Скачать книгу

»aber ich kann gut verstehen, daß Sie Ihre Geschwister kennenlernen wollen. Ein finanzielles Problem ist das nicht, und da ich im Moment arbeitslos bin, verfüge ich auch über genügend Zeit für eine solche Reise. Wir werden also am Wochenende in Steinhausen sein.«

      »Ich freue mich«, meinte Dr. Parker, und diese Worte kamen auch von Herzen. Er freute sich wirklich darauf, diese beiden Kinder kennenzulernen, wenn auch der Gedanke, daß sein Vater fremdgegangen sein könnte, noch immer schmerzte.

      Mit etwas gemischten Gefühlen fuhr Dr. Parker am Samstag zum Münchner Flughafen, um seine Gäste abzuholen. Karina hätte ihn gern begleitet, doch

      der Wochenend-Dienst in der

      Thiersch-Klinik, wo sie als Assistenzärztin arbeitete, hatte ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht.

      Dr. Parker stand daher allein da und war nicht ganz sicher, ob er Alec, Pamela und Perry Horn wirklich erkennen würde. Doch dann entdeckte er in der Menge einen Jungen mit dunkelblondem Haar und blauen Augen. Dabei hatte er das Gefühl, sich selbst zu begegnen. Genauso hatte er als Teenager auch ausgesehen.

      Mit wenigen Schritten war Dr. Parker bei ihm und lächelte ihn an. »Hallo, Perry, ich freue mich, dich kennenzulernen.« Dabei fuhr er ihm mit einer Hand impulsiv durch das dichte, dunkelblonde Haar und bemerkte überrascht, wie der Junge angstvoll zurückzuckte.

      »Alec Horn«, stellte sich nun der große, schlanke Mann an Perrys Seite vor.

      »Jeff Parker.«

      Die beiden Männer reichten sich die Hände. Sie waren sich auf Anhieb sympathisch.

      »Das ist Pam. Pamela«, verbesserte sich Alec und schob das vierzehnjährige Mädchen vor.

      Jeff begrüßte auch sie auf sehr herzliche Art, spürte aber im selben Moment, daß sie nicht das Kind seines Vaters war. Möglicherweise kam sie ja ganz nach ihrer Mutter, die Jeff nicht kannte. Trotzdem hatte er bei ihr nicht dieses Gefühl der Verbundenheit, wie er es bei Perry empfunden hatte.

      Zusammen machten sie sich auf den Weg zum Parkplatz, wo Jeff sein Auto abgestellt hatte. Er ließ Pamela und Perry einsteigen, dann nahm er Alec ein wenig zur Seite.

      »Perry ist völlig verängstigt«, stellte er fest.

      Alec nickte. »Ich weiß, aber das liegt nicht an mir.« Er sah Jeff an. »Es liegt auch nicht an Ihnen. Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen, aber Sie werden die Zusammenhänge sicher noch verstehen.«

      Mit dieser Antwort war Dr. Parker natürlich nicht zufrieden, doch er spürte auch, daß er von Alec keine weiteren Auskünfte bekommen würde.

      »Ihr seid für die Dauer eures Aufenthaltes selbstverständlich meine Gäste«, wechselte er das Thema, während er sich ans Steuer setzte.

      Doch Alec schüttelte den Kopf. »Ich habe bereits Zimmer im Steinhausener Gasthof gebucht.«

      »Kennt man den denn auch in Amerika?« fragte Jeff schmunzelnd.

      »Nicht direkt«, entgegnete Alec und lächelte dabei ebenfalls. »Aber man kann vieles herausbekommen.« Er warf Dr. Parker einen prüfenden Blick zu. Ob er Rebecca wohl schon kennengelernt hatte? Alec überlegte, wie er eine diesbezügliche Frage formulieren könnte, ließ es letztlich aber bleiben. Er würde noch früh genug herausbekommen, ob Rebecca zu Jeff Parker Kontakt aufgenommen hatte oder nicht.

      Jeff hielt seinen Wagen vor dem Gasthof Zum Goldenen Löwen an und begleitete Alec, Pamela und Perry noch nach oben.

