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hielt das für eine Ausrede. Sie sah den Mann im Mond jede Nacht, wenn der Mond schien und sie durch ihr Dachfenster blickte. Manches Mal zwinkerte er ihr sogar zu. Da war sie sich sicher.

      So ging das einige Jahre. Auch als Chantal bereits zehn Jahre alt war, hatte sie den Wunsch nicht aufgegeben. Mittlerweile hatte sie so viele Spielsachen und andere Dinge, dass sie außer dem Besuch vom Mann im Mond keinen anderen Wunsch mehr hatte. Mittlerweile war sie auf ihre Eltern nicht mehr gut zu sprechen, sie wurde jeden Tag wütender. Was fiel ihren Eltern ein? Jahrelang hatten sie ihr jeden Wunsch erfüllt, und jetzt sollte sie nicht einmal Besuch von Mann im Mond bekommen?

      Obwohl Chantal erst 10 war, entschloss sie sich, dass sie bei solchen Eltern nicht mehr leben wollte. Sie wollte sich alleine auf den Weg machen. Irgendwie musste es ja möglich sein, zum Mann im Mond zu kommen, wenn dieser schon nicht zu ihr kam. Vielleicht konnte sie ja bei einer Hexe auf dem Besen mitfliegen? Oder vielleicht konnte sie irgendein Zauberer auf den Mond zaubern? Sie packte ein paar der Dinge zusammen, die ihr wichtig waren, und lief los. Immer geradeaus. Sie hatte selbst keine Ahnung, wohin sie wollte. Als sie einige Zeit gelaufen war, kam sie in einen Wald. Ein bisschen Angst hatte sie ja schon, immerhin wusste sie aus den Märchen, die ihr ihre Mutter immer vorgelesen hatte, dass es im Wald Wölfe, Hexen, Trolle und allerlei andere gefährliche Gestalten gab.

      Es dauerte auch nicht lange, da kam ein Troll vorbei. Als Chantal diesen Troll sah, musste sie sich fast übergeben. Ein so schreckliches Wesen, das noch dazu so fürchterlich stank, hatte sie noch nie gesehen. Der Troll versuchte, immer näher zu Chantal zu kommen. Chantal wich zurück. Trotzdem kam der Troll näher und näher.

      Im allerletzten Moment wurde Chantal von irgendjemandem weggezogen. Dieser Jemand griff sie am Kragen ihrer Jacke und zog sie weg vom Troll. Chantal schrie, weil das so unerwartet geschah.

      Als sich ihr Schreck gelegt hatte, sah sie, dass sie in einem Schlitten saß, der von einigen Rentieren gezogen wurde, von denen eines eine süße rote Nase hatte. Im Schlitten selbst saß, direkt neben ihr, ein alter Mann mit rotem Mantel und einem langen weißen Bart.

      Chantal war erstaunt und fragte: „Bist du ...bist du ... bist du wirklich, also ganz in echt der Weihnachtsmann?“

      Der alte Mann lachte: „Hohoho, ja, Chantal, der bin ich und ich möchte dir etwas zeigen.“

      Chantal war sehr erstaunt, denn damit hatte sie nicht gerechnet, und da gab der Weihnachtsmann seinen Rentieren auch schon das Zeichen, sich in die Lüfte zu erheben.

      Chantal hatte ein bisschen Angst, fliegen mochte sie nicht. Wenn sie daran dachte, mit wem sie durch die Lüfte flog, dann waren ihre Ängste jedoch sogleich verflogen.

      Bald schon landeten sie am Nordpol, direkt vor der Werkstatt des Weihnachtsmanns. Überall liefen die Elfen geschäftig hin und her, und eine Elfe mit einer besonderen Mütze rief, als sie den Schlitten sah, durch ein Megafon: „Der Chef kommt, Achtung bitte, der Chef kommt.“

      Der Weihnachtsmann und Chantal stiegen vom Schlitten ab und der Weihnachtsmann zeigte Chantal alles. Überall hingen Schilder mit den Ländern der Welt und darunter waren die Wunschzettel der Kinder aus den jeweiligen Ländern angebracht.

      Chantal sah sich alles an und war erstaunt. Da standen ganz unterschiedliche Wünsche auf den Zetteln. Bei den afrikanischen Ländern stand auf manchen Zetteln

      Ich möchte nie mehr Hunger haben und bei vielen europäischen Ländern standen auf dem Wunschzettel eher Smartphone, Playstation oder auch mal viel Geld.

      Chantal fragte den Weihnachtsmann, wieso da so verschiedene Sachen auf den Zetteln stehen würden. Der Weihnachtsmann erklärte ihr, dass es nicht jedem Kind in jedem Land gleich gut gehen würde und deswegen wünschen sich manche Kinder eben, nicht mehr hungern zu müssen, während andere gar nicht wussten, was Hunger überhaupt ist.

