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Die Todesstrafe I. Jacques Derrida
Читать онлайн.Название Die Todesstrafe I
Год выпуска 0
isbn 9783709250389
Автор произведения Jacques Derrida
Жанр Документальная литература
Серия Passagen forum
Издательство Bookwire
Die Verordnung von 1670 bestimmte bis zur Revolution die allgemeinen Formen der Strafpraxis. Sie sah folgende Hierarchie der Züchtigungen vor: „Tod, Folter unter Vorbehalt der Beweise, Galeere auf Zeit, Peitsche, öffentliche Abbitte, Verbannung.“ Einen beträchtlichen Anteil nehmen also die physischen Strafen ein, und sie werden durch das Gewohnheitsrecht, die Art der Verbrechen und den Stand der Verurteilten noch vervielfältigt. „Die Todesstrafe umfaßt alle Arten des Todes: die einen werden zum Tod durch Erhängen verurteilt; anderen wird die Hand abgeschlagen oder die Zunge abgeschnitten oder durchbohrt und dann werden sie erhängt; für schwere Verbrechen werden andere bei lebendigem Leibe gerädert und ihnen dann die Glieder zerschlagen; wieder andere werden so lange gerädert, bis sie eines natürlichen Todes sterben; andere werden erdrosselt und anschließend gerädert; wieder andere werden bei lebendigem Leibe verbrannt oder zuerst erdrosselt und dann verbrannt; einigen wird die Zunge abgeschnitten oder durchbohrt und sie werden dann lebendig verbrannt; andere werden mit Pferden gevierteilt; wieder anderen wird der Kopf abgeschlagen oder zertrümmert“.42
Nun werde ich noch die ersten zwei Seiten des Buches vorlesen. Sie beschreiben eine Tötung unter dem Regime jener Verordnung, noch im Jahre 1757, am Vorabend der Revolution. Ich werde meine Lektüre beim Wort „pardon seigneur [Vergebung, Herr]“ unterbrechen, um den Übergang, in Bezug auf unser letztjähriges Seminar innerhalb desselben Seminars, deutlich zu markieren (Überwachen und Strafen lesen, S. 9-10 [deutsch: a.a.O., S. 9-10])
Am 2. März 1757 war Damiens dazu verurteilt worden, „vor dem Haupttor der Kirche von Paris öffentliche Abbitte zu tun“, wohin er „in einem Stürzkarren gefahren werden sollte, nackt bis auf ein Hemd und eine brennende zwei Pfund schwere Wachsfackel in der Hand; auf dem Grève-Platz sollte er dann im Stürzkarren auf einem dort errichteten Gerüst an den Brustwarzen, Armen, Oberschenkeln und Waden mit glühenden Zangen gezwickt werden; seine rechte Hand sollte das Messer halten, mit dem er den Vatermord begangen hatte, und mit Schwefelfeuer gebrannt werden, und auf die mit Zangen gezwickten Stellen sollte geschmolzenes Blei, siedendes Öl, brennendes Pechharz und mit Schwefel geschmolzenes Wachs gegossen werden; dann sollte sein Körper von vier Pferden auseinandergezogen und zergliedert werden, seine Glieder und sein Körper sollten vom Feuer verzehrt und zu Asche gemacht, und seine Asche in den Wind gestreut werden.“
„Schließlich vierteilte man ihn“, erzählt die Gazette d’Amsterdam. „Diese letzte Operation war sehr langwierig, weil die verwendeten Pferde ans Ziehen nicht gewöhnt waren, so daß man an Stelle von vier deren sechs einsetzen mußte; und als auch das noch nicht genug war, mußte man, um die Schenkel des Unglücklichen abzutrennen, ihm die Sehnen durchschneiden und die Gelenke zerhacken… Man versichert, daß ihm, obwohl er immer ein großes Lästermaul gewesen war, keine Blasphemie entkam; nur schreckliche Schreie ließen ihn die übermäßigen Schmerzen ausstoßen und oft wiederholte er: ‚Mein Gott, hab Erbarmen mit mir! Jesus hilf mir!‘ Alle Zuschauer waren erbaut von der Fürsorge des Pfarrers von Saint-Paul, der trotz seines hohen Alters keinen Augenblick versäumte, um den armen Sünder zu trösten.“
Und der Polizeioffizier Bouton: „Man zündete den Schwefel an, aber das Feuer war so schwach, daß die Haut der Hand davon kaum verletzt wurde. Dann nahm ein Scharfrichter, die Ärmel bis über die Ellenbogen hinaufgestreift, eine etwa anderthalb Fuß lange, zu diesem Zweck hergestellte Zange aus Stahl, zwickte ihn damit zuerst an der Wade des rechten Beines, dann am Oberschenkel, darauf am rechten Ober- und Unterarm und schließlich an den Brustwarzen. Obwohl dieser Scharfrichter kräftig und robust war, hatte er große Mühe, die Fleischstücke mit seiner Zange loszureißen; er mußte jeweils zwei- oder dreimal ansetzen und drehen und winden; die zugefügten Wunden waren so groß wie Laubtaler.
Bei diesem Zangenreißen schrie Damiens sehr laut, ohne freilich zu lästern; danach hob er das Haupt und besah sich. Derselbe Scharfrichter nahm nun mit einem Eisenlöffel aus einem Topf die siedende Flüssigkeit, die er auf jede Wunde goß. Darauf knüpfte man dünne Stricke an