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Die Abenteuer des Sherlock Holmes. Arthur Conan Doyle
Читать онлайн.Название Die Abenteuer des Sherlock Holmes
Год выпуска 0
isbn 9783955012373
Автор произведения Arthur Conan Doyle
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Ihre Erlebnisse sind ausgesprochen unterhaltsam«, bemerkte Holmes, als sein Klient eine Pause machte und sein Gedächtnis mittels einer großen Prise Schnupftabaks auffrischte. »Bitte, fahren Sie fort mit Ihrem sehr interessanten Bericht.«
»In dem Büro war nichts außer ein paar Holzstühlen und einem Verkaufstisch, hinter dem ein kleiner Mann saß, mit einem Schopf, der noch röter war als meiner. Er hat mit jedem Kandidaten, der an die Reihe kam, ein paar Worte gewechselt, und dann hat er immer irgendeinen Fehler an ihnen gefunden, der sie ausschloß. So einfach schien es dann doch nicht zu sein, an die freie Stelle zu kommen. Als wir an die Reihe gekommen sind, war der kleine Mann mir gegenüber aber wohlwollender als zu irgendeinem der anderen, und als wir eingetreten waren, hat er die Tür geschlossen, um ungestört mit uns reden zu können.
›Das ist Mr. Jabez Wilson‹, sagt mein Assistent, ›und er ist bereit, eine freie Stelle in der Liga aufzufüllen.‹
›Und er ist bestens dazu geeignet‹, antwortet der andere. ›Er erfüllt alle Voraussetzungen. Ich kann mich nicht erinnern, jemals etwas so Schönes gesehen zu haben.‹ Er geht einen Schritt zurück, legt seinen Kopf auf die Seite und starrt mein Haar an, bis ich ganz verlegen werde. Dann ist er plötzlich vorwärts gesprungen, hat mir die Hand geschüttelt und mir sehr freundlich zu dem Erfolg gratuliert.
›Es wäre ungerecht, zu zögern‹, sagt er. ›Trotzdem werden Sie mir sicher verzeihen, daß ich eine verständliche Vorsichtsmaßnahme treffe.‹ Damit packt er mich mit beiden Händen am Haar und zieht, bis ich vor Schmerzen schreie. ›Sie haben Wasser in den Augen‹, sagt er, als er mich losläßt. ›Ich sehe, alles ist, wie es sein sollte. Aber wir müssen uns vorsehen, wir sind nämlich schon zweimal mit Perücken und einmal mit Farbe getäuscht worden. Ich könnte Ihnen Geschichten von Schusterpapp erzählen, die Sie mit Abscheu vor der menschlichen Natur erfüllen würden.‹ Dann ist er zum Fenster gegangen und hat, so laut er konnte, hinausgeschrien, daß die freie Stelle besetzt ist. Von unten kam ein Stöhnen der Enttäuschung, und die ganzen Leute haben sich in alle Himmelsrichtungen davongemacht, bis außer meinem und dem des Geschäftsführers kein roter Schopf mehr zu sehen war.
›Ich bin Mr. Duncan Ross‹, sagt er, ›und ich selbst bin einer derjenigen, die aus dem Fonds, den unser edler Wohltäter hinterlassen hat, ein Gehalt beziehen. Sind Sie verheiratet, Mr. Wilson? Haben Sie Familie?‹
Ich antworte ihm, daß ich keine habe.
Sein Gesicht wird sogleich düster.
›Liebe Güte!‹ sagt er ernst, ›das ist schlimm! Ich bin sehr traurig, das zu hören. Der Fonds war natürlich gedacht für die Fortsetzung und Verbreitung von Rotschöpfen und ihren Unterhalt. Es ist sehr traurig, daß Sie Junggeselle sind.‹
Ich habe natürlich ein langes Gesicht gemacht, Mr. Holmes, weil ich dachte, ich würde die freie Stelle am Ende doch nicht bekommen; aber nachdem er es sich ein paar Minuten überlegt hatte, sagte er, es ginge in Ordnung.
›Bei einem anderen‹, sagt er, ›wäre das ein entscheidendes Hindernis, aber bei einem Mann mit einem Schopf, wie Sie ihn haben, muß man schon einmal fünf gerade sein lassen. Wann werden Sie sich Ihren neuen Pflichten widmen können?‹
›Nun, das ist ein bißchen schwierig, weil ich nämlich schon ein Geschäft habe‹, sage ich.
›Oh, machen Sie sich deswegen keine Sorgen‹, Mr. Wilsons, sagt Vincent Spaulding. ›Darum werde ich mich schon für Sie kümmern.‹
›Wie sehen meine Dienstzeiten aus?‹ frage ich.
