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zu nehmen. Wie Sie sagten, hatte diese Frau Baumwollsamt an ihren Ärmeln, und dieses Material ist sehr nützlich, weil es Spuren bewahrt. Die doppelte Linie kurz über dem Handgelenk, wo jemand, der Maschine schreibt, sich auf den Tisch aufstützt, war wunderschön sichtbar. Eine mit der Hand zu bedienende Nähmaschine hinterläßt einen ähnlichen Abdruck, aber nur am linken Arm und auf der dem Daumen abgewandten Seite, statt wie in diesem Fall an der breitesten Stelle. Dann habe ich mir ihr Gesicht angesehen, und als ich auf beiden Seiten der Nase die Eindrücke eines pince-nez bemerkte, habe ich mich über Kurzsichtigkeit und Maschineschreiben geäußert, was sie zu überraschen schien.«

      »Jedenfalls hat es mich überrascht.«

      »Aber das war doch ganz offensichtlich. Weiter hat es mich sehr überrascht und interessiert, daß ich, als ich an ihr hinabsah, feststellte, daß die Stiefel, die sie trug, nicht gerade völlig verschieden waren, aber sie gehörten doch nicht zusammen; der eine war vorn ein wenig verziert, und der andere war ganz schlicht. Der eine war nur mit den beiden unteren von fünf Knöpfen verschlossen, der andere mit dem ersten, dritten und fünften. Wenn Sie nun also eine junge Dame sehen, die mit halb zugeknöpften und nicht zueinander passenden Stiefeln aus dem Haus gegangen ist, obwohl sie sich sonst ordentlich kleidet, dann ist es kein Kunststück, abzuleiten, daß sie in Eile war.«

      »Und was noch?« fragte ich, da mich die scharfe Logik meines Freundes wie immer zutiefst interessierte.

      »En passant habe ich festgestellt, daß sie einen Brief geschrieben hat, bevor sie das Haus verließ, aber nachdem sie sich angekleidet hatte. Sie haben ja bemerkt, daß ihr rechter Handschuh am Zeigefinger zerrissen war, aber offenbar haben Sie nicht gesehen, daß Handschuh und Finger mit violetter Tinte befleckt waren. Sie hat sehr hastig geschrieben und ihre Feder zu tief eingetaucht. Es muß heute morgen gewesen sein, andernfalls wäre der Fleck nicht mehr so deutlich sichtbar auf ihrem Finger. All das ist amüsant, wenn auch ziemlich elementar, aber kommen wir wieder zur Sache, Watson. Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir die annoncierte Beschreibung von Mr. Hosmer Angel vorzulesen?«

      Ich hielt den kleinen gedruckten Ausschnitt ans Licht. Der Text lautete: »›Seit dem Morgen des 14. wird ein Gentleman namens Hosmer Angel vermißt. Er ist etwa 5 Fuß 7 Zoll groß; kräftig gebaut, bläßliche Hautfarbe, schwarzes Haar mit beginnender Kahlheit in der Kopfmitte, buschiger schwarzer Backen-und Oberlippenbart; getönte Brille, kleiner Sprachfehler. Trug zuletzt schwarzen, seidebesetzten Gehrock, schwarze Weste, kurze goldene Uhrkette, graue Hosen aus Harris-Tweed und braune Gamaschen über Schuhen mit elastischen Seiten. War in einem Büro in der Leadenhall Street angestellt. Für verläßliche Informationen‹ usw. usw.«

      »Das genügt«, sagte Holmes. »Was nun die Briefe angeht«, fuhr er fort, wobei er sie überflog, »so sind sie ziemlich gewöhnlich. Keinerlei brauchbare Hinweise auf Mr. Angel, abgesehen davon, daß er einmal Balzac zitiert. Eines ist allerdings an ihnen bemerkenswert und wird Ihnen sicher auffallen.«

      »Sie sind mit der Maschine geschrieben«, bemerkte ich.

      »Nicht nur das, sondern auch die Unterschrift ist mit Maschine geschrieben. Schauen Sie sich das saubere kleine ›Hosmer Angel‹ hier unten an. Wie Sie sehen, sind die Briefe datiert, aber nur mit Leadenhall Street überschrieben, das ist reichlich vage. Die Sache mit der Unterschrift ist sehr wichtig – wir können sie sogar als entscheidend ansehen.«

      »Entscheidend wofür?«

      »Mein lieber Freund, kann es denn sein, daß Sie wirklich nicht sehen, welche große Bedeutung das für den Fall hat?«

      »Das kann ich wirklich nicht behaupten, außer Sie meinen, er hat Wert darauf gelegt, seine Unterschrift leugnen zu können, wenn gegen ihn Anklage wegen eines nicht eingehaltenen Eheversprechens erhoben wird.«

      »Nein, das ist nicht der Punkt. Ich werde aber jedenfalls zwei Briefe schreiben, die die Sache klären sollten. Einen an eine Firma in der City, den anderen an Mr. Windibank, den Stiefvater der jungen Dame, mit der Frage, ob er bereit wäre, uns hier morgen nachmittag um 6 Uhr zu treffen. Und jetzt, Doktor, können wir nichts tun, bis die Antworten auf diese Briefe eintreffen, wir können also unser kleines Problem in der Zwischenzeit beiseitelegen.«

