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       Tutorial für E-Tod-Newbies: Geld und Guthaben

      Leider haben Verstorbene wie Sie keinen Zugriff auf gewöhnliche Bankkonten. Solche Einlagen sind Ihren Erben zugefallen. Sicher haben Sie vor Ihrem Ableben Ihr gesamtes Kapital in Kryptowährung umgewandelt, denn dieses Konto ist mit Ihrem persönlichen Passwort gesichert, das nur Sie kennen und niemand im Reallife. Alle Dienstleistungen von e-tot.de und unseren Partnern können gebührenfrei in LifeCoins bezahlt werden, der Umtausch in US-Dollar oder Euro ist jedoch zum jeweils aktuell gültigen Wechselkurs ebenfalls möglich. Für Verluste jeglicher Art ist e-tot.de nicht verantwortlich, alle Angaben ohne Gewähr.

      ELISABETH1

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      »Voller Hoffnung« – man kann das goldgefasste Schild am Eingangstor des Geländes nur als blanken Hohn auffassen. Denn in dem grauen Betonkomplex in einem vergessenen Industriegebiet außerhalb von Kassel residiert ein Hospiz.

      Ein Übergang zwischen Diesseits und Jenseits, der Anfang vom Ende; ein Ort, den nur Pflegekräfte, Bestattungsunternehmer und gelegentliche Besucher lebendig wieder verlassen. Noch nicht ganz der Styx, aber sicher so nah dran, dass man ihn in einer stillen Nacht leise plätschern hören kann.

      Wer hier auf sein Ende wartet, kann nur hoffen, dass er keine Schmerzen verspürt und der Tod nicht mitten während einer spannenden Fußballübertragung eintritt.

      Wenn gerade kein Sport läuft, sitzen oder liegen die Patienten vor ihren Konsolen, um ihre Scans zu optimieren, denn die meisten möchten im E-Tod sie selbst sein und nicht bloß blasse Kopien. Rührige Praktikanten verschiedener Dienstleister unterstützen die zumeist älteren Herrschaften bei der Bedienung der Geräte – ein Service, der zumindest bei seriösen Anbietern im Preis inbegriffen ist.

      So gilt für die meisten hier: zum Vordereingang rein, durch die Glasfaserleitung wieder raus.

      In Zimmer 213 lebt Elisabeth.

      Noch.

      Sie ist 97, die Metastasen drücken auf die Organe und Gelenke, laufen kann sie längst nicht mehr.

      »Meine Karre ist in der Werkstatt«, sagt der schlaksige Typ mit dem YourBackup-Poloshirt, als er Elisabeths Zimmer betritt.

      »Und deshalb kommst du eine geschlagene Stunde zu spät«, kommt die gebrummte Antwort von dem kleinen, dicklichen Typ, der ebenfalls ein YourBackup-Poloshirt trägt.

      Der Stoff der Shirts ist zartrosa, das Logo weiß und schon leicht verwaschen. Elisabeth findet den dicklichen Typ nett, er hat ihr vorhin einen Kaffee geholt, weil sich mal wieder kein Pflegepersonal blicken ließ, der Krankenstand ist hoch.

      »Ich sag dir, Bus und Bahn! Alter! Nee.« Der Schlaksige – Oberlippenbart, Halbglatze, dunkelblond – macht den Eindruck, dass er sich aus lauter Verzweiflung über den Zustand des öffentlichen Personennahverkehrs gleich selbst backuppen wird.

      »Du solltest dein Praktikum ernster nehmen, Ben«, mahnt der Dickliche. »Fahr den Scanner hoch und check die Kalibrierung.«

      »Aye, aye, Sir.« Der Praktikant öffnet einen Metallkoffer, zieht ein buntes Kabelgewirr hervor und seufzt. »Dauert ’ne Minute …«

      »Junge«, sagt der Dickliche, »nicht alle in diesem Raum haben beliebig viel Zeit.« Er wirft Elisabeth einen vielsagenden Blick zu. »Frau, äh …« Der Mann tastet seine Hosentaschen ab, erfolglos. »Wir scannen heute Flavor und Monkeys. Es wird Ihnen gefallen.«

      »Sehr freundlich«, bringt Elisabeth hervor. So ähnlich würde sie sicher auch den Vorschlag des Fährmanns beantworten, sie zur anderen Seite überzusetzen.

      Don’t Pay the Ferryman!, schießt es ihr durch den Kopf. Sie nimmt sich vor, sich beizeiten an Chris de Burghs Empfehlung zu halten.

