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Der Schreiberling. Patrick J. Grieser
Читать онлайн.Название Der Schreiberling
Год выпуска 0
isbn 9783947816040
Автор произведения Patrick J. Grieser
Жанр Языкознание
Серия Der Primus
Издательство Bookwire
»Geh schon mal vor, ich komme gleich nach. Ich möchte noch nach meiner kleinen Raubkatze sehen!«
»Ich werde Earl sagen, dass er das Essen warm halten soll. Wenn du zu deiner Raubkatze gehst, dann wirst du dich so schnell nicht mehr hier oben blicken lassen!«, meinte Willard mit einem fetten Grinsen im Gesicht.
»Nein, nein … ich komme gleich! Für heute habe ich mein Pulver schon verschossen!«
»Aye!«
Desmond Pickett winkte seinem besten Mann zu und verließ das Foyer durch eine kleine Tür in der Ecke des Raumes. Eine Treppe führte hinunter in den Keller. Das Haupthaus war das einzige Gebäude auf der Three-Pearls-Ranch, das unterkellert war. Der Keller beherbergte mehrere kostbare Weine aus der Alten Welt, für die Desmond Pickett ein halbes Vermögen bezahlt hatte. Die Flaschen waren mit Schiffen aus dem französischen Seehafen Saint Nazaire nach New York gekommen.
Der Boss der Three-Pearls-Ranch schritt an den Regalen vorbei, blieb hier und da kurz stehen, um eine besonders wertvolle Flasche in die Hand zu nehmen. Die Flaschen waren mit einer dicken Staubschicht überzogen; Desmond Pickett gönnte sich nämlich nur selten ein Glas Wein, denn dafür waren sie ihm zu kostbar. Für ihn war es mehr eine Sammlung an außergewöhnlichen Raritäten, mit denen er wichtige Gäste zu beeindrucken versuchte. Hinter den Regalen gab es eine geräumige Kammer, die durch ein rostiges Gitter verschlossen war. Desmond Pickett fischte einen kleinen Schüssel aus seiner Brusttasche. Im Nu hatte er das Gitter geöffnet und betrat das fensterlose Gewölbe. In früheren Zeiten hatte Pickett senior den Kellerraum als Waffenlager genutzt, doch jetzt befanden sich sämtliche Waffen und Munition in einem angrenzenden Gebäude der Three-Pearls-Ranch.
Der Geruch von Exkrementen wehte Pickett entgegen. Es dauerte einige Augenblicke, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Am anderen Ende des Gewölbes rührte sich ein Schatten. Ketten klirrten über den Boden.
»Na, meine süße kleine Raubkatze, hast du mich vermisst? Hast du Sehnsucht nach mir und meinem besten Stück gehabt?«, säuselte Pickett und trat in die Richtung, aus der die Bewegung kam.
Aus der Dunkelheit schälte sich eine junge nackte Frau, die mit Händen und Füßen an schwere Ketten gefesselt war, welche an zwei massiven Eisenringen in der Wand endeten. Obwohl der Körper der Frau völlig verdreckt war, konnte man die alabasterfarbene Haut darunter schimmern sehen – ein Zeichen dafür, dass sie schon lange kein Sonnenlicht mehr gesehen hatte. Ihre langen schwarzen Haare reichten ihr fast bis zur Hüfte. Schaute man in ihre blauen Augen, die so klar und unergründlich waren wie ein Bergsee, konnte man sich darin verlieren. Hätte man sie in eine Wanne gesteckt, dann wäre dabei ein sehr ansehnliches weibliches Wesen hervorgekommen, dessen Körper für jeden Mann eine wahre Augenweide war. Sie war eine Frau, für die ein Mann – unter anderen Umständen – alles aufgegeben hätte. Dies war der wahre Schatz im Weinlager des Desmond Pickett!
Die Gefangene verkrampfte, als Desmond Pickett sich ihr näherte. Doch dann bemerkte sie, dass er ohne seine Handlanger gekommen war. Heute würde er ihren Körper nicht schänden!
»Komm näher, damit ich dich mit meinen verdammten Ketten erwürgen kann, du elender Bastard!«, erwiderte sie in einem harten slawischen Akzent. Pickett musterte sie, doch sein Gesicht verriet nichts von seinen lüsternen Gedanken und Gefühlen.
»Katerina, Katerina … was soll ich nur mit dir machen?«, fragte er und stemmte die Hände in die Hüfte. »Ich habe heute ein paar Maverickjäger aufgeknüpft. Sie haben dabei so schön für mich gesungen.«
Als er sich ihr noch einen weiteren Schritt näherte, hob Katerina die schweren Ketten vor sich, lauernd wie eine Wildkatze, die darauf wartet, dass man einen Schritt zu viel machen würde. Sie würde versuchen, ihn zu Boden zu reißen und dann mit den Ketten erwürgen. Doch Desmond Pickett hatte sich abgesichert und eine Markierung in Form eines weißen Kreuzes auf den Boden gemacht. Ihre Ketten waren zu kurz, um das Kreuz zu erreichen.