      Ich hatte so viele gute Gründe, an das feinsinnige Denkvermögen meines Freundes zu glauben, daß ich sicher war, er müsse ausreichenden Anlaß zu der selbstsicheren und gelassenen Art haben, in der er das einzigartige Rätsel handhabte, das auszuloten man ihn gebeten hatte. Nur einmal hatte ich ihn versagen sehen, im Fall mit der Photographie von Irene Adler und dem König von Böhmen; wenn ich aber an die unheimliche Geschichte des Zeichens der Vier und die außerordentlichen Umstände im Zusammenhang mit der Studie in Scharlach zurückdachte, schien es mir, es müßte eine wahrhaft seltsame Verwicklung sein, die er nicht aufzulösen vermöchte.

      So verließ ich ihn, der noch immer seine schwarze Tonpfeife paffte, in der Überzeugung, bei meiner Rückkehr am nächsten Abend festzustellen, daß er alle Hinweise in Händen hielt, die uns zur Identität von Miss Mary Sutherlands verschwundenem Bräutigam fuhren würden.

      Ein sehr ernster Fall forderte zu dieser Zeit meine berufliche Aufmerksamkeit, und den ganzen nächsten Tag verbrachte ich neben dem Bett des Leidenden. Erst kurz vor sechs Uhr fand ich die Zeit, in eine Kutsche zu springen und zur Baker Street zu fahren; fast fürchtete ich, zu spät zu kommen, um dem dénouement des kleinen Rätsels beizuwohnen. Ich traf Sherlock Holmes jedoch allein an; in die Tiefen des Lehnsessels gekuschelt schien seine lange, dünne Gestalt entschlummert zu sein. Eine gewaltige Menge von Flaschen und Reagenzgläsern sowie der stechende, saubere Geruch von Salzsäure sagten mir, daß er den Tag mit seinen geliebten chemischen Arbeiten zugebracht hatte.

      »Na, haben Sie es gelöst?« fragte ich beim Eintreten.

      »Ja. Es war Baryt-Bisulphat.«

      »Nein, nein, das Rätsel!« rief ich.

      »Ach, das! Ich dachte an das Salz, mit dem ich gearbeitet habe. Im übrigen war der Fall nie rätselhaft, wenn er auch, wie ich gestern sagte, einige interessante Einzelheiten aufweist. Der einzige Nachteil dabei ist, daß es, fürchte ich, kein Gesetz gibt, mit dem man dem Schuft zu Leibe rücken kann.«

      »Wer ist es denn, und was hat er beabsichtigt, als er Miss Sutherland im Stich gelassen hat?«

      Ich hatte die Frage kaum ausgesprochen und Holmes hatte noch nicht den Mund geöffnet, um zu antworten, als wir schwere Schritte im Flur und ein Klopfen an der Tür hörten.

      »Das ist der Stiefvater des Mädchens, Mr. James Windibank«, sagte Holmes. »Er hat mir geschrieben, daß er gegen sechs Uhr hier sein würde. Treten Sie ein!«

      Der Mann, der den Raum betrat, war stämmig und mittelgroß, in den Dreißigern, glattrasiert und blaßhäutig, mit einem sanften, einschmeichelnden Gesichtsausdruck und zwei überaus scharfen und durchdringenden, grauen Augen. Er warf jedem von uns einen fragenden Blick zu, legte seinen glänzenden Zylinder auf das Bord und ließ sich mit einer angedeuteten Verbeugung in den nächsten Sessel fallen.

      »Guten Abend, Mr. James Windibank«, sagte Holmes. »Ich glaube, dieser mit der Maschine geschriebene Brief, in dem Sie sich mit mir für sechs Uhr verabredet haben, stammt von Ihnen.«

      »Ja, Sir. Ich fürchte, ich komme ein wenig zu spät, aber ich bin nicht ganz mein eigener Herr, wie Sie wohl wissen. Ich bedaure es, daß Miss Sutherland Sie mit dieser Angelegenheit behelligt hat; ich glaube nämlich, es ist viel besser, wenn man solche Art Wäsche nicht in der Öffentlichkeit wäscht. Sie ist gegen meinen ausdrücklichen Willen gekommen, aber sie ist ein leicht erregbares, impulsives Mädchen, wie Ihnen aufgefallen sein mag, und es ist nicht einfach, sie zurückzuhalten, wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat. Natürlich habe ich nichts Besonderes gegen Sie, da Sie ja nichts mit der offiziellen Polizei zu tun haben, aber es ist nicht sehr erfreulich, wenn über ein derartiges Mißgeschick einer Familie überall gemunkelt wird. Davon abgesehen ist es nutzlose Geldverschwendung – wie könnten Sie denn wohl je diesen Hosmer Angel ausfindig machen?«

      »Im Gegenteil«, sagte Holmes ruhig; »ich habe gute Gründe, anzunehmen, daß es mir gelingen wird, Mr. Hosmer Angel zu entdecken.«

      Mr.

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