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be­stürzt auf der Schwel­le zeig­te, den Ku­chen in der einen Hand hal­tend, das Mes­ser in der an­de­ren, so schi­en sich al­les um ih­ren Gat­ten zu scha­ren, wie um ihn um Schutz zu bit­ten.

      So ver­gin­gen Jah­re. Nie­mand woll­te mehr den Ku­chen schnei­den, aber im­mer noch such­te sie, die man ga­lan­ter Wei­se im­mer noch die »schö­ne Frau An­ser­re« nann­te, aus al­ter Ge­wohn­heit mit fle­hen­den Bli­cken einen Er­ge­be­nen, der das Mes­ser er­grif­fe – und je­des Mal ent­stand die­sel­be Be­we­gung im Um­krei­se: so­bald die ver­häng­nis­vol­le Fra­ge auf ihre Lip­pen trat, be­gann eine all­ge­mei­ne ge­schick­te Flucht vol­ler Lis­ten und Ma­nö­ver.

      Ei­nes Abends nun wur­de ein blut­jun­ger Mensch, ein »rei­ner Tor«, bei Frau An­ser­re ein­ge­führt, dem das Ge­heim­nis des Ku­chens noch un­be­kannt war. Als nun der Ku­chen er­schi­en und Ma­da­me An­ser­re Plat­te und Back­werk aus den Hän­den des Die­ners nahm, blieb er ru­hig in ih­rer Nähe. Vi­el­leicht glaub­te sie, er wüss­te be­scheid und kam lä­chelnd und mit be­weg­ter Stim­me auf ihn zu.

      – Wol­len Sie die Lie­bens­wür­dig­keit ha­ben, lie­ber Herr, und die­sen Ku­chen auf­schnei­den?

      – Aber ge­wiss, gnä­di­ge Frau, mit dem größ­ten Ver­gnü­gen! er­wi­der­te die­ser, ent­zückt über die Ehre, die ihm zu­teil ward, zog die Hand­schu­he aus und be­gann eif­rig zu schnei­den.

      Fern in den Ecken der Gal­le­rie er­schie­nen im Rah­men der Tür, die nach dem Land­wirt­schaft­li­chen Zim­mer ging, ein paar ver­blüff­te Ge­sich­ter. Dann, als man sah, dass der Neu­ling un­ver­zagt drauf los­schnitt, kam al­les schnell nä­her.

      Ein al­ter, spaß­haf­ter Dich­ter schlug dem Neu­be­kehr­ten lus­tig auf die Schul­ter.

      – Bra­vo, jun­ger Mann! sag­te er ihm ins Ohr.

      Al­les blick­te ihn neu­gie­rig an; selbst der Gat­te schi­en über­rascht. Und er selbst wun­der­te sich über die be­son­de­re Be­ach­tung, die ihm plötz­lich von al­len Sei­ten zu­teil wur­de; vor al­lem konn­te er sich nicht er­klä­ren, warum ihn die Her­rin des Hau­ses durch aus­ge­spro­che­ne Zu­vor­kom­men­heit, au­gen­schein­li­che Gunst­be­zeu­gun­gen und eine Art stum­mer Dank­bar­keit aus­zeich­ne­te. Schließ­lich aber hat er es doch be­grif­fen.

      Wann und wo ihm die­se Of­fen­ba­rung kam, ist un­be­kannt; aber als er am nächs­ten Abend wie­der er­schi­en, mach­te er einen et­was be­tre­te­nen, fast ver­schäm­ten Ein­druck und blick­te un­ru­hig um sich. Als die Tee­stun­de schlug und der Die­ner er­schi­en, er­griff Ma­da­me An­ser­re mit hol­dem Lä­cheln die Plat­te und such­te ih­ren jun­gen Freund mit den Au­gen. Er war aber so schnell ent­flo­hen, dass er nicht mehr zu se­hen war. Da stand sie auf und ging ihm ent­ge­gen. Sie fand ihn bald in der äu­ßers­ten Ecke des Land­wirt­schaft­li­chen Zim­mers. Er hat­te sei­nen Arm in den ih­res Gat­ten ge­legt und drang ängst­lich in ihn, wel­che Mit­tel zur Ver­til­gung der Re­blaus die bes­ten wä­ren.

      – Mein lie­ber Herr, kam Ma­da­me An­ser­re an, wür­den Sie so lie­bens­wür­dig sein, die­sen Ku­chen zu schnei­den?

      Er wur­de rot bis an die Ohren, stot­ter­te ein paar Wor­te und ver­lor den Kopf. Herr An­ser­re er­barm­te sich sei­ner und wand­te sich zu sei­ner Frau.

      – Mei­ne Teu­ers­te, sag­te er, es wäre sehr schön, wenn du uns nicht stö­ren woll­test: wir spre­chen über Land­wirt­schaft. Lass den Ku­chen doch von Bap­tist schnei­den.

      Seit dem Tage schnitt kein Mensch mehr den Ku­chen im Hau­se An­ser­re.