Katerina tat so, als würde sie das Kreuz auf dem Boden nicht sehen. Irgendwann einmal würde Pickett den entscheidenden Schritt zu viel machen. Und dann würde sie Rache an dieser Bestie nehmen und ihn qualvoll sterben lassen. Es war das Einzige, was sie noch am Leben hielt. Desmond Pickett würde sterben für das, was er ihr antat. Hier unten in der Dunkelheit hatte sie ihn schon unzählige Male sterben lassen. Dieser Gedanke war der einzige Rettungsanker, an den sie sich verzweifelt klammerte. Der einzige, der verhinderte, dass sie in einen Zustand geistiger Umnachtung fiel. Die Schwelle zum Wahnsinn war nur ein kleiner Schritt!
»Manchmal stelle ich mir vor, wie es wäre, wenn du für mich singen würdest«, sagte der kahlköpfige Mann und leckte sich dabei über die Lippen. »Wie es wäre, wenn du an einem Baum hängen würdest, nackt wie eine unschuldige Eva und das Leben ganz langsam aus deinem prächtigen Körper weicht!«
»Vorher werde ich dir die Kehle durchschneiden!« Trotz ihrer erbärmlichen Lage schwang da eine Mischung aus Sturheit und Stolz in Katerinas Stimme mit. Katerina Kurnikova war eine stolze Frau, sie würde Desmond niemals den Gefallen tun und ihn anflehen, dass er sie verschonte. Sie würde ihre Rache schon noch bekommen. Dieser Dreckskerl war tot, er wusste es nur noch nicht! In Gedanken verfluchte sie einmal mehr jenen Tag, als sie Pickett und seine Schergen auf dem großen Missouridampfer kennengelernt hatte.
»Du bist etwas ganz Besonderes, meine kleine russische Raubkatze!«, sagte Pickett, hauchte einen Kuss in ihre Richtung und verließ das Kellergewölbe wieder, nicht ohne die Gittertür zu sichern. »Earl soll morgen nach dir sehen und dich baden. Und dann wirst du vor Lust schreien und mich anflehen, nicht mehr aufzuhören. Ich freue mich, freue mich …«, rief er ihr noch zu. Dann kehrte er ins Foyer zurück und ließ eine gemarterte Frau mit ihren Rachefantasien allein in der Dunkelheit.
3
Die Blue-Lodge-Ranch lag versteckt in einem Valley, das den gleichen Namen trug wie das Anwesen der Familie Slater. Sie war umgeben von uralten mächtigen Schwarzpappelbäumen, wie sie typisch für die Gegend um Kansas waren. Das Blue-Lodge-Valley war umsäumt von Bergen, sodass es einen gigantischen Talkessel bildete. In der Ebene grasten Tausende von Rindern, darunter die majestätischen Longhorns mit ihren gewaltigen, leicht aufwärts gebogenen Hörnern. Die aufgehende Sonne tauchte das Tal in ein geradezu idyllisches Licht, das der Cowboy sonst nur von Fotos aus den Reisekatalogen kannte. Ein sanfter Wind ließ die großen Blätter der Schwarzpappeln auffällig flattern.
Überrascht pfiff der Cowboy, als er die große Herde sah, die sich von einem Rand des Tales bis zum anderen mit ihren rotbraunen Leibern ergoss. »Donnerwetter! Sie sind ein sehr reicher Mann, Jeremy Slater!«, sagte der Cowboy anerkennend.
»Du kannst mich erst einen reichen Mann nennen, wenn wir die Tiere zu den großen Verladebahnhöfen in Kansas gebracht haben. Momentan kosten mich die Rinder nur bares Geld!«
Slater zeigte auf das Haupthaus der Ranch, das sich inmitten der Schwarzpappelbäume erhob. Es war ein mehrstöckiges Holzhaus, bestehend aus einem grau gestrichenen Gambrel-Dach mit gekrümmtem Dachvorsprung entlang der Länge des Hauses. Dahinter erhob sich ein Kamin aus Backsteinen. »Willkommen auf der Blue-Lodge-Ranch, der Heimat der Maverickjäger von Kansas!«
»Das heißt, ich darf für Ihr Team reiten?«
»Darüber reden wir nach dem Frühstück.« Slater streckte sich auf seinem Sattel, um die Müdigkeit zu vertreiben. Sie waren die ganze Nacht durchgeritten, um bei Anbruch des neuen Tages die Blue Lodge-Ranch zu erreichen. »Und ich werde eine ordentliche Portion Schlaf benötigen!«
»Aaah, ich würde jetzt alles für eine Mahlzeit und ein weiches Bett geben. Ja, erst ein paar Eier mit Speck und danach ein schönes Daunenbett!« Die Strapazen des langen Rittes machten sich bei dem Cowboy jetzt deutlich bemerkbar. Die letzte Meile wäre er fast im Sattel eingeschlafen. Seinen Hintern spürte er schon gar nicht mehr – wahrscheinlich waren alle Nerven abgestorben. Ihm graute davor, von seinem Gaul zu steigen. Wahrscheinlich würde er es nicht bis zur Veranda der Blue-Lodge-Ranch schaffen.
»Du kannst im