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Gehirn von Larik. »Das Aderngeflecht ist, wie sie hier sehen können, blau eingefärbt, die Medulla grau und der Cortex weiß. Das umgebende ektodermale Gewebe ist dieser gelbe Bereich. Ein Tiefenscan hat ergeben, dass in der ektodermalen Struktur von Lieutenant Larik eine dysplastische-blastomatöse Entwicklungsstörung gewachsen ist.«

      »In verständlicher Sprache bitte, Doktor.«

      Petrova runzelte die Stirn, verzichtete aber auf einen entsprechenden Kommentar. »Natürlich. Ich konnte mittlerweile eine Autopsie von Captain Bowman durchführen. Kurz vor deren Tod kam es zu einem rapiden neurologischen Verfall. Ihre Nervenbahnen haben sich destabilisiert. Es sieht fast so aus, als hätte etwas versucht, Teile ihres Gehirns umzustrukturieren.«

      »Aber wie zur Hölle ist so etwas möglich?« Wütend schlug er mit der Faust auf den unteren Teil des Holotanks, den Holodesk, worauf die Holografie kurz waberte, sich dann aber unbekümmert weiter drehte. »Alpha 365 hat den optischen Datenstrom des Sicherheitskanals ausgewertet. Viel ist leider nicht mehr übrig. Aber wir können ziemlich sicher sagen, dass niemand an Bord kam.«

      »Ich gehe auch nicht davon aus, dass es ein Lebewesen in unserem Sinne war. Eher ein Virus. Eine biologische Waffe oder Ähnliches.«

      »Die Biofilter der PROTECTOR verzeichneten keinerlei bekannte oder unbekannte Erreger. Ein Nano-Erreger kann unmöglich in die Schiffsatmosphäre gelangt sein.«

      »Was auch immer geschah – und vielleicht irre ich mich auch, was die Natur des Problems angeht -, Lieutenant Larik hat nur aus einem einzigen Grund überlebt: Er ist Marsianer.«

      »Auf diese Erklärung bin ich gespannt.«

      »Die Physiologie der Marsianer unterscheidet sich grundlegend von unserer. Ich muss hierfür kurz ausholen und auf geschichtliche Fakten zurückgreifen.« Erst als Jayden ihren fragenden Blick mit einem Nicken beantwortete, fuhr Petrova fort: »Als der Mars besiedelt wurde, steckte die Raumfahrt noch in den Kinderschuhen. Als die erste Abhängigkeit zur Erde überwunden war und die Biosphärenkuppeln standen, wollte der Mars seine Freiheit.«

      »Sie spielen auf die Freeman-Diktatur an?«

      Petrova nickte. »Er übernahm die Kolonie, isolierte sie von der Erde und errichtete seine Diktatur. Bedenken Sie, das war im Jahre 2064. Trotzdem ist er uns heute noch als einer der furchtbarsten Diktatoren bekannt. Warum?«

      »Die genetischen Experimente.« Jayden fixierte das 3D-Hologramm. »Ist Larik ein Nachfahre der Verlorenen Kinder?«

      Petrova nickte. »Freeman ließ keiner Frau auf dem Mars eine Wahl. Riesige Zentren zur künstlichen Befruchtung wurden aufgebaut, und Sie wissen, dass er die Föten während der Schwangerschaft seinen furchtbaren Experimenten unterzog. Als die Kinder geboren wurden, nahm er sie den Eltern weg, um sie isoliert aufwachsen zu lassen und zu beobachten.«

      »Ich habe alte 3D-Dokumentationen gesehen.« Eine Gänsehaut überzog seine Arme. »Als die ersten Befreiungstruppen landeten, sah es richtig übel aus. Seine Getreuen nahmen sich das Leben, die Datenbanken wurden gelöscht. Die meisten der Kinder verschwanden spurlos. Selbst als die Erdregierung den Zwang zur DNA-Speicherung einführte, gelang es den Mistkerlen, die überlebt hatten, sie zu verstecken.«

      »Oder sie wurden umgebracht, damit die Loyalität ihrer ‚Eltern‘ zum alten Regime nicht offenbar wurde. Ein grausames Kapitel der menschlichen Geschichte. Eines von vielen. Aber für den vorliegenden Fall von eklatanter Bedeutung. Lieutenant Larik ist definitiv Nachfahre eines Verlorenen Kindes. Aufgrund dieser Tatsache konnte er überleben. Während dieser unbekannte Virus – oder was auch immer es war – bei der übrigen Besatzung im Hirn wütete, konnte es das bei unserem Lieutenant nicht. Stattdessen setzte eine Wucherung des ektodermalen Gewebes ein. Die Viren stürzten sich darauf und wurden davon eingeschlossen – in einfachen Worten ausgedrückt.«

