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Grundstruktur für Gottes Vertretung auf Erden darstellten. Pierre Dubois beschrieb beide Ursachen der grassierenden Unzufriedenheit, die Niederlage der katholischen Kreuzfahrer im Nahen Osten und die sich aufplusternde päpstliche Herrschaft, in seiner aus 142 Paragraphen bestehenden Flugschrift. Darin schlug er einen Zusammenschluss der (west)europäischen Reiche und Fürstenstaaten zu einem einzigen Staat vor. »Jede vereinte Kraft«, so der französische Scholastiker, »ist stärker als dieselbe Kraft im Zustand der Zerstreuung. Deshalb wäre es gut, wenn unter allen Katholiken (…) der Friede dadurch gesichert würde, dass sie sich gleichsam zu einem einzigen Staat zusammenschließen.«26 Konkret wandte sich Dubois gegen das Heilige Römische Reich (Sacrum Imperium), dessen Krone zu jener Zeit Albrecht I. von Habsburg trug. Statt des dort üblichen Systems der Königswahl, das Dubois für ineffektiv und untragbar hielt, forderte er die Installierung einer Erbmonarchie. Dubois trat ferner für eine großräumige »Welt«wirtschaft ein und einen stärkeren Handel mit dem Orient. Sein eigentliches Ziel einer geeinten Christenheit – gemeint als Katholiken – verband er mit dem Kreuzzugsgedanken. So sollte jeder am »europäischen Völkerverein« beteiligte Fürst eine ständige Truppenpräsenz in Palästina bereitstellen. Und jeder europäischen Nation wäre nach dem Plan Dubois’ ein ihrer Stärke entsprechendes Gebiet im Heiligen Land zugewiesen worden; wobei sich der Berater des französischen Königs für Jerusalem und Akkon eine gemeinsame Verwaltung vorstellte.27

      Ein Auszug wie dieser lässt unschwer erkennen, warum Dubois bei aktuellen Rezeptionen und Anthologien über Europabilder nicht fehlen darf und was ihm darin einen so prominenten wie beliebten Platz verschafft: Europa als friedliches Projekt nach innen, dessen Einheit durch Aggression nach außen hergestellt wird. Realpolitisch ging es Dubois darum, die vorhandene Macht des französischen Königs weiter zu stärken. Dieser sollte der von ihm angedachten Delegiertenversammlung der Fürsten vorstehen. Den Papst wies er die Rolle als Schiedsrichter bei Meinungsverschiedenheiten zu. Oder anders gesagt: Dubois’ »Europa« war gegen die Institution des »Heiligen Römischen Reiches« gerichtet, in dem die Habsburger noch nicht die spätere Führungsrolle gepachtet hatten, und es sollte die aufsteigende Macht des Papstes bremsen. So gesehen erscheint seine Schrift über die Wiedergewinnung des Heiligen Landes nicht ein Entwurf einer föderativen Verbindung europäischer Mächte, wie er in der einschlägigen Geschichtswissenschaft heute dargestellt wird, sondern ein Werkzeug zur Legitimierung der Macht für Philipp den Schönen gewesen zu sein. Verwirklicht wurde all das nicht. Im Gegenteil: Philipp wurde von Papst Bonifatius VIII. exkommuniziert, worauf sich dieser mit einem Attentatsversuch revanchierte. Auf der Flucht vor Philipps Schergen starb Bonifatius, nachdem er den Habsburger Albrecht I. in dessen Funktion als Reichskönig um Hilfe angefleht hatte. Papst-Nachfolger Benedikt XI. starb nach nur wenigen Monaten im Amt an einer Vergiftung, die ihm mutmaßlich der Franzosenkönig Philipp zufügen ließ. Im Zuge dessen gelang es Philipp auch, die Residenz des nächsten, ihm nun ergebenen Papstes nach Avignon zu verlegen. So sah Europa zu Beginn des 14. Jahrhunderts in Wirklichkeit aus.

      Von einer weltumspannenden Monarchie träumte auch der florentinische Dichter und Denker Dante Alighieri (1265−1321). Eine solche Herrschaftsform konnte damals freilich nur »europäisch« gedacht werden. Anders als sein Zeitgenosse Dubois gründete Dantes Sehnsucht nach der Wiederherstellung des (römischen) Kaiserreichs nicht in der Idee, die stärkste westliche Macht auf dem Kontinent, Frankreich, in den Mittelpunkt zu stellen. Das war verständlich, galten doch zu jener Zeit die französischen Könige aus dem Hause Anjou im südlichen Italien als Fremdherrscher. Dantes Vision eines einheitlichen Staatsgebildes richtete sich dementsprechend gegen den französischen Herrschaftsanspruch. In den bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen, die Ende des 13. Jahrhunderts in oberitalienischen Städten tobten, kämpfte er anfangs auf der Seite der eher papsttreuen Guelfen (gegen die kaisertreuen Ghibellinen), um sich bald einer Splittergruppe anzuschließen, die sich immer mehr Fraktionen zum Feind machte. Dantes Flucht aus Florenz folgte die Konfiskation seines Besitzes und 1302 die Verhängung der Todesstrafe, derentwegen er sein restliches Leben im Exil verbrachte.

      Sein antitürkisches Abenteuer endet für Papst Pius II. elendiglich. Mitte Juni 1464 schifft er sich in Ancona ein, um seinen zehn Jahre zuvor gepredigten Kreuzzug zu starten. Allein, außer einer Handvoll heruntergekommener Abenteurer will ihm niemand folgen. Am 15. August 1464 stirbt der verhinderte Kreuzfahrer Piccolomini/Papst Pius II. auf seinem Schiff auf dem Weg zwischen Venedig und Istrien. Zuvor hatte er noch eine zweite »europäische« Front aufgemacht, nämlich

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