›Zehn bis zwei.‹
Nun macht ein Pfandleiher seine Geschäfte meistens am Abend, Mr. Holmes, vor allem donnerstags und freitags, vor dem Zahltag; es würde mir also gut zupaß kommen, an den Vormittagen ein wenig zu verdienen. Außerdem wußte ich, daß mein Assistent ein guter Mann ist und sich um alles kümmert, das anfallen kann.
›Das ist mir sehr recht‹, sage ich. ›Und die Bezahlung?‹
›Vier Pfund pro Woche.‹
›Und die Arbeit?‹
›Ist rein symbolisch.‹
›Was nennen Sie rein symbolisch?‹
›Nun, Sie müssen die ganze Zeit im Büro oder wenigstens im Gebäude zubringen. Wenn Sie es verlassen, geben Sie Ihre gesamte Stellung für immer auf. Das Testament ist in dieser Beziehung sehr klar. Sie erfüllen die Bedingungen nicht, wenn Sie sich in dieser Zeit aus dem Büro rühren.‹
›Es sind ja nur vier Stunden am Tag, und ich denke nicht daran, in dieser Zeit zu gehen‹, sage ich.
›Alle Entschuldigungen wären zwecklos‹, sagt Mr. Duncan Ross, ›weder Krankheit noch Geschäft noch sonst etwas. Sie müssen dableiben, oder Sie verlieren Ihre Stellung.‹
›Und die Arbeit?‹
›Besteht daraus, aus der Encyclopedia Britannica abzuschreiben. In dem Schrank da liegt der erste Band. Tinte, Federn und Löschpapier müssen Sie sich selbst beschaffen, aber wir stellen diesen Tisch und diesen Stuhl zur Verfügung. Können Sie morgen anfangen?‹
›Natürlich‹, sage ich.
›Dann good-bye, Mr. Jabez Wilson, und erlauben Sie, daß ich Sie nochmals zu der wichtigen Stellung beglückwünsche, die Sie so glücklich errungen haben.‹ Er hat mich höflich aus dem Raum geleitet, und ich bin zusammen mit meinem Assistenten heimgegangen; ich wußte kaum, was ich sagen oder tun sollte, so zufrieden war ich mit meinem glücklichen Los.
Dann habe ich den ganzen Tag lang über die Sache nachgedacht, und abends war ich wieder in bedrückter Stimmung, denn ich hatte mir selbst eingeredet, daß die ganze Angelegenheit ein großer Scherz oder Schwindel sein mußte, obwohl ich mir nicht denken konnte, was man damit bezwecken mochte. Es erschien mir gänzlich unglaublich, daß jemand solch ein Testament machen oder solch eine Summe für eine so einfache Arbeit, wie die Encyclopedia Britannica abschreiben, bezahlen sollte. Vincent Spaulding hat getan, was er konnte, um mich aufzuheitern, aber als es Zeit war, ins Bett zu gehen, hatte ich mir die ganze Sache, aus dem Kopf geschlagen. Am Morgen war ich jedoch entschlossen, mir jedenfalls alles anzusehen, also habe ich für einen Penny eine kleine Flasche Tinte gekauft und mich mit einem Federkiel und sieben Blatt Kanzleipapier nach Pope's Court auf den Weg gemacht.
Zu meiner Überraschung und Freude war aber alles so, wie es nicht besser sein konnte. Der Tisch stand für mich bereit, und Mr. Duncan Ross war anwesend, um dafür zu sorgen, daß ich gut in die Arbeit hineinkam. Er hat mich mit dem Buchstaben A anfangen lassen, und dann ist er gegangen, aber er wollte von Zeit zu Zeit hineinschauen, um sicher zu sein, daß mit mir alles in Ordnung war. Um zwei Uhr hat er mir einen guten Tag gewünscht, mir Komplimente wegen der Menge gemacht, die ich geschrieben hatte, und dann hinter mir die Bürotür abgeschlossen.
So ging es Tag für Tag, Mr. Holmes, und am Samstag kam der Geschäftsführer und hat mir für meine Wochenarbeit vier goldene Sovereigns auf den Tisch gelegt. Genau so war es in der nächsten Woche und auch in der Woche danach. Jeden Morgen war ich um zehn Uhr da, und jeden Nachmittag bin ich um zwei Uhr gegangen. Nach und nach gewöhnte sich Mr. Duncan Ross daran, nur noch einmal am Vormittag hereinzukommen,