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und so öffnete sich eine Art von Bresche, welche die Doppelreiter benutzten, mitten in den Zug zu sprengen. Sie kamen zwei Schritt vor dem Pferde der Herzogin von Touraine vorüber, welches dadurch scheu wurde und gewiss Madame Valentine umgeworfen haben würde, hätte nicht der Sir von Craon den Zügel des Pferdes ergriffen, als es eben überschlagen wollte. Die beiden Reiter ritten gerade auf die Königin zu, warfen das Paradies auf die Hölle, den Tod auf das Fegefeuer, die christlichen Tugenden auf die Todsünden. So gelangten sie bis zu der Sänfte unter dem lauten Geschrei des Volkes, welches sie für Bösewichter oder für Wahnsinnige hielt, und verfolgt von den Herzogen von Touraine und von Bourbon, welche irgendeine verräterische Absicht fürchteten, und das Schwert gezogen hatten sie zu verteidigen.

      Die Königin ihrerseits hatte viel Furcht über den ganzen Lärm. Sie wusste die Ursache davon noch nicht, als sie die beiden Schuldigen zwischen dem Abgeordneten des Kaufmannstandes und der Sänfte erblickte. Ihre erste Bewegung war, sich rückwärts zu werfen, aber der auf der Croupe des Pferdes sitzende Reiter flüsterte ihr heimlich einige Worte, lüftete seine Kuppe, zog eine schwere goldene Kette mit Diamanten und Lilien vor und hing sie der Königin um den Hals, welche sich anmutig vorbeugte, das Geschenk zu empfangen, dann gab er seinem Pferde die Sporen und sprengte wie ein Blitz davon. Fast in demselben Augenblicke langten die Herzöge von Touraine und Burgund an; sie hatten von dem Vorgefallenen nichts gesehen, als dass diese Männer die Königin in ihrer Gewalt hielten und schwangen ihre Schwerter unter dem Geschrei: »Tod, Tod den Verrätern!«

      Das Volk stand überall so dicht gedrängt, dass sich kaum bezweifeln ließ, sie würden die unbekannten Reiter einholen, zumal diese eben so viel Mühe hatten die Rue Saint Denis zu verlassen, wie zu vor, in sie einzudringen. Jedermann erwartete daher eine Katastrophe, als die Königin sich in ihrer Sänfte erhob, die Arme gegen ihren Vetter und ihren Schwager ausstreckte und ängstlich ausrief: »Messeigneurs! Was wollt Ihr beginnen? Es ist der König!«

      Die beiden Herzöge hielten sogleich an, zitterten jetzt selbst, dass ihrem Herrscher etwas widerfahren möchte; sie stellten sich im Bügel hoch in die Höhe, streckten ihre Schwerter mit gebieterischer Bewegung gegen das Volk aus und schrien mit lauter Stimme: »Es ist der König, Ihr Herren!«– Dann schwangen sie ihre Barett's und riefen: »Ehre und Achtung dem König!«

      Der König, denn es war in der Tat Karl VI. selbst, der hinter dem Messire Karl von Sabois auf der Croupe saß, antwortete auf diese Worte, indem er seine Kapuze erhob und an seinem langen kastanienbraunen Haar, an seinen blauen Augen, seinem etwas großen aber mit prächtigen Zähnen gezierten Munde, an der Anmut seines Benehmens, und besonders an dem Wohlwollen, das aus seinem Gesichte sprach, erkannte das Volk den König, für den es, ungeachtet des Unglückes, von dem es während seiner Regierung bedrückt wurde, den Namen des Vielgeliebten bewahrte, den es ihm an dem Tage seiner Thronbesteigung im Voraus gab. Das Geschrei: »Weihnachten!« ertönte jetzt von allen Seiten; die Stallmeister und Pagen schwangen die Banner ihrer Gebieter, die Damen ihre Schärpen und Tücher. Die Riesenschlange, die sich die ganze Länge der Rue Saint Denis hinzog, schien ihre Lebendigkeit zu verdoppeln und tätiger ihre bunten Ringel von dem Schweife nach dem Kopfe zuzuschieben, denn Jeder machte den Versuch, den König zu sehen, aber die offene Bahn benutzend, die Ehrfurcht vor ihm bildete, als sein Inkognito verraten war, war Karl VI. schon verschwunden. Es verlief wohl eine halbe Stunde, die dies Ereignis gestört hatte, ehe die Ruhe wieder hergestellt war. Die Menge wurde noch durch eine Aufregung gestört, welche verhinderte, dass Jeder feinen Platz wie der einnahm. Messire Peter von Craon benutzte dies, um boshaft gegen Madame Valentine zu bemerken, dass ihr Gemahl, der vielleicht allein den Aufenthalt verringern könnte, wenn er an ihre Seite zu rückkehrte, ihn im Gegenteil verlängere, indem er mit der Königin plaudere und so die Sänfte, die das Signal zum Wiederaufbruche geben sollte, ab hielt, sich in Marsch zu setzen. Madame Valentine versuchte bei diesen Worten gleichgültig zu lächeln, aber ein halb unterdrückter Seufzer rang sich dabei aus ihrer Brust und strafte ihre Zunge Lügen; denn, sagte sie mit einer Stimme, deren Zittern sie vergeblich zu verbergen suchte: »Messire Peter, wes halb macht Ihr diese Bemerkung nicht gegen den Herzog selbst, da Ihr doch dessen Vertrauter seid?«

