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      Deinen Namen mich schützen

      Deinen Körper mich sättigen

      Dein Blut mich reinigen

      Deinen Geist mich leiten

      Dein Wesen sich spiegeln in allem, was ich bin und tue.

      image1 FÜHRUNG ÜBERNEHMEN - Warum es bei der inneren Freiheit beginnen muss

       [ Zum Inhaltsverzeichnis ]

      »Was eine christliche Gemeinschaft am dringendsten braucht, sind Menschen, die wissen, dass sie von Gott geliebt sind.«

      Dieser Satz ist die zusammenfassende Erkenntnis aus acht Jahren Kommunenleben zu Beginn unserer Ehe. Es waren fantastische, aufwühlende, lustige, anstrengende und lehrreiche Jahre. Mit einer wechselnden Schar aus Singles und verheirateten Paaren wohnten Lisa und ich mit unseren beiden ältesten Kindern in einem großen dreistöckigen Haus in Mölndal. »Das Haus«, wie wir es originellerweise nannten, war Dreh- und Angelpunkt einer christlichen Gemeinschaft, die sich in der ganzen Gegend ausgebreitet hatte. Außerdem befand sich dort auch die Redaktion der Zeitschrift »Nytt Liv« (Neues Leben), für die ich arbeitete und deren monatliche Ausgaben das intensive Hausleben noch etwas spannender machten.

      Ich könnte tausend Geschichten davon erzählen, was wir im »Haus« gelernt haben. Natürlich hat diese Zeit uns für unser gesamtes Leben geprägt und uns einen Schatz an gemeinsamen Erfahrungen geschenkt, für die wir sehr dankbar sind. Sie hat tiefe Spuren in unserer Sicht auf Gott und die christliche Gemeinde hinterlassen. Und sie hat uns ganz praktisch gezeigt, was es bedeutet, Jesus in alle Bereiche des Alltagslebens hineinzulassen. Wie oft mussten wir unser eigenes Selbstbild revidieren! Wenn man so nah beieinanderlebt, lösen sich nach und nach bestimmte Vorstellungen in Luft auf; all diese Bilder, die wir so selbstverständlich von uns und anderen haben – bis eben jemand dagegenstößt und sie zerplatzen.

      »Was eine christliche Gemeinschaft am dringendsten braucht, sind Menschen, die wissen, dass sie von Gott geliebt sind.« Irgendwo in diesem Zusammenhang nahm der Satz Gestalt an. Über andere bilden wir uns immer schneller eine Meinung als über uns selbst. Das war auch bei uns »Haus«-Bewohnern so. Es waren natürlich die Defizite anderer, die die Probleme in der Gemeinschaft verursachten. Dass ich selbst ähnliche Defizite haben könnte, erkannte ich erst viel später. Nämlich dann, als Gott sich auch in mir eine Werkstatt einrichtete und mich durch Ehekrisen, Seelsorge und stille Rückzugszeiten formte.

      Während der Jahre in der Lebensgemeinschaft habe ich beobachtet, wie Menschen, die nicht die Erfahrung gemacht haben, von Gott geliebt zu sein, dazu neigen, sich auf unterschiedlichste Weise an ihrer Umwelt zu reiben: mal beanspruchen sie zu viel Platz, mal zu wenig. Sie verlangen ständig nach Aufmerksamkeit. Sie verstummen immer in gewissen Situationen. Sie lassen sich von jeder Form von Autorität provozieren. Sie suchen unterwürfig die Nähe von Autoritäten. Solchen völlig gegensätzlichen Verhaltensweisen kann oft das gleiche Grundproblem zugrunde liegen. Und sie zeigen sich nicht selten in ein und derselben Person.

      Im Gegensatz dazu sind Menschen, die sich sicher sind, geliebt zu sein, immer ein Glück für ihre Umgebung. Nicht unbedingt durch das, was sie tun, sondern vor allem durch ihre bloße Anwesenheit. Wo sie sind, können andere zur Ruhe kommen und sie selbst sein. Wo sie sind, können Masken fallen und tiefste Wahrheiten ausgesprochen werden. Gedanken können formuliert und Entscheidungen getroffen werden, ohne dass sich diese in Prestige, Projekten oder Protesten niederschlagen müssen.

      Je mehr Führungsverantwortung ein Mensch hat, desto deutlicher wird dieses Prinzip. Nicht etwa deshalb, weil Führungskräfte größere Defizite in ihrem Selbstwertgefühl hätten oder weniger Erfahrungen mit der bedingungslosen Liebe Gottes. Sondern deshalb, weil die Defizite eines Leiters größere Auswirkungen auf andere haben. Ein verblüffender, aber nicht unterzukriegender Mythos in der Leiterausbildung lautet, dass wir ein schwaches Selbstwertgefühl durch die Ausbildung von Kompetenzen ausgleichen und dadurch stabile Führungskräfte hervorbringen könnten. Haben wir Erfahrungswerte, die das bestätigen?

      Natürlich ist es möglich, dass eine Führungspersönlichkeit ihre Position trotz eines schwachen Selbstwertgefühls gut erfüllt und wichtige Aufgaben für andere übernimmt. Aber das Risiko zu scheitern wächst, wenn zwischen professionellem Selbstbewusstsein und persönlichem Selbstwert eine Lücke klafft.

      Die entscheidende Frage ist, was Führung bedeutet. Man kann ein guter Chef werden, selbst wenn man ein geringes Selbstwertgefühl hat, weil man sein Handwerk gelernt hat und in den meisten Situationen angemessen handelt. Aber es ist sehr schwer, Vorbild und Richtungsweiser zu sein, wenn einem die sichere Verankerung in dem fehlt, was man ist.

      Das Ende der Flucht vor sich selbst

      Benedikt begründete im 6. Jahrhundert das westliche Klosterwesen. Als ein Ziel des klösterlichen Lebens beschrieb er, dass die Mönche sich im habitare secum, dem Wohnen bei sich selbst, üben sollten. Zur Hochzeit der großen durch die Völkerwanderung verursachten Umwälzungen in Europa bildeten die Klöster Inseln der Stabilität. So lautete auch das erste Versprechen eines jeden Mönchs: »Ich bleibe hier.«

      Im Lauf der Zeit lernten die Brüder, auch innerlich anzukommen. Das gemeinsame Leben in Gebet und Arbeit verschaffte ihnen Zugang zu ihrem innersten Ich – dort, wo Gott nur darauf wartete, sie zu umarmen.

      Aus ebendiesem Milieu kamen einige der wichtigsten Kirchenväter des Mittelalters. In vielen Erzählungen wird davon berichtet, wie die Mönche sich versteckten, wenn man sie zu Bischöfen machen wollte. Manchmal durften sie für eine gewisse Zeit ins Kloster zurückkehren, um sich von Machtrausch und falscher Prioritätensetzung zu erholen und zu sich selbst zurückzufinden.

      Heute haben Exerzitien die gleiche Funktion für Gemeindemitarbeiter. Eine jährliche Woche der Stille, weitab von allen Aufgaben, wird für immer mehr Menschen eine unentbehrliche Gelegenheit zu Gebet und Reflexion. Dort kann man geborgen und ohne erhobenen Zeigefinger anderer einen Blick auf sich selbst und die eigenen Beziehungen werfen: zu Gott, zur Arbeit, zu anderen Menschen. Die Geborgenheit ist ausschlaggebend, damit man sich den eigenen Schwachpunkten und Verletzungen nähern kann. Mitten unter Menschen, die voller Kritik sind und einen mit ihren Anforderungen bedrängen, wird oft Verteidigung zur Überlebensstrategie: »Ich leugne und fliehe vor Problemen, die ich vielleicht ahne und auf die die Umgebung reagiert.«

      In unserer Gesellschaft ist diese unentbehrliche Zurückgezogenheit von allen Seiten bedroht. Es geht hier nicht um aufgezwungene Einsamkeit und Mangel an engen Beziehungen, sondern um die Abgeschiedenheit, die notwendig ist, um überhaupt in guten Beziehungen leben zu können. Wenn Rückzug also eine Überlebensvoraussetzung für alle Menschen ist, gilt dies erst recht für diejenigen, die als Führungspersonen agieren sollen. Thomas Merton schrieb schon 1957:

      Nicht alle sind zum Eremiten berufen, aber alle Menschen brauchen ausreichend Stille und Einsamkeit in ihrem Leben, damit sie wenigstens manchmal die tiefe innere Stimme ihres eigenen Ichs hören können. Wenn die innere Stimme nicht vernommen wird, wenn der Mensch nicht den geistlichen Frieden erreichen kann, den die vollständige Vereinigung mit dem inneren Selbst mit sich bringt, wird sein Leben immer unglücklich und erschöpfend sein. Niemand kann lange harmonisch leben, wenn er keinen Kontakt zu den Quellen des geistlichen Lebens am Grund der eigenen Seele hat.

      Wenn der Mensch ständig aus seinem eigenen Zuhause ins Exil vertrieben wird, ausgeschlossen von seiner eigenen geistlichen Einsamkeit, hört er auf, wahrer Mensch zu sein. Er lebt nicht länger wie ein Mensch. Er ist nicht einmal ein gesundes Tier. Er wird zu einer Art Maschine ohne Freude, da er alle Spontaneität verloren hat. Er wird nicht länger von innen, sondern von außen gelenkt. Er fasst keine eigenen Beschlüsse mehr, sondern lässt für sich bestimmen. Er bewältigt nicht mehr seine Umgebung, sondern lässt sich von ihr bewältigen. Er wird von Kollisionen mit Kräften der Umgebung durchs Leben getrieben. Sein Leben ist dann kein menschliches Leben mehr, sondern wie eine

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