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und ein groß gewachsener Kerl, der einen teuren schwarzen Anzug trug, den wahrscheinlich ein Schneider aus der Stadt angefertigt hatte, erschien im Türrahmen. Die Messingpatronen in seinem Gürtel bildeten einen deutlichen Kontrast zu seiner schwarzen Kleidung. Seine beiden tief hängenden Colts standen weit vom Körper ab. Obwohl er schon älter war, ging etwas sehr Gefährliches von diesem Mann aus. Man konnte die Gefahr fast körperlich spüren. Sein verwittertes Falkengesicht verriet keinerlei Gefühl. Dieser Kerl war nicht nur ein Revolverheld, sondern auch ein eiskalter Killer.

      Der Mann nickte Pickett zu. »Schon wieder zurück?«, fragte Willard und verschränkte die beiden Daumen in seinem Gürtel neben dem Revolverhalfter.

      Müde winkte Pickett ab. »Wir haben ein paar Maverickjäger in die ewigen Jagdgründe geschickt!«

      »Lass mich raten, die armen Kerle mussten singen, und du hast wie ein kleiner Bub vor ihnen gewichst, bis deine Hand geglüht hat.«

      »Woher weißt du das?«

      »Ich kenne dich besser als deine eigene Mutter, Desmond!«

      »Du bist ja auch mein bester Mann!«

      Die beiden Männer betraten das Haupthaus, in dessen Innerem es angenehm kühl war; die drückende Hitze blieb draußen zurück.

      Desmond Pickett war ein sehr reicher Mann. Das Foyer war geradezu protzig eingerichtet: Auf dem Holzboden lagen kostbare Büffelfelle, über dem offenen Kamin, der aus Steinen erbaut worden war, hing der massige Schädel eines Longhorns. Doch die Mitte des Raumes füllte ein hochwertiges Sofa aus gegerbtem Leder, das ein kleines Vermögen gekostet hatte. Davor stand ein Tisch mit Kristallgläsern sowie mehreren Flaschen Bourbon, denn Desmond Pickett verabscheute anderen Whiskey wie die Pest. Eine geschwungene Treppe führte hinauf in den zweiten Stock. Dieser war als Galerie angelegt und man konnte von dort auf das Foyer herunterblicken. Doch der wahre Blickfang im Foyer war ein riesiger schwarz lackierter Klavierflügel, dessen offener Deckel sich neben dem Sofa wie die Schwinge eines majestätischen Schwans erhob. Es war das legendäre 791 Modell aus dem Hause Steinway, einer der ersten Flügel, die in der Neuen Welt gefertigt wurden. Desmond Pickett hatte den weiten Weg nach New York auf sich genommen und eine fürstliche Summe der Familie Steinway bezahlt. Der Weg hatte sich gelohnt. Kein anderes Klavier hatte einen so schönen Klang wie der 791 er.

      Pickett beachtete Willard nicht länger, sondern ging zielstrebig auf den Flügel zu. Er nahm auf dem kleinen gepolsterten Lederschemel Platz und ließ seinen Blick über die Elfenbeintasten wandern, als wolle er sich vergewissern, dass alle 88 Tasten noch am rechten Platz waren. Dann verschränkte er die Finger ineinander und begann, diese kräftig zu dehnen, was schließlich in einem hörbaren Knacken der Gelenke endete. Erst jetzt ließ er die Finger über die Tasten gleiten, eine sanfte Liebkosung. Mit geschlossenen Augen begann Pickett zu spielen. Der Flügel hatte einen kräftigen Klang. Die Musik hallte bis in den letzten Winkel des Foyers. Es war ein melancholisches Lied, das dieser kahlköpfige Mann spielte. Die Melodie so zart und gefühlvoll gespielt, dass sie sofort das Herz jedes Zuhörers berührte. Fast andächtig nahm Willard seinen Hut ab und setzte sich auf die Ledercouch.

      Die stählernen Gesichtszüge von Desmond Pickett entspannten sich schlagartig. Hier an seinem Flügel, da konnte er seinen inneren Frieden finden. Für einen Moment vergaß er die ständige Anspannung und seine Zwänge. Hier an diesem Flügel konnte er den Hass und die unbändige Wut hinter sich lassen. An diesem wunderbaren Instrument war er in der Lage, Gefühle zu spüren, die ihm sonst verschlossen blieben. Und so spielte er mit einem Engelsgesicht fast eine ganze Stunde. Willard saß auf der Couch, den Blick auf einen imaginären Punkt an der Wand gerichtet, versunken in seinen eigenen Erinnerungen.

      Es kamen mehrere von Desmonds Männern ins Foyer, doch niemand wagte es, den Boss in seinem Spiel zu unterbrechen. Einige verharrten und lauschten den gefühlvollen Klängen, ehe sie förmlich auf Zehenspitzen in den angrenzenden Räumen verschwanden.

