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diese Schwierigkeiten den grundsätzlichen Vorteil eines nunmehr fortdauernden, wenngleich diskontinuierlichen Daseins nicht aufheben.

      Wenden wir uns statt den guten Seiten des Lebens den schlechten des Todes zu, so ändert sich die Lage vollständig. Es mag zwar problematisch sein, angeben zu wollen, was wir im einzelnen am Leben für wünschenswert halten, doch wird es sich dabei wesentlich um bestimmte Zustände, Bedingungen oder