Скачать книгу

schließlich fassungslos.

      Dr. Daniel lächelte. »Wissen Sie, Mona, in meinem Beruf erarbeitet man sich mit den Jahren auch ein bißchen Menschenkenntnis und gerade bei Ihnen war das nicht ganz so schwierig. Sie sind ein sehr offener Mensch, sprechen aus, was Sie denken und fühlen… es war also wirklich kein allzu großes Problem, Sie richtig einzuschätzen.«

      Auch Mona lächelte jetzt. »Ich bin froh, daß Sie meinen Entschluß billigen.« Wieder streichelte sie liebevoll über ihren Bauch. »Er ist mir wahrlich nicht leichtgefallen und vermutlich haben Sie recht: Ich werde sicher noch mit Zweifeln zu kämpfen haben, aber dann werde ich immer an das denken, was Sie mir gerade gesagt haben: Man kann nicht zwei verschiedene Dinge mit ganzem Herzen tun. Etwas käme dabei zu kurz, und das will ich nicht.«

      *

      Als Bernd Köster erwachte, registrierte er als erstes den Schlauch in seinem Mund. Mit der Zunge wollte er danach tasten, doch sein Körper gehorchte den Befehlen des Gehirns noch nicht.

      Die Erinnerung an das, was er im Dämmerzustand erlebt hatte, wurde wieder wach. Irgend jemand hatte ihm einen Schlauch in den Hals geschoben, und offensichtlich steckte er noch immer dort. Überhaupt fühlte sich sein Hals rauh und trocken an. Er mußte husten und würgen, was den Druck verstärkte und zu unerträglichen Schmerzen im Brustkorb führte.

      »Ganz ruhig, Herr Köster, es ist alles in Ordnung«, hörte er eine sanfte Frauenstimme. Gleich darauf rückte das Gesicht einer Krankenschwester in sein Blickfeld. Wieder mußte er husten und würgen. Er wollte den Schlauch herausziehen, doch er konnte sich nicht bewegen. Nicht einmal den Arm konnte er heben, was bei ihm zu plötzlicher Panik führte.

      »Herr Köster, können Sie mich hören?«

      Es war offensichtlich ein Arzt, der diese deutlichen Worte sprach. Bernd konnte blaue Augen, dunkelblonde Haare und einen kurzgeschnittenen Vollbart erkennen und erinnerte sich vage daran, daß er diesen Mann auch an der Unfallstelle gesehen hatte.

      Er wollte auf die Frage des Arztes antworten, doch sprechen war wegen des Schlauches nicht möglich und als er zu nicken versuchte, bemerkte er, daß er nicht einmal seinen Kopf bewegen konnte.

      Gelähmt! schoß es ihm durch den Kopf. Am ganzen Körper gelähmt!

      Seine Panik verstärkte sich. Der würgende Husten wurde immer schlimmer. Röchelnd holte Bernd tief Luft, was die Schmerzen in seinem Brustkorb ins Unerträgliche steigerte.

      »Bernd, beruhigen Sie sich.«

      Mit diesen Worten tauchte das Gesicht des Arztes, der ihn an der Unfallstelle versorgt hatte, in seinem Blickfeld auf. Allein die Anwesenheit Dr. Scheiblers und sein ruhiger, bestimmter Ton vermochten Bernd ein wenig zu beruhigen. Doch in seinen weit aufgerissenen Augen stand immer noch nackte Angst.

      »Ganz ruhig, mein Junge«, fuhr Dr. Scheibler fort und legte besänftigend eine Hand auf Bernds Kopf. Die Tatsache, daß er diese Berührung fühlen konnte, entspannte ihn ein wenig. Der Hustenreiz ließ nach.

      »So ist es gut, Bernd«, meinte der Chefarzt behutsam. »Ich weiß, daß Sie mich hören können, und vermutlich erkennen Sie mich auch wieder. Ich bin Dr. Scheibler, der Chefarzt hier. Sie hatten einen schweren Unfall. Dabei haben Sie sich etliche Rippen gebrochen, und deshalb müssen wir Sie künstlich beatmen. Sie hätten sonst ganz fürchterliche Schmerzen und das wollen Sie doch nicht.«

      Erneut versuchte Bernd die Hand zu heben und als es nicht ging, geriet er wieder in Panik. Er hustete und würgte, was sich noch verstärkte, je mehr er sich seiner absoluten Bewegungslosigkeit bewußt wurde. Plötzlich begriff Dr. Scheibler, was mit ihm los war. Er gab Dr. Parker, der dem Patienten schon ein starkes Beruhigungsmittel in die Infusionskanüle spritzen wollte, ein Zeichen zu warten.