      »Ich werde mich hüten, es ohne Euern besondern Befehl zu tun, Madame; seine Rückkehr beraubt mich des Vorrechtes, das feine Abwesenheit mir gibt: allein über Sie zu wachen.«

      »Mein einziger und wahrer Hüter ist der Herr Herzog von Touraine, und da Ihr nur meinen Befehl abwartetet, so eilt, ihm zu sagen, ich wünschte, dass er zurückkehre.«

      Peter von Craon verneigte sich und überbrachte dem Herzoge die Worte der Madame Valentine. In dem Augenblicke, als sie Beide zu ihr zurückkehrten, ertönte unter der Menge ein gellender Schrei; ein junges Mädchen war in Ohnmacht gefallen. Dies Ereignis war etwas zu gewöhnliches bei solchen Fällen, als dass die hohen Personen, mit denen wir uns beschäftigen, darauf nur im Geringsten hätten achten sollen. Sie kehrten daher, ohne auch nur die Augen nach jener Gegend zu wenden, wo das Ereignis stattgefunden hatte, auf ihren Platz, neben der Herzogin von Touraine zurück. Als hätte der Zug nur hierauf gewartet, setzte er sich sogleich in Bewegung, aber bald fand er einen neuen Grund, Halt zu machen.

      Vor dem Tor des Châtelet von Paris war ein Gerüst erbaut; es stellte ein hölzernes Schloss dar, war aber so bemalt, als wäre es aus Stein, und an dessen Flügeln fanden zwei Wachthäuschen mit vollkommen gerüsteten Schildwachen. Der große Saal des untern Geschosses fand den Blicken der Zuschauer offen, als wäre die Mauer nach der Straße eingerissen worden. In diesem Saale stand ein Bett, das so reich und prachtvoll geschmückt war, wie das des Königs in seinem Hôtel Saint Paul; in diesem Bett, welches das Lager der Gerechtigkeit darstellte, befand sich ein junges Mädchen, als die heilige Anna.

      Um dies Schloss hatte man so viel schöne grüne Bäume gepflanzt, dass sie einen schattigen Wald bildeten, in welchem eine Menge Hafen und Kaninchen umherliefen, während zahlreiche Vögel aller Farben von Zweig zu Zweig hüpften. Die Menge wunderte sich hierüber sehr, denn sie fragte sich, wie man sonst so wilde Tiere in diesem Grade hätte zähmen können. Das Staunen stieg aber noch bedeutend, als man aus diesem Walde einen schönen weißen Hirsch hervortreten sah, der so groß war, wie die, welche im Garten des Königs sich befanden, und so künstlich gearbeitet, dass man ihn für lebend halten musste, denn ein Mensch, der darin verborgen war, bewegte seine Augen, öffnete seinen Mund und ließ seine Beine gehen. Sein Geweih war vergoldet, auf dem Halse trug er eine Krone, welche der königlichen ähnlich war, und auf der Brust hing ihm ein azurblaues Schild mit drei goldenen Lilien, das Wappen des Königs und Frankreichs. Schön und stolz trat so das edle Tier gegen das Lager der Gerechtigkeit vor, nahm mit dem rechten Vorderlaufe das Schwert, das Symbol derselben, hob es in die Luft und ließ es erzittern. In diesem Augenblicke traten aus dem entgegengesetzten Teile des Waldes ein Löwe und ein Adler hervor, die Symbole der Kraft, und diese wollten ihm mit Gewalt das heilige Schwert entreißen; aber zwölf junge, weißgekleidete Mädchen, in der einen Hand einen goldenen Rosenkranz, in der andern ein blankes Schwert tragend, traten jetzt aus dem Wald und umgaben, als Symbole der Religion, den Hirsch, wie zu dessen Verteidigung. Nach einigen vergeblichen Versuchen kehrten der Adler und Löwe besiegt in den Wald zurück. Der lebende Wald, welcher die Gerechtigkeit verteidigte, öffnete sich jetzt, und der Hirsch neigte anmutig die Knie vor der Sänfte der Königin, und diese liebkoste ihn, wie sie bei den Hirschen zu tun pflegte, die der König in dem Garten seines Hôtels hatte. Diese Anordnung fanden sowohl die Königin als die Herren ihres Gefolges sehr sinnreich.

      Indessen war die Nacht angebrochen, denn seit Saint Denis hatte man nur im langsamen Schritt vorwärts kommen können, und die verschiedenen Schauspiele während des Weges hatten den Marsch sehr verzögert; endlich nahte man sich, doch der Kirche von Notre Dame, wohin die Königin sich begeben sollte. Nur der Pont- au- Change blieb noch zu überschreiten, und man glaubte nicht, dass bis dahin irgendetwas Neues erdacht werden könnte, als man plötzlich ein wunderbares Schauspiel er blickte. Ein Mensch, wie ein Engel gekleidet, er schien an dem Dach der Türme von Notre Dame; er trug in jeder Hand eine prächtige Fackel, und ging auf einem so feinen Seile, dass man es kaum erkennen konnte. Er stieg über die Dächer der Häuser herab, und schien wie durch Wunder durch die Luft zu gleiten, bis er sich auf einem der Häuser, welche die Brücke bekränzten, niedersetzte. Als die Königin ihm gegenüber war, verbot sie ihm, aus Furcht vor irgendeinem Unglücksfalle, auf

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