      Jayden riss die Augen auf. »Sie wollen damit sagen, dass diese vielen roten Markierungen Wucherungen sind?«

      Petrova nickte. »Die ihn retteten. Leider hätten sie ihn auch beinahe getötet. Ich habe versucht, meinerseits programmierte Naniten einzuschleusen, die die Wucherungen wieder beseitigen. Leider hat dies zu weiteren Wucherungen geführt.«

      »Wird er sterben?«

      »Das wird er nicht«, sagte Petrova entschlossen. »Wissen Sie, es gab eine Zeit, in der in der Medizin noch keine Nano-Technik eingesetzt wurde. Man verwendete Laser, um den Körper des Patienten zu öffnen und die Probleme händisch zu beseitigen.«

      »Eine steinzeitliche Methode.«

      »In der Tat. Aber im vorliegenden Fall die einzige Option.«

      »Sie wollen seinen Kopf aufschneiden!« Jayden konnte es kaum glauben. »Es muss eine andere Möglichkeit geben, Doktor. Diese Methoden sind nicht nur veraltet, sie führten auch oftmals zum Tod des Patienten.«

      »Was Sie nicht sagen. Ich lerne doch immer wieder gerne hinzu.« Sie schenkte ihm einen grimmigen Blick. »Aber weitere Diskussionen sind nicht notwendig. Die Operation ist bereits durchgeführt«, sagte die Ärztin. Auf eine Berührung der 3D-Holografie wurde das Abbild von Larik aktualisiert. »Wie Sie sehen, konnte ich alle Wucherungen beseitigen.«

      Jayden wollte sich lieber nicht ausmalen, wie diese Prozedur vonstattengegangen war. Andererseits war Doktor Petrova – wie sie dadurch bewiesen hatte – eine fähige Ärztin. Larik war am Leben.

      »Der Stasetank hat die Heilung von Haut und Gewebe durch Bestrahlung abgeschlossen. Er wird gleich erwachen.«

      Ein Schritt brachte Jayden an den Stasetank heran. Der Kopf von Larik war kahl, ansonsten merkte man ihm den Eingriff nicht an. Was würde der Marsianer ihnen erzählen?

      *

      Nach und nach sprangen die Anzeigen auf grün. Der Stasetank führte die Erweckungsprozedur durch. Jayden fühlte das wohlbekannte Jucken auf seinem rechten Handrücken. Das vernarbte Gewebe machte sich bemerkbar, wie immer vor wichtigen Ereignissen.

      »Alle Werte sind stabil«, sagte Doktor Petrova. »Das sieht gut aus.«

      Mit einem Zischen öffnete sich das Schott zur Krankenstation und Doktor Tauser trat ein. Der Schiffspsychologe sollte dabei sein, wenn Lieutenant Larik die Augen aufschlug. Danach würde er die psychologische Betreuung übernehmen.

      »Jay«, grüßte er den Captain mit einem Nicken.

      Da sie beide sich von Kindesbeinen an kannten, hatte Jayden schnell darauf verzichtet, gegenüber Janis das Protokoll einzuhalten. Immerhin war das sein Schiff, da nahm er sich eine solche Freiheit heraus.

      »Doktor Tauser, Sie kommen gerade richtig«, sagte Petrova, nachdem auch sie den Psychologen begrüßt hatte. »In einigen Augenblicken werden wir hoffentlich wissen, was dieses Debakel auf der PROTECTOR ausgelöst hat.«

      »Bitte bedenken Sie, was Lieutenant Larik erlebt haben muss.« Janis warf einen Blick auf den Marsianer, in dessen Gesicht langsam die Farbe zurückkehrte. »Es würde mich wundern, wenn es so einfach wird.«

      »Pessimist«, sagte Jayden.

      »Realist«, konterte Janis. »Aber wir werden es ja gleich wissen.«

      Mit einem weichen Surren fuhr die Verkleidung des Stasetanks in die Wand. Während Doktor Petrova die Anzeigen des Tanks im Auge behielt, stand ein Paramedic mit einer mobilen Medikamenteneinheit bereit.

      Zuerst stieß Larik ein Keuchen aus, dann flatterten seine Lider. Er öffnete die Augen. Gehetzt blickte er auf Doktor Petrova, die den Scanner wegnahm und ein Lächeln aufsetzte.

      »Sie sind in Sicherheit«, begann Janis mit ruhiger Stimme zu sprechen. »Sie befinden sich an Bord der HYPERION. Dies ist die Krankenstation.«

      Es bereitete dem Lieutenant sichtlich Schwierigkeiten, eine Panik zu unterdrücken. »In Sicherheit? Fliegen wir ins SOL-System?«

      Jetzt war es an Jayden, in das Gespräch einzugreifen. »Ich bin Captain Cross, Lieutenant.

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