      »Bernd, hören Sie mir zu!« verlangte Dr. Scheibler jetzt mit unüberhörbarer Strenge. Sein bestimmter Ton bewirkte auch diesmal, daß der junge Mann ein wenig ruhiger wurde. »Sie sind nicht gelähmt. Haben Sie gehört? Sie können sich im Moment nicht bewegen, weil Sie in einem Gipskorsett liegen, aber Sie sind nicht gelähmt.«

      Tränen der Erleichterung rollten über Bernds Wangen.

      »Ist schon gut, mein Junge.« Noch einmal legte er seine Hand auf Bernds Kopf. »Ich weiß, es ist schlimm für Sie, so dazuliegen, aber im Moment haben wir leider keine andere Wahl, als Sie zu absoluter Bewegungslosigkeit zu verdammen. Wir werden Sie jetzt wieder einschlafen lassen, dann ist es erträglicher für Sie.«

      Dr. Parker drückte die Spritze auf die Infusionskanüle und preßte so den Inhalt direkt in die Vene. Augenblicklich begannen Bernds Lider zu flattern, dann war er eingeschlafen.

      »Ich hätte nicht gedacht, daß es dir noch gelingen würde, ihn zu beruhigen«, meinte Dr. Parker. »Wenn die Patienten versuchen, den Tubus auszuhusten, dann herrscht meistens Alarmstufe rot, und man hat in der Regel nur noch zwei Möglichkeiten: Entweder sofort extubieren oder schnellstens schlafen schicken.«

      »Er hatte lediglich Angst, und das ist verständlich«, erwiderte Dr. Scheibler. »Stell dir vor, du würdest nach einem Unfall im Krankenhaus erwachen und könntest dich nicht bewegen, nicht sprechen… Ich bin sicher, daß du da auch in Panik geraten würdest.«

      Dr. Parker nickte aus eigener Erfahrung.

      Er konnte das sogar sehr gut nachempfinden, denn immerhin hatte er nach seinem schweren Autounfall auch so ähnlich dagelegen.

      »Ich wäre ganz sicher in Panik geraten, wenn nach dem Aufwachen nicht Karina bei mir gewesen wäre«, gestand er.

      »Na siehst du«, meinte Dr. Scheibler, dann sah er Schwester Alexandra an. »Spritzen Sie vor Beendigung Ihrer Schicht noch einmal nach. Er sollte in den nächsten Tagen möglichst selten zu sich kommen.« Er warf einen Blick auf die Uhr. »Seine Eltern werden schon auf mich warten.«

      »Dann heißt es für dich also Farbe bekennen«, folgerte Dr. Parker.

      Der Chefarzt gab ihm recht. »So ähnlich, ja.« Er sah zu Bernd zurück. »Ihm kann man die Wahrheit noch nicht zumuten.« Dann seufzte er tief auf und machte sich auf den Weg zu seinem Büro.

      Es stellte sich heraus, daß nicht nur Bernds Eltern gekommen waren, sondern auch seine beiden älteren Geschwister.

      »Was ist mit unserem Sohn!« platzte Hermine Köster sofort heraus.

      Dr. Scheibler bat die Angehörigen seines Patienten in sein Büro und bot ihnen Platz an.

      »Vorweg gleich eines«, begann er. »Herr Köster ist außer Lebensgefahr.«

      Bernds Mutter brach in Tränen der Erleichterung aus.

      »Und wo ist der Haken an der Sache?« wollte sein Bruder Markus wissen.

      Dr. Scheibler atmete tief durch. »Herr Köster hat sich bei dem Unfall einen Wirbelbruch zugezogen.« Er schaltete den Bildschirm ein, vor dem ein Röntgenbild hing, das offensichtlich Bernds Wirbelsäule zeigte. Der Chefarzt deutete auf eine Stelle an dem Bild. »Die Verletzung liegt genau hier, und sie ist unglücklicherweise instabil, das heißt, daß die Wirbel im Bereich der Verletzung nicht mehr befestigt sind. Es ist zwar möglich, daß die Verletzung ausheilt, wenn Herr Köster lange genug im Gipskorsett liegt, aber die Wahrscheinlichkeit, daß ein gewisses Restrisiko bestehen bleibt, liegt sehr nahe.«

      »Was ist das für ein Risiko?« wollte Markus wissen, während seine Eltern und seine Schwester wie erstarrt zuhörten.

      Dr. Scheibler zögerte – nicht, weil er etwa die Wahrheit verschweigen wollte, sondern weil er das, was im Körper seines Patienten ablaufen könnte, jetzt so anschaulich wie möglich erklären mußte.

      »Es könnte sein, daß sich die Wirbel einmal verschieben… sei es durch eine unbedachte, ruckartige Bewegung, durch einen erneuten Unfall oder ähnliches. Wenn das passieren würde, dann könnte im ungünstigsten Fall das Rückenmark in Mitleidenschaft gezogen werden, und das würde eine Querschnittslähmung zur Folge haben.«

      Hermine Köster schlug mit einem leisen Aufschrei die Hände vor den Mund, aber auch ihr Mann

Скачать книгу