      »Meldet euch bei mir, wenn ihr ausgeschlafen habt«, meinte er und fügte grinsend hinzu: »Ich habe eine Woche gebraucht, bis ich mich damals an die Zeitverschiebung gewöhnt habe.«

      Alec grinste zurück. »Ich hoffe, wir werden es etwas schneller schaffen.« Dann wurde er unvermittelt ernst. »Lassen Sie sich von meiner Schwester nicht über den Tisch ziehen, Jeff.«

      Auch Dr. Parker wurde ernst. »Was soll das heißen?«

      Alec hielt seinem Blick stand. »Ich kenne meine Schwester. Sie hat schon eine ganze Menge Menschen betrogen.« Er seufzte tief auf. »Sie weiß ganz genau, daß ich das, was sie tut, nicht billige, deshalb weiht sie mich auch grundsätzlich nicht ein… jedenfalls nicht so, daß ich wirklich etwas in der Hand hätte. Ich erfahre immer nur Teilstücke der Wahrheit – und oft nicht einmal das. Ich kann Ihnen nur raten, sich vor ihr in acht zu nehmen.«

      »Danke, Alec«, murmelte Jeff und war nicht sicher, vor wem er sich hier wirklich in acht nehmen mußte. Diese Rebecca kannte er nicht, und Alec schien zumindest auf den ersten Blick ein anständiger Kerl zu sein – aber manchmal konnte man den wahren Charakter eines Menschen eben nicht auf Anhieb erkennen.

      *

      Rebecca kochte vor Wut.

      »Wie konntest du auf die hirnverbrannte Idee kommen, hierher zu reisen!« fuhr sie Alec an. »Noch dazu mit Pam und Perry! Willst du meine Pläne zunichte machen?«

      »Parker war also gar nicht der Vater von…«

      »Natürlich war er es!« fiel Rebecca ihrem Bruder grob ins Wort.

      Das Gezeter seiner Mutter hatte Perry geweckt, obwohl er durch die Zeitverschiebung eigentlich todmüde war und sich darüber hinaus auch nicht besonders wohlfühlte. Da war so ein Kratzen im Hals und ständig fröstelte er, aber er wagte es nicht einmal, sich Alec anzuvertrauen.

      Trotz der ständigen Schauer, die über seinen Rücken rieselten, stand er nun barfuß und im Pyjama an der Tür und beobachtete den heftigen Streit zwischen seiner Mutter und seinem Onkel.

      »Mama, ist Jeff mein Bruder?« wagte er leise einzuwerfen, als Rebecca in ihrer Schimpftirade kurz innehielt, um Atem zu holen.

      Wütend fuhr sie zu ihm herum.

      »Wer hat dir überhaupt erlaubt, hier hereinzukommen!« fuhr sie ihren Sohn an, fertigte ihn mit zwei heftigen Ohrfeigen ab und stieß ihn dann auf den kleinen Balkon, der zu diesem Zimmer gehörte. Als sie die Tür hinter ihm abschloß, ging Alec einen wütenden Schritt auf sie zu.

      »Du kannst ihn doch nicht einfach aussperren!« begehrte er auf. »Regen und Wind machen die Nacht eisig kalt! Er kann sich eine Lungenentzündung holen!«

      Ungerührt zuckte Rebecca die Schultern. »Na und? Er hat ja schließlich seinen Arzt mitgebracht.« Dabei war ihre Stimme voller Sarkasmus. Dann wies sie mit ausgestreckter Hand zur Tür. »Und nun verlaß mein Zimmer.«

      »Nicht bevor du Perry hereingeholt hast«, entgegnete Alec entschieden.

      »Du hast mir nichts zu befehlen!« wies Rebecca ihn zurecht. »Perry ist mein Sohn und ich behandle ihn, wie ich es für richtig halte. Sein Ungehorsam wird bestraft und wenn ich der Meinung bin, daß er genug gelitten hat, dann werde ich ihn hereinholen – vorher nicht. Und nun verschwinde!«

      Doch so leicht ließ sich Alec nicht abwimmeln. »Perry war doch gar nicht ungehorsam! Er hat lediglich gefragt…«

      »Hör zu, Alec«, fiel Rebecca ihm mit gefährlich leiser Stimme ins Wort. »Du verdankst es einzig mir und meinem Geld, daß du Arzt werden konntest. Du magst zwar älter sein als ich, aber mit deiner Weichherzigkeit hättest du es nach Vaters Tod nie geschafft, auch nur zu einer Spur von Wohlstand zu kommen. Ich habe dir das Studium ermöglicht und mir allein verdankst du es, daß du deinen Lebensstandard trotz deiner momentanen Arbeitslosigkeit beibehalten kannst. Als Gegenleistung verlange ich, daß du tust, was ich sage. Und nun verschwinde.«

      Alec zögerte. Er wollte Perry aus der Kälte holen, aber er wußte auch, daß es ihm nicht gelingen würde, indem er versuchte, Rebecca dazu zu zwingen. Vermutlich war es für Perry das beste, wenn er jetzt lieber einlenkte. Sobald er nicht mehr im Zimmer war, würde sie den Jungen wohl eher hereinholen.

      Daran dachte Rebecca jedoch gar nicht. Sie wollte Perry eine Lektion erteilen – wenn sie auch gar nicht so ganz genau wußte, weshalb.

      *

      Dr. Daniel hatte lange mit sich gerungen, ehe er zum Steinhausener

Скачать книгу