      *

      Die Küs­te von Diep­pe bis Le Ha­vre bil­det ein un­un­ter­bro­che­nes Steilufer von etwa hun­dert Me­ter Höhe, das senk­recht wie eine Mau­er zum Mee­re ab­fällt. Von Zeit zu Zeit wird die­se star­re Fels­li­nie plötz­lich un­ter­bro­chen, und ein klei­nes, en­ges Tal mit stei­len Hän­gen, die mit kur­z­em Gras und Meer­bin­sen be­deckt sind, kommt von der be­bau­ten Hoch­flä­che her­ab und mün­det schlucht­ar­tig, wie das Bett ei­nes Gieß­bachs, in das Ufer­ge­röll. Die­se Tä­ler sind von der Na­tur selbst ge­schaf­fen. Ihre Rän­der sind von den Ge­birgs­bä­chen ge­höhlt, wel­che die Res­te des ste­hen­den Ho­chu­fers fort­ge­spült und den Was­sern ein Bett bis zum Mee­re ge­gra­ben ha­ben, das den Men­schen jetzt als Weg dient. Bis­wei­len klemmt sich ein Dorf in den en­gen Tal­kes­sel, in dem der vol­le See­wind sich fängt.

      Ich habe einen gan­zen Som­mer in ei­nem die­ser Küs­ten­ein­schnit­te ver­bracht; ich wohn­te bei ei­nem Bau­ern, des­sen Haus der See zu­ge­kehrt lag, so­dass ich von mei­nem Fens­ter aus zwi­schen den grü­nen Tal­hän­gen ein großes Drei­eck dun­kelblau­en Was­sers er­blick­te, das oft von wei­ßen Se­geln wim­mel­te, die von der Son­ne ge­trof­fen in der Fer­ne vor­über­zo­gen.

      Der Weg zum Mee­re lief auf der Soh­le der Schlucht und ver­sank dann plötz­lich zwi­schen zwei senk­rech­ten Mer­gel­wän­den wie ein tie­fein­ge­schnit­te­nes Ge­lei­se, um als­dann auf einen schö­nen Kies­platz zu mün­den, des­sen Stei­ne durch das Jahr­hun­der­te lan­ge Spiel der Wo­gen ku­gel­rund ab­ge­schlif­fen und po­liert wa­ren. Die­se tie­fe Hoh­le hieß der »Schä­fer­sprung«. Die Ge­schich­te, der sie ih­ren Na­men ver­dankt, ist fol­gen­de.

      *

      Frü­her, so sag­te man mir, herrsch­te in die­sem Dor­fe ein jun­ger fa­na­ti­scher und ge­walt­tä­ti­ger Pries­ter. Voll Hass auf alle, die nach den Na­tur­ge­set­zen und nicht nach den Ge­set­zen sei­nes Got­tes leb­ten, war er aus dem Se­mi­nar ge­kom­men. Er war von un­beug­sa­mer Stren­ge ge­gen sich selbst und von un­ver­söhn­li­cher Un­duld­sam­keit ge­gen an­de­re. Ei­nes vor al­lem er­füll­te ihn mit Wut und Ab­scheu: die Lie­be. Hät­te er in Städ­ten, im Scho­ße der raf­fi­nier­ten Kul­tur­mensch­heit ge­lebt, wel­che die bru­ta­len Akte, die uns die Na­tur ge­bie­tet, in den zar­ten Schlei­er des Ge­fühls und der Zärt­lich­keit zu hül­len weiß, hät­te er im Halb­schat­ten der großen, ele­gan­ten Kir­chen­schif­fe im Beicht­stuhl ge­ses­sen und die duf­ten­den Sün­de­rin­nen ge­hört, de­ren Ver­ge­hen sich durch die An­mut ih­res Fal­les und die idea­le Ein­klei­dung der höchst ma­te­ri­el­len Umar­mung zu mil­dern scheint, so wäre jene ra­sen­de Em­pö­rung, jene zü­gel­lo­se Wut viel­leicht nicht über ihn ge­kom­men, wenn er der un­sau­be­ren Umar­mung des Ge­sin­dels im Schlamm ei­nes Stra­ßen­gra­bens oder auf dem Stroh ei­ner Scheu­ne ge­gen­über­stand.

      Er hielt sie durch­aus für Vieh, die­se Men­schen, wel­che die Lie­be nicht kann­ten, und sich nach Art der Tie­re ver­ei­nig­ten; er hass­te sie we­gen ih­rer See­len-Roh­heit, we­gen der eklen Be­frie­di­gung ih­rer Lust, we­gen der wi­der­li­chen Freu­de, die sie noch als Grei­se emp­fan­den, wenn sie von die­sen Din­gen spra­chen.

      Vi­el­leicht auch ward er selbst wi­der Wil­len von un­ge­still­ten Ge­lüs­ten ge­pei­nigt und durch den Kampf sei­nes keu­schen, aber des­po­ti­schen Geis­tes mit sei­nem wi­der­späns­ti­gen Kör­per dumpf ge­quält.

      Denn al­les, was auf das Fleisch Be­zug hat­te, em­pör­te ihn, brach­te ihn au­ßer sich, und sei­ne wil­den Pre­dig­ten vol­ler Dro­hun­gen und wü­ten­der An­spie­lun­gen rie­fen das höh­ni­sche La­chen der Dir­nen und Bur­schen her­vor, die sich durch die Kir­che hin ver­stoh­le­ne Bli­cke

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