      Chantal fand das alles andere als gerecht, aber so war es wohl nun einmal. Sie fragte den Weihnachtsmann: „Und warum hast du mich vor dem Troll gerettet und zeigst mir deine Werkstatt?“

      Der Weihnachtsmann antwortete: „Weil ich dir zeigen möchte, dass die Wünsche der Kinder sehr unterschiedlich sind und auch ich nicht alle erfüllen kann. Du hast deinen Wunsch nach dem Besuch vom Mann im Mond, den werde ich dir leider auch nie erfüllen können. Dafür werde ich dir und vielen anderen Kindern aber auch dieses Jahr viel Freude bringen indem ich genau das liefere, was sie gerade am meisten brauchen. Jetzt wird es aber Zeit für dich zu gehen, frohe Weihnachten.“ Mit diesem letzten Satz strich er über Chantals Augen, die sofort einschlief.

      Als sie die Augen wieder öffnete und aus der Dachluke sah, sah sie wieder den Mann im Mond und hoffte immer noch, dass er sie eines Tages besuchen würde. Wenn nicht, wäre das aber auch nicht schlimm.

      Und hatte sie heute Nacht wirklich den Weihnachtsmann getroffen? Gab es ihn etwa wirklich? Sie wusste nicht so recht, ob sie nur geträumt hatte oder ob das alles tatsächlich so passiert war. Allerdings lag neben ihr eine Elfenmütze, und sie grübelte die ganzen Weihnachtsfeiertage, wie diese Elfenmütze nur auf ihren Nachttisch gekommen sein konnte.

      Susanne Weinsanto wurde 1966 in Karlsruhe geboren, lebt heute dort in der Umgebung und hat schon immer gerne Geschichten geschrieben.

      *

      Jacks erster Flug

      „Heute Abend geht es wieder los“, sagte die Rentierdame Betty, die das Rudel vor dem Schlitten anführte. „Wir werden zehnmal fliegen, um die Geschenke zu verteilen. Wer wann fliegt, steht auf der Liste, die vor der großen Halle ausgehängt wurde.“

      Die kleinen Rentiere rannten sofort los, auch Jack. Denn jeder wünschte sich, endlich mitfliegen zu dürfen. Es war der erste Schritt, dass man nicht mehr zu den Kleinsten gezählt wurde. Aber die Aussicht, einen der begehrten Plätze zu ergattern, war gering. Denn pro Schlitten war nur ein junges Rentier erlaubt.

      Als Jack am Aushang angekommen war, liefen einige Rentiere, mit denen er das Ziehen eines Schlittens zusammen gelernt hatte, mit traurigen Gesichtern wieder weg. Jack drängelte sich nach vorne und überflog die Liste: Pico, Dalia, Amigo, Jack, Luna, Elliot ... Jack? Er starrte auf seinen Namen, und als er realisierte, was das bedeutete, bildete sich ein Lächeln auf seinen Lippen.

      Als er kurz vor Mitternacht in die große Halle kam, war der Schlitten bereits fertig beladen. Ein paar Rentiere waren schon da, und als alle vollzählig waren, legten die Engel den Rentieren die Zügel an. Jack trat von einem Bein aufs andere und beobachtete die anderen Rentiere, die sich konzentrierten. Als Betty die Zügel umhatte, liefen sie langsam los.

      Der Schlitten war schwerer als bei den Übungen und Jack musste seine ganze Kraft einsetzen, um vorwärtszukommen. Als sie ins Freie traten, leuchtete die Startbahn und über ihnen die Sterne. Wie lange hatte er auf diesen Moment gewartet? Wie oft hatte er den Start in den letzten Jahren geübt? Und so sehr er sich auch freute, genauso viel Angst hatte er. Denn sein Lehrer hatte sie immer wieder daran erinnert, dass der Fehler eines Einzelnen gefährlich und teuer werden kann. Im Rudel muss sich jeder auf den anderen verlassen können.

      „Mein Rudel, ich wünsche uns einen guten Flug“, ertönte die Stimme des Nikolaus. „Und Jack, zeig uns, was du in den letzten Jahren gelernt hast.“

      Jack versteifte sich augenblicklich. Er war sich seiner Aufgabe zwar bewusst. Aber der Nikolaus persönlich hatte ihn für sein Rudel ausgewählt. Das bedeutete, der Nikolaus war davon überzeugt, dass Jack seine Aufgabe gut machen würde. Aber wenn er versagte, würden nicht nur die Kinder keine Geschenke bekommen und das Vertrauen in den Nikolaus verlieren, sondern Jack würde auch das Vertrauen des Nikolaus verlieren. Er würde nie wieder einen Schlitten ziehen dürfen.

      „Los geht’s!“, rief Betty an der Spitze des Rudels. Alle rannten los und je schneller sie wurden, umso leichter wurde der Schlitten. Kurz vor Ende der Startbahn erhoben sie sich in die Lüfte und sofort zog die Last des Schlittens wieder an seinem Körper. Doch Jack nahm seine ganze Kraft zusammen und zog den Schlitten hinauf. Als sie die Flughöhe erreicht hatten, atmete er erleichtert auf.

      „Gar

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