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das Herz so weh!

      Ja, dit tu ick, und dit haste verdient! Jibt doch noch andre Berufe, muss ja nicht jeder in Papis Latschen rumloofen! Bei Rubi und Egon seh ick dit ja vielleicht noch ein, die kriegen ja keen Nagel in die Wand. Ick meine jetzt, ohne der Umwelt oder sich größere Schäden zuzufügen! Aber Mimi gehört zu den höheren Töchtern, die wird mal watt Ordentlichet: vielleicht Verkäuferin oder Mathematiklehrerin. Oder Olympiasiegerin. Schwimmen oder Boxen. Ärztin, Rechtsanwältin, Polizistin!

      Das stimmt. Sie kann wirklich unglaublich gut rechnen. Und sie liest Bücher. Vielleicht kann sie ja bei uns die Buchhaltung übernehmen! Aber sie ist auch unglaublich quirlig. Ich hoffe ja immer noch darauf, dass sie Schlagzeugerin wird. Ich träume doch davon, irgendwann nur noch mit meinen Kindern auf der Bühne zu stehen. So’n bisschen nach Vorbild der Familie Kelly. Der Zirkus Zöllner!

      In trockenen Tüchern

      Heute feiert mein Sohn Egon seinen vierzehnten Geburtstag. Ich schenke ihm meine zweitliebste Gitarre, denn er tritt ja in meine Fußstapfen – es ist alles in trockenen Tüchern! Egon hatte sporadisch Klavierunterricht, ich hab ihm gelegentlich mal einen Akkord auf der Gitarre gezeigt, aber das Meiste hat er sich aus dem Internet abgeguckt. Er lebt in der City, bei seiner Mutter, hat eine Freundin, und ich sehe ihn nur alle paar Wochen.

      Jedes Mal bin ich begeistert über seine instrumentalen Fortschritte. Er steckt noch ein wenig im Stimmbruch, aber es reißt mir das Herz auseinander, wenn er seine Adaptionen anderer Lieder intoniert. Auch von mir sind welche dabei. Keine versäuselten Kopien, sondern selbstbewusste und seiner ureigenen Emotionalität entsprechende Interpretationen. Egon wird ein richtiger Rockstar werden. Er sieht auch schon so aus!

      Allerdings habe ich ihm das Versprechen abgenommen, auf keinen Fall ein von Deutschland Gesuchter zu werden. Es wäre mir unerträglich, zusehen zu müssen, wie mein sensibles Kind zuerst öffentlich demontiert und dann in eine vorgefertigte Schublade gestopft wird. Die Musikindustrie glaubt nicht so recht an Individualität. In den Firmen sitzen auch nur noch sehr wenige Musikliebhaber. Es geht da – wie überall in unserer komischen Welt – nur noch um die große Kohle. Aber wie wir schon festgestellt haben, verdirbt außer zu viel Geld auch zu viel Erfolg den Charakter – und wenn es nur ein inszenierter ist. Zumindest kann beides die Seele kaputtmachen. Mein Mitgefühl an dieser Stelle für die Familie des von Deutschland gefundenen Superstars Daniel Küblböck, der schließlich über die Reling eines Traumschiffes gegangen ist!

      Es ist ratsam, sich diesem ganzen Tamtam der großen Gelddruckmaschine zu entziehen, liebe Kinder. Natürlich hoffe ich sehr, dass es meinem Jungen gelingt, irgendwann eigenständig Geld für die Miete und das Essen zu generieren. Am besten gleich mit achtzehn, denn dann muss ich ihm, wenn es bei mir auf die Rente zugeht, keinen Unterhalt mehr bezahlen. Ich bekomme nämlich nach dem letzten Bescheid dann um die 600 Euro im Monat. Das wäre in meinem Fall tatsächlich schon mehr als die halbe Miete, dann kann ich meine verschlissene Hülle ein wenig schonen und muss im Spätherbst nur noch halb so oft auftreten!

      Auch ohne Smiley steckt natürlich Selbstironie in den letzten Zeilen! Ich möchte sie keinesfalls als Lamento verstanden wissen. Ich renne ja auch im viel zitierten Hamsterrad, aber mein Beruf macht mir Spaß. Meine Arbeitgeber sind die Menschen, die mich für meine Konzerte, Lesungen und Kolumnen bezahlen. Das reicht jedenfalls, um mich von Monat zu Monat zu regenerieren. Und gelegentlich kann ich sogar noch meinem liebsten Hobby nachgehen und mir die Welt angucken. Gucken, wie sie so ist. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass die Farbigkeit des Lebens von vielen gesehen werden kann.

      Und ich hoffe, dass die Welt noch viel bunter wird. Und ich stelle fest, dass es auch immer mehr Reiche gibt, die sich nach Alternativen sehnen, die ihre Schlösser für echte Kunst und Kultur und echte Menschen öffnen und dafür bezahlen. Ja, es geht mir gut. Ich wünsche Dir, dass Du das Leben auch so genießen kannst wie ich – das Beste für Dich zum Geburtstag, mein geliebter Sohn!

