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3 al-Malikder KÖNIG
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      Gott KÖNIG zu nennen, das ist in zweifacher Hinsicht gefährlich. Einerseits könnte es nahelegen, Gott Eigenschaften zuzuschreiben, die weltliche Könige oft kennzeichnen. Das wäre ein grober Irrtum. Könige brüsten sich, doch Gott wirkt in Verborgenheit. Könige unterdrücken, Gott ermächtigt. Könige erzwingen Gehorsam, Gott aber schenkt Freiheit.

      Der Königstitel ist Sinnbild der höchsten Autorität in dem Machtsystem, dessen Grundsätze unsere Welt zu zerstören drohen. Aus diesem zweiten Grund ist es noch gefährlicher, Gott den Namen KÖNIG zu geben. Wenn wir das gedankenlos tun, dann werden wir allzu leicht abgestumpft für den Widerspruch, der zwischen zwei Machtsystemen besteht, dem königlichen und dem göttlichen. Der Widerspruch zwischen diesen beiden Machtsystemen ist jedoch absolut.

      Das Machtsystem, aus dem der Gottesname KÖNIG stammt, kennen wir in unserer Zeit nur allzu gut aus täglicher Erfahrung, wo immer wir auch leben mögen auf dieser Welt. Es ist die Machtpyramide unserer Gesellschaft, aufgebaut aus unzähligen kleineren Machtpyramiden der gleichen Art. Sie alle sind gekennzeichnet durch Gewalttätigkeit, Rivalität, Unterdrückung und Ausbeutung. Wer immer an der Spitze steht, der gilt als König.

      Woher aber kennen wir im Unterschied dazu göttliche Machtausübung? Wir erahnen sie aus der Ordnung des Universums und dem Wirken des Großen Geheimnisses, das wir Gott nennen, in der Natur. Dort finden wir statt einer Machtpyramide ein Netzwerk von Netzwerken, statt Gewalttätigkeit ein Zusammenspiel zum Wohl des Ganzen. Auch was uns auf den ersten Blick als grausamer Wettstreit erscheinen mag, fügt sich dem Ganzen ein und trägt bei zu harmonischer Ausgewogenheit. Statt Rivalität und Unterdrückung finden wir gegenseitiges Geben und Nehmen und statt Ausbeutung Teilen. Im Universum ist Gott KÖNIG, im Sinne einer ordnenden Macht, die alles durchwaltet. Den Unterschied zwischen diesen beiden Formen von Macht dürfen wir aber keinesfalls verwischen.

      Entweder ist Gott KÖNIG oder die Machthaber dieser Welt sind es. Wer Gott KÖNIG nennt – und sich dementsprechend verhält –, der fordert das bestehende Machtsystem radikal heraus und spricht den Machthabern letztlich ihre Macht ab. Mancherorts kann dich das dein Leben kosten, fast überall gefährdet diese Haltung zumindest das Ansehen in der Gesellschaft. Gott KÖNIG zu nennen, das verlangt Mut: den Mut zu einer ganz neuen Weltordnung.

       Ist Gott mein KÖNIG oder ist die höchste Autorität für mich letztlich doch mein Chef und das herrschende Machtsystem?

4 al-Quddūsder HEILIGE, der Vollkommene, der Reine
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      Bei Gipfelerlebnissen, etwa beim Miterleben der Geburt eines Kindes, bei einer einzigartigen Konzertaufführung, an einem herrlichen Tag im Hochgebirge oder unter dem hochgewölbten Himmel einer sternklaren Nacht, da kann uns Menschen das Gefühl einer Ehrfurcht gebietenden Gegenwart zugleich faszinieren und erschaudern lassen. Wir können dann das geheimnisvolle Du, das uns bei dieser Begegnung entgegenwartet, den HEILIGEN nennen.

      Wenn uns etwas zugleich fasziniert und erschaudern macht, dann nennen wir es heilig. Dem kleinen Kind am Strand muss das Meer so erscheinen, wenn es vor Freude kreischend aufs Wasser zuläuft, gleich aber wieder flieht, wenn eine Welle ihm entgegenschäumt. Als Erwachsene können wir Ähnliches fühlen, wenn ein heiliger Anblick, etwa die Silhouette der Cheopspyramide am nächtlichen Himmel, uns hinreißt, uns aber zugleich ein Gefühl wie Angst einjagt durch ihre Erhabenheit.