      Die Melodien, die Desmond spielte, waren allesamt sehr melancholisch gefärbt. Aus ihnen sprach eine tiefe Sehnsucht nach etwas, was verloren gegangen war und niemals wiederkommen würde.

      Plötzlich verstummte der Flügel, die letzten Klänge waren nur noch eine schwache Erinnerung. Willard erwachte aus seinen Gedanken und blickte in Richtung Pickett, dessen Gesichtszüge wieder angespannt waren. Sein haarloser Kopf glich einmal mehr einem Totenkopf.

      »Die Männer haben Neuigkeiten von Jeremy Slater.«

      Pickett schwieg, aber sein Gesicht sprach Bände, denn es verfinsterte sich noch mehr.

      »Seine Maverickjäger haben am Yeoman-Canyon fast hundert Rinder gestohlen. Jetzt tragen sie das Brandzeichen der Blue-Lodge-Ranch.«

      Noch immer zeigte Pickett keine Reaktion.

      »Wir müssen diesem Bastard endlich zeigen, dass es in diesem Land nur ein Gesetz gibt. Und zwar unseres!«

      Doch Picketts Gesicht war weiterhin wie versteinert.

      »Desmond?«

      »Hundert Rinder sagst du?«, fragte Pickett plötzlich, als würde er aus einem tiefen Traum erwachen.

      »Yeah.«

      Jetzt endlich erhob sich Pickett von dem kleinen Lederschemel und trat hinter dem Flügel hervor. Seine Gelenke knackten beim Gehen. »Weißt du, wenn das so weitergeht, wird es hier bald keine Rinder mehr geben. Und du weißt, was das heißt?«

      »Die Siedler werden kommen!«, stellte Willard lakonisch fest.

      »Ganz recht. Sie werden dieses Land einnehmen und verseuchen. Sie werden ihre verfluchten Kirchen errichten und stinkende Fabriken eröffnen. Dies ist das Land meiner Väter. Sie haben ihr Leben dafür gegeben. Kein verdammter Siedler wird sich hier niederlassen!«

      »Mach das mal der Regierung klar!«

      »Ich ficke die Regierung in den Arsch, wenn es sein muss!«

      »Slater ist zu einem echten Problem geworden. Wir müssen handeln, Desmond.«

      »Ich habe so eine verdammte Wut im Bauch«, zischte Pickett und sein ganzer Körper verkrampfte. Willard bemerkte, dass Picketts Schläfe pochte. Das war kein gutes Zeichen! Der Boss würde sich gleich abreagieren. Er konnte die Spannung förmlich spüren, die ihm von seinem Gegenüber entgegenschlug.

      Hastig ging Desmond Pickett an dem Revolverheld vorbei, riss die Tür auf und trat auf die Veranda. Im Hof herrschte emsiges Treiben. Ein Leiterwagen wurde von mehreren Männern mit nacktem Oberkörper ausgeladen. Einige Köpfe blickten erwartungsvoll hoch, als sie Pickett sahen.

      Desmond sah aus dem Augenwinkel den jungen Mann mit den indianischen Wurzeln, der gerade dabei war, eine Winchesterbüchse zu reinigen. Als ob das Halbblut Picketts wutentbrannten Blick spüren würde, blickte es von seiner Arbeit auf. Das Mündungsfeuer war das Letzte, was dessen Gehirn registrierte, bevor es in tausend Stücke geblasen wurde.

      Pickett blies die Rauchfahne von seinem Colt und ließ die Waffe wieder in seinem Halfter verschwinden. Niemand sagte etwas. Die Männer starrten nur gebannt auf den zuckenden Körper des jungen Mannes, dessen Beine über den Boden schabten, als wollten sie nicht wahrhaben, dass sämtliches Leben aus dem Körper gewichen war. Die blaue Hose verfärbte sich dunkel, als sich die Blase zu entleeren begann. Auf dem Boden lag ein Teil seines Hirns.

      »Glotzt nicht so blöd! Geht an die Arbeit!«, schrie Pickett seine Männer an. Und diesmal machte er sich nicht die Mühe zu schauen, ob sie seinem Befehl nachkamen. Wie ein Irrer wirbelte er herum und verschwand wieder im Haupthaus der Three-Pearls-Ranch.

      »Geht's dir jetzt besser?«, fragte Willard.

      »Um dieses dreckige Halbblut ist es nicht schade!«, erwiderte Pickett gereizt.

      »Irgendwann wirst du noch den Nigger erschießen und das wäre verdammt schade. Keiner kann so gut kochen wie Earl.«

      »Können wir jetzt essen?«

      »Seit einer halben Stunde!«

      »Warum hast du nichts gesagt?«

      »Niemand

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