      Oh, dit haste jetzt aber richtig schön jesagt. Dit geht mir ja regelrecht ans … äh, an mich selber sozusagen! Ey komm, wir können wirklich stolz uff unsern Großen sein! Und wenn er dann wirklich in deine Fußstapfen tritt, macht er ja eigentlich ooch nüscht falsch. Oder?

      Almosen

      In der Neuköllner Oper zu Berlin wurde das Musiktheaterstück »Affe« nun in zweiter Serie gespielt. Wieder waren die Vorstellungen ausverkauft. Der Blitzerfolg des neuen Bühnenwerkes ist vor allem der Musik zuzuschreiben, denn es handelt sich um die Songs des Überfliegeralbums »Stadtaffe« von Peter Fox. Dennoch ist es hier wirklich gelungen, den Liedern eine qualitativ gleichrangige Geschichte zu unterlegen. Der Kontrollfreak Peter Fox hat bei der Erarbeitung persönlich mitgemischt.

      Eine der sechs Hauptrollen spielt, singt und tanzt meine Tochter Rubini, das Stück scheint ihr auf den Leib geschneidert. Ich bin stolz auf das Kind, denn es erfüllt meine kühnsten Träume. Und vertreibt meine dunklen Albträume. Ich war zwar erfreut, als Rubini einen der begehrten Studienplätze an der Berliner Universität der Künste im Fach Musical erhielt, aber ich hatte natürlich auch arge Zweifel ob dieser Berufswahl.

      Das sage ich jetzt mal ganz unter uns, auch wenn ich bisher ausgiebig mit der Vortrefflichkeit des Künstlerdaseins kokettierte. Die meisten ausgebildeten Künstler sind letztendlich auf Unterstützung des staatlichen Sozialsystems oder eines privaten Mäzens angewiesen. Rubini lehnt beides kategorisch ab. Sofort mit Beendigung ihres Studiums entbindet sie mich von jedweder Unterhaltspflicht und legt tatsächlich los. In den letzten drei Jahren sah ich sie in drei verschiedenen Inszenierungen des »kleinen Horrorladens«, bei »Jesus Christ Superstar«, in »Hairspray« und den beiden Auflagen des schon erwähnten Affenspektakels.

      Das Leben eines Musicaldarstellers ist kein Zuckerschlecken. Die ständigen Auditions können eine unvorstellbare Zumutung sein. Es ist ein zynisches Business. Für die wenigen ausgeschriebenen Rollen stehen Hunderte Bewerber auf der Matte. Schauspieler, Sänger und Tänzer aus aller Welt reisen auf eigene Kosten an und hoffen auf den Lottogewinn, auf die geringe Chance, tatsächlich eine der Rollen zu ergattern, die vom jeweiligen Regisseur doch insgeheim längst mit den persönlichen Lieblingen oder vom Intendanten mit den publikumswirksamen Stars und Sternchen besetzt sind. Heerscharen von studierten Künstlern sitzen dauerhaft auf Hartz IV und träumen davon, sich irgendwann ins Bild zu bringen. Die wenigen, die hin und wieder zum Zuge kommen, melden sich zwischen ihren Erfolgen meist arbeitslos.

      Doch nicht mal dieses Privileg nimmt mein großes Getöcht in Anspruch. Sie jobbt in Zeiten der Flaute als Garderobiere, Sushiverkäuferin, Komparsin und Backgroundsängerin im Pop- und Rockbereich. Ihr Freund Sven ist ebenfalls ein recht erfolgreicher Musicaldarsteller und lehnt es wie meine Tochter ab, Almosen vom Staat zu beanspruchen. So lassen sie sich gemeinsam etwas anderes einfallen: Als leidenschaftliche Pokemonjäger haben sie gerade selbstentworfene T-Shirts in ihrer Pokemonjägerfacebookgruppe zum Kauf angeboten. Das brachte aber die »hauptberuflichen« Nerds auf die Palme, und ein Shitstorm brach über meine armen Kinder herein. Ja, Rubi und Sven waren echt betroffen, als sie mir davon erzählten.

      Ick gloob, mir flimmert gleich der Vorhof, dit kann ja so ’n einfaches Herz wie ick jar nich mehr verarbeiten! Ein Glück, dass wir uns hier mal ’n bisschen zur Ader lassen können. In Buchdeckel gebundene Psychotherapie sozusagen. Egozentrik de luxe. Sind wirklich alle Musiker so derartige Freaks?

      Nein, mein Herz – nur die Sänger und Sängerinnen! Aber die anderen Künstler und Kunstschaffenden sind auch speziell. Es kommt immer darauf an, welches Instrument gespielt wird. Nicht jeder kann alles spielen. Man muss ganz bestimmte körperliche und charakterliche Voraussetzungen mitbringen, um ein Instrument meisterlich zu beherrschen. Ein männlicher Sänger muss, wie wir ja schon festgestellt haben, über ein gewisses Maß an Egozentrik verfügen. Meistens ist er von kleinem Wuchs, und sein Ehrgeiz ist von Rachegelüsten gespeist, weil er in der Schule gemobbt wurde. Ich bin mittelgroß, knapp über eins achtzig. Jetzt wisst ihr auch, warum es bei mir nicht zur Weltkarriere gereicht hat!

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