      Der innere Adel eines Menschen kann geradezu daran gemessen werden, wie nachhaltig Heiligkeit sein Herz berührt. Die Begeisterung einer Begegnung mit Erhabenem kann in uns eine Art Sehnsucht auslösen: Wir wollen selber so edel werden und so unverfälscht leben. Dieses Streben nach reiner Echtheit kann der Beginn heiligen (also heilen) Lebens werden. Was heil und heilig verbindet, ist der Begriff von echter, ungebrochener Ganzheit.

      Der HEILIGE ist zugleich der Heilende, der Barmherzige des vorhergehenden Gottesnamens. Heiligkeit und Barmherzigkeit gehören zusammen. Das dürfen wir nie vergessen. In der Begegnung mit dem HEILIGEN wird mir nicht nur meine eigene Unvollkommenheit bewusst, sondern vor allem die Gnade, dass der Vollkommene, der Reine, sich mir – ja mir, so wie ich bin, – zuwendet und mich heiligt. Diese Barmherzigkeit weiterzuschenken an alle, denen ich begegne, das ist wahre Reinheit, wahre Heiligkeit, wahre Ehrung des HEILIGEN. So wie reine Fensterscheiben das Sonnenlicht ungetrübt durchströmen lassen, kann ich die Barmherzigkeit des HEILIGEN durch mich hindurchströmen lassen.

       Welche Gelegenheit bietet sich mir heute, den HEILIGEN zu ehren, indem ich Barmherzigkeit rein durch mich durchscheinen lasse? Ja, diese ehrende Aufgabe ist mir zugedacht. Auf was oder auf wen könnte ich also heute durch mein Barmherzig-Sein die heilenden Strahlen des HEILIGEN zuströmen lassen?

5 as-Salāmder FRIEDE, die Quelle des Friedens
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      Was ist denn eigentlich „Friede“? Ist es nicht, wie die abendländische Philosophie des Mittelalters diesen Begriff verstand, „tranquillitas ordinis“, Stille, die aus Ordnung entspringt? Freilich dürfen wir da nicht an Friedhofsstille denken und nicht an ein schulmeisterliches „Ordnung muss sein!“ FRIEDE ähnelt mehr der dynamischen Stille einer ruhig brennenden Kerzenflamme und wurzelt in jener allumfassenden Ordnung, deren Ordnungsprinzip die Liebe ist: Liebe als gelebtes „Ja“ zur gegenseitigen Zugehörigkeit aller mit allen.

      Friede, so verstanden, bezeichnet weit mehr als eine geschichtliche Periode ohne Krieg. Wahrer FRIEDE bedeutet die harmonische Entfaltung der ganzen Fülle des Daseins. So wie in der Musik das Können eines Komponisten dissonante und konsonante Akkorde zu einer höheren Harmonie verbindet, so überbrückt und versöhnt der göttliche FRIEDE alle Widersprüche. Selbst Zwist und Eintracht dienen gemeinsam einem höheren Ganzen. Aus dieser Sicht können wir Gott den FRIEDEN nennen.

      Und wir können diesen Frieden nicht nur in geruhsamen Zeiten erleben, sondern gerade auch dann, wenn im persönlichen wie im öffentlichen Leben „Blitz aus Blitz sich reißt“, wie Joseph von Eichendorff singt:

       Schlag mit den flamm’gen Flügeln!

       Wenn Blitz aus Blitz sich reißt:

       steht wie in Rossesbügeln

      so ritterlich mein Geist.

       Waldesrauschen, Wetterblicken

      macht recht die Seele los,

      da grüßt sie mit Entzücken,

      was wahrhaft, ernst und groß.

       Es schiffen die Gedanken

      fern wie auf weitem Meer,

       wie auch die Wogen schwanken:

      die Segel schwellen mehr.

      Herr Gott, es wacht Dein Wille,

      ob Tag und Lust verwehn,

       mein Herz wird mir so stille

      und wird nicht untergehn.

      Wenn ich fühle, „mein Herz wird mir so stille“, dann habe ich meinen persönlichen Bootssteg gefunden fürs Hineinsegeln in den FRIEDEN Gottes. Mögen auch die Wogen dann schwanken, die Segel schwellen: Wo kann ich in meinem Alltag solche Bootsstege finden? Sie sind leicht zu übersehen und doch ist es so wertvoll, wenn wir sie entdecken.

6 al-Muminder VERLÄSSLICHE,

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