortkompositionen!«
Mein Widersacher schaute schließlich mit hassverzerrter Miene zu mir auf und ballte seine Faust.
»Und der ist für all die, denen du vorher aufgelauert und was auch immer angetan hast«, sagte ich und versetzte dem Mann einen Schlag ins Gesicht. Er sank zusammen und starrte mich nur noch an.
Die Versuchung war groß, mich vor seinen Augen komplett in meine andere Gestalt zu verwandeln. Bisher war ich für ihn ein Mensch, der sich als wehrhaft erwiesen hatte. Zu gerne hätte ich ihm gezeigt, wie meine braune Haut ebenso ergraute wie meine schwarzen Locken. Früher hatte ich mich an den vor Angst geweiteten Augen meiner Widersacher erfreut. Aber damit hätte ich hier zu viel offenbart. Natürlich hätte man ihm zunächst einmal nicht geglaubt, dass er einer Frau aus Stein begegnet war. Aber es gab da draußen Leute, die es glauben würden – Leute, die nur darauf warteten, dass Meinesgleichen sich zu etwas hinreißen ließen.
»Wenn ich rauskriege, dass du noch mal irgendwem auflauerst, leg ich dich um«, sagte ich, und was immer der Angreifer, den ich gerade zum Opfer gemacht hatte, in meinem Gesicht fand, es brachte ihn zum Zittern.
Ich prüfte, ob mit meinem Rucksack alles in Ordnung war, und setzte den Weg zu meinem Wagen fort. Als ich am Ende der Gasse noch einmal zurückblickte, lag mein Opfer noch immer schwer atmend da und starrte mir hinterher.
In aller Ruhe näherte ich mich meinem Wagen – einem kotzgelben Haufen Schrott, der mich daran erinnerte, dass ich meinen geliebten Viertürer hatte verkaufen müssen, weil das Geld sonst nicht gereicht hätte.
Ich legte meinen Rucksack auf den Beifahrersitz ab, und nach dem üblichen Widerstand des Wagens und meinem Ritual des guten Zuredens sprang der Motor an. Während ich in Tallaght durch leere Straßen vom Industriepark in Richtung M50 fuhr, fragte ich mich, wie lange ich dieses Spiel des allmählichen Niedergangs noch spielen konnte.
Das neue Jahrhundert war nicht gut zu mir. Im letzten hatte ich mehr Geld gehabt, als ich gebraucht hätte. Aber mit meiner Ankunft in Dublin, abgeschnitten von fast allem, hatte ich nur von dem leben müssen, was mir geblieben war.
Als Schwarze Frau, am Akzent leicht als Amerikanerin zu erkennen, war meine Irland-Erfahrung eine der Fremdheit gewesen. Die Iren waren überwiegend freundlich zu mir, aber auch neugierig. Ich hatte lernen müssen, nicht viel zwischen mir und anderen entstehen zu lassen. Ich ging nicht mehr aus, wie ich es in den frühen 1920ern in New York mit Sema noch gerne getan hatte, oder mit ihren Vertrauten in den 1970ern in und um Seattle und Vancouver. All das war vorüber. Semas Vertraute waren fort, die wenigsten von ihnen dürften die Angriffe unserer Feinde überlebt haben – und falls doch, sind sie nun uralt und sehen ihrem Ende entgegen.
Das Altern ist eine Last, von der Sema mich befreite, indem sie mich zu einer Gargoyle machte. Aber was nützte es mir, nicht mehr zu altern, wenn ich einsam war und jedes Sichtbarmachen meiner selbst die Gefahr barg, dass dadurch auch Sema sichtbar wurde.
Glenn und die anderen kannte ich nur von der Arbeit. Es gab keine Überschneidung mit meinem Privatleben. Und bei den Leuten in meiner Straße, den Ladenbesitzern und bei den anderen Menschen, auf die ich immer wieder traf, achtete ich darauf, dass ich sie viel über sich selbst reden ließ, ich aber nur Unverfängliches von mir preisgab.
Die Neugier der Menschen zu befriedigen fiel mir leicht. Anders als die Schwarzen Iren war ich fremd in diesem Land und beantwortete gerne, woher ich kam und wie mein Leben in den USA gewesen war. Dabei merkte niemand, dass ich einen Teil meiner Erfahrungen aus dem 19. aufs 20. und 21. Jahrhundert übertrug.
Egal, wie gut ich darin war, das Gespräch vom Kern meines Wesens und meiner Erfahrung fernzuhalten, früher oder später würde irgendjemand merken, dass ich nicht alterte. Irgendwann würde ich auf die Verbindungen zurückgreifen müssen, die mir mit neuen Papieren eine neue Identität bescherten – ein neues Geburtsdatum.
Anders als Sema konnte ich mein menschliches Äußeres nicht nach Belieben anpassen. Mein menschlicher Körper sträubt sich gegen jede Veränderung. Schneide ich mir das Haar ab, wird es binnen Tagen nachwachsen. Nur in meiner Steingestalt kann ich mein Aussehen ein wenig verändern, habe es dabei aber nie so weit gebracht wie manche meiner Geschwister, die sich in alle möglichen Formen verwandeln können.
Offiziell war ich damals Anfang vierzig, sah aber auch da aus wie Mitte Zwanzig. Mein natürliches Haar verbarg viel meines Gesichtes. Dennoch würde ich die Leute, die mich kannten, nicht ewig täuschen können. Die Frage war: Durfte ich die alten Verbindungen nutzen – wie das letzte Mal vor einundzwanzig Jahren? Jeder der alten Kontakte barg die Gefahr, dass unsere Feinde uns auf die Spur kamen.
Aber selbst, wenn ich das Wagnis einging, konnte ich diese Kontakte nur gegen Bezahlung nutzen. Und an Geld mangelte es mir seit Jahren. Das erinnerte mich an die bitteren Jahre, ehe meine Eltern Sema gefunden hatten. Ich hatte in schlimmster Armut begonnen und fürchtete nun, dort wieder zu enden.
Trotz der nachtstillen M50, von der ich nach einer Weile auf die ebenso ruhige R148 abfuhr, hielt ich mich an die Geschwindigkeitsbegrenzung. Jede noch so kleine Abweichung mochte die Polizei oder irgendwen sonst auf mich aufmerksam machen. Der alte Wagen mit seiner unmöglichen Farbe stach schon genug hervor.
Damals, als Sema und ich noch menschliche Vertraute gehabt hatten, die alles für uns regelten, war ich nur selten einmal aus meinem Statuenschlaf