      Die Stimme des dicklichen Mitarbeiters von YourBackup reißt sie aus ihren wirren Popkultur-Erinnerungen: »Sie kennen ja schon unsere Videobrille. Sie tragen sie, um sich ausschließlich auf die Bilder konzentrieren zu können, die wir Ihnen zeigen. Das sind heute Nahrungsmittel, Haustiere und so weiter. Der Scanner misst Ihre Reaktion und zeichnet alles auf. So wird Ihr Profil für die spätere Simulation immer weiter ausgebaut. Klar so weit?«

      »Ja, danke«, entgegnet Elisabeth dünn. Sie spürt, dass das Morphium ihre Sinne benebelt. Unter seiner samtenen Decke pulsiert der notdürftig betäubte Schmerz.

      Als die Männer ihr die Brille überziehen, wird ihr schwindlig, weil sie keine Orientierung mehr hat. Alles ist schwarz, wie ein Blick in ihre Zukunft.

      Elisabeth ist in schwierigen Zeiten aufgewachsen, tief im Ruhrpott. Lange nach der letzten Grubenfahrt fand ihr Mann endlich Arbeit in Hessen. Irgendwann sind die Kinder weggezogen, und Reinhard, ihr Mann, erlebte genau ein Jahr seiner Rente, bevor er starb. Das war vor der Erfindung der Auferstehung im Internet, und niemand hat sich je die Mühe gemacht, zu versuchen, aus den spärlichen Erinnerungen an ihn einen Sim zu konstruieren. Im Grunde war es Elisabeth ganz recht, sie vermisste ihn … na ja, um ehrlich zu sein: selten.

      Ihre Verwandten haben sie kürzlich überredet, ihren Tod auf Isla Dorada zu verbringen, allen voran Leo, ihr Enkel. Richtiggehend geschwärmt hat er von jener tropischen Insel, auf der es nie zu heiß ist, nie regnet und trotzdem die Blumen sprießen und das Unkraut von allein verwelkt. »Das ist genau das Richtige für dich«, hat Leo gesagt, »und natürlich werden wir dich da oft besuchen!«

      Elisabeth verzieht hinter ihrer Brille den Mund. Natürlich werden sie das.

      Eine Toteninsel voller Blumen, Düfte und gepflegter Gärten. Auf den YouTube-Videos, die E-Tote von Isla Dorada gepostet haben, sieht sie aus wie das Paradies. Auch wenn der Eindruck täuschen mag: In einer Hinsicht ist jener Ort auf jeden Fall besser als die wirkliche Welt: Es gibt dort keine Schmerzen.

      »Schrottkasten! Sondermüll! Epic Fail!« Der Schlaksige flucht mal wieder über sein Equipment. Es klingt so, als würde er dem mitgebrachten Rack, das die aufgezeichneten Hirnscans weiterverarbeitet, einen Fußtritt nach dem anderen versetzen. »Warum bin ich nicht Bestatter geworden?«, brummt der Mann, bevor ihn sein älterer Kollege ermahnt:

      »Du vergisst mal wieder, wo du dich befindest. Etwas Respekt und Contenance bitte.«

      »Siehst du, jetzt läuft die Kiste. Man muss ihr nur gut zureden. Ist genau wie bei meinen Kids. Ab und zu brauchen die einen Tritt in den Hintern. Glaub mir, ich weiß Bescheid. Mein Vater hat mich auch so erzogen. Und du siehst ja, was aus mir geworden ist.«

      »Ja, sehe ich«, gibt der Dickliche knapp zurück.

      Elisabeth gönnt sich ein Lächeln. Dann werden die Bildschirme in ihrer Brille hell. Sie sieht das Logo von YourBackup, dann ein nacktes Paar beim Koitus.

      »Ups«, sagt der Schlaksige praktisch im selben Moment. »Falscher USB-Stick. Augenblick …«

      Stoisch wartet Elisabeth, bis der Dickliche damit fertig ist, seinem Kollegen das Fell über die Ohren zu ziehen. Sie ist ein bisschen enttäuscht, als dann vor ihren Augen Filmausschnitte aus einem Zoo ablaufen. Da ist ein Känguru, sie sieht Flamingos und ein Krokodil, und keines dieser Tiere wirkt im Moment viel agiler als sie selbst. Zwischendurch treten immer wieder Verwandte oder Bekannte auf. Immer wenn das überraschend geschieht, so hat man ihr erklärt, reagiert das Hirn besonders stark, so dass die Scanner überdeutliche Ausschläge empfangen. Aus all diesen Daten entsteht dann auf den Rechnern von YourBackup ein Profil, auf dem die Simulation basieren wird.

      Ihre Simulation.

      Ihr kommendes Ich. Die neue Elisabeth.

      Version 2.0, ohne Krebs.

      »War das gerade

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