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      Glauben im tiefsten Sinn heißt nicht, etwas für wahr halten, glauben heißt, sich auf Gott als den VERLÄSSLICHEN zu verlassen. Im biblischen Hebräisch bezeichnet ein und dasselbe Wort Gottes felsenfeste Verlässlichkeit wie auch unser gläubiges Vertrauen auf Gott. Dieses Wort „Emunah“ (אֶמרּרׇה) kommt ebenso wie das Wort Al-Mu’min, der VERLÄSSLICHE, von einer Wurzel mit der Grundbedeutung „fest, stabil, zuverlässig“. Das Wort „Amen“ stammt auch vom selben Wortstamm ab und ist gleichsam das Siegel, das unser Glaube dieser Gegenseitigkeit von göttlicher Verlässlichkeit und menschlichem Sich-Verlassen aufdrückt.

      So ist es auch kein Zufall, dass „Amen“ für alle drei Traditionen, die sich auf Abraham als den Vater ihres Glaubens zurückführen, ein ganz zentrales Wort wurde. Wenn die drei Amen-Traditionen, die jüdische, die christliche und die islamische, „Amen“ sagen, dann bekennen sie ihren Glauben an Gott, den VERLÄSSLICHEN, ihren gemeinsamen Glauben. So endet der 41. Psalm mit einem emphatischen Amen:

      Gelobt sei der HERR, der Gott Israels,

       von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen! Ja, Amen!

      Ein christliches Kirchenlied verbindet „Amen“ ganz richtig mit der Treue Gottes, es beginnt mit den Worten:

       Amen! Amen! lauter Amen

      hat des treuen Gottes Mund.

      Ewig führet er den Namen,

      dass er aller Wahrheit Grund.

      Und bei Muhammad al-Bukhari, einem Ausleger des Korans aus dem 9. Jahrhundert, lesen wir: „Wenn der Imam Amin sagt, so sagt Amin, denn wenn sein Amin mit dem Amin der Engel zusammentrifft, so werden ihm die vergangenen Sünden vergeben.“

      Habe ich eigentlich Bekannte aus einer der anderen Amen-Traditionen? Könnte ich heute vielleicht Gelegenheit finden, mit einem von ihnen darüber zu sprechen, wie innig uns das Wort „Amen“ in unserem Glauben verbindet? Wenn ich nur Menschen meiner eigenen Tradition kenne, wie kann ich jemanden aus einer anderen Tradition kennenlernen? Das verlangt doch die Weltlage heute.

7 al-Muḥayminder BESCHÜTZER und Behüter
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      Wovor behütet mich denn eigentlich Gott, der BESCHÜTZER? Jedenfalls nicht vor Schicksalsschlägen. Von denen werden wir alle getroffen, ob wir uns unter Gottes Schutz stellen oder ob uns dieser Gedanke an göttlichen Schutz gar nicht kommt. Und doch bezeugen alle, die sich in der Hitze schwierigster Lebenslagen unter Gottes Schatten flüchten, dass dies den Kopf kühlt und das Atmen erleichtert. Worin besteht aber der Unterschied?

      Ob wir uns von Gott beschützt wissen oder nicht, die äußeren Umstände bleiben die gleichen, aber die innere Haltung des Vertrauens bewährt sich. Und zwar nicht etwa deshalb, weil wir uns selber etwas vormachen und uns etwas einreden. Nein. Das Vertrauen auf Gottes Schutz bewährt sich, weil es uns vor Verzweiflung bewahrt.

      Denn Verzweiflung macht uns blind für die Möglichkeiten, die uns trotz allem immer noch offenstehen, Vertrauen dagegen öffnet uns die Augen und lässt uns ungeahnte Auswege entdecken. Dadurch erweist sich Gott wirkkräftig als BESCHÜTZER. Gott wirkt nicht „von außen“ auf uns ein, sondern aus der innersten Tiefe des Geheimnisses, in dem unser Leben wurzelt.

      Wer in meiner Umgebung hat es zurzeit besonders schwer und braucht Schutz? Es geht nicht darum, über den BESCHÜTZER zu reden, sondern schweigend gemeinsam in den schützenden Schatten des göttlichen Geheimnisses zu treten.

8 al-cAzīzder ALLMÄCHTIGE, der Ehrwürdige
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      Das ist wieder ein Gottesname, der leicht irreführen könnte. Schon beim Wort „Macht“, das hier anklingt, schwingen zu viele Ober- und Untertöne mit von Machtmissbrauch, Unterdrückung, Ausbeutung und dergleichen. Und dann gar noch Allmacht, uneingeschränkter Machtgebrauch? Der menschliche Urglaube ahnt zwar eine Machtfülle, auf die wir hinweisen wollen, wenn wir Gott den ALLMÄCHTIGEN nennen, aber mit menschlicher Herrschermacht hat sie nichts gemein.

      Bei Menschen finden wir immer wieder die Liebe zur Macht. Bei Gott aber geht es um die Macht der Liebe. Nur diese verdient es, allmächtig genannt zu werden. Und warum? Weil es nichts gibt – wirklich absolut nichts –, was Liebe nicht verwandeln und zum Guten wenden kann. Macht ist also nicht nur einfach eine Eigenschaft Gottes, des ALLMÄCHTIGEN, sondern Gott ist Allmacht, weil Gott Liebe ist.

      Fällt dir ein wirklich liebender Mensch ein? Das wäre jemand, von dem du – nicht durch Reden, sondern durch Beobachten – lernen könntest, warum Gott der ALLMÄCHTIGE genannt wird.

9 al-Ǧabbārder KRAFTVOLLE
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      Vielleicht sollten wir Gott nicht den KRAFTVOLLEN nennen, sondern einfach Kraft. Was immer uns bei diesem Gottesnamen vorschwebt, ist ja Bild, wertvolles Bild zwar, aber doch nur Bild. Und dieser Name, so sinnvoll er ist, bleibt doch wie alle 99 Namen nur ein Hinweis auf Gottes namenlose Wirklichkeit. Ja, selbst der Name „Gott“ ist nur ein Wort für das Unnennbare, auf das er hinweist. Wie erleben wir denn diese letztlich unnennbare Wirklichkeit, die wir „Gott“ nennen? Als Kraft, als Wirkkraft. Millionen Anonymer Alkoholiker sind Zeugen für eine „Höhere Kraft“, der sie sich anvertraut haben und die ihnen möglich macht, was sonst unmöglich erschiene.

      Jeder Mensch weiß, was mit Lebenskraft gemeint ist: auf allen Ebenen, vom körperlichen bis zum höchsten geistigen Bereich. Erleben wir nicht auch in unserer eigenen Lebenskraft eine „höhere Macht“? Und je mehr die Naturwissenschaft erforscht, wie Lebendiges „funktioniert“, desto geheimnisvoller wird uns Ursprung und Wesen der Lebenskraft. Letztlich schreiben wir also nicht Gott eine Eigenschaft zu, wenn wir ihn den KRAFTVOLLEN nennen, sondern weisen staunend auf jene „Höhere Kraft“ hin, die in uns wirkt und uns doch immer unergründlich bleibt.

      Kannst du dir heute Zeit nehmen, um lange und still etwas Lebendiges anzuschauen: ein schlafendes Kind, einen Baum, deine eigene Hand? Sprich dabei still die Worte „der KRAFTVOLLE“ vor dich hin und erwäge, was du dir darunter vorstellst.

10 al-Mutakabbirder ERHABENE, der Vornehme, der Stolze
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      Was erlebst du als erhaben? Schneebedeckte Berggipfel? Einen uralten Olivenbaum? Das hoch oben verdämmernde Mittelschiff eines gotischen Domes? Und was erlebt unsere Seele bei der Begegnung mit Erhabenem? „Da grüßt sie mit Entzücken, was wahrhaft, ernst und groß“, sagt Eichendorff. Um Größe geht es also, um Ernst und Echtheit, wenn wir Gott den Namen „der ERHABENE“ geben. Größe heißt hier, dass wir uns demütig fühlen vor dem ERHABENEN.

      Demütig, jedoch keineswegs gedemütigt, ganz im Gegenteil: Wir fühlen, dass gerade in dieser Demut unsere höchste Würde liegt. Denn die Begegnung mit Erhabenem erfüllt uns mit feierlichem Ernst, aber nichts ist dabei theatralisch, alles ist echt. Ja, wie „echt“ wir selber sind, hängt davon ab, ob und wie tief Erhabenheit uns zu berühren vermag. Nur wenige andere Gefühle weisen so unmittelbar auf Unaussprechliches, Letztes hin. Ebendarum nennen wir Gott den ERHABENEN.

       Hast du manchmal Gelegenheit, unter dem Sternenhimmel zu stehen? Jedenfalls kannst du die Augen schließen und dir bewusst machen, dass es so viele Sterne im Weltall gibt wie Sandkörner an allen Stränden der Erde zusammen. Stehst du bei diesem Gedanken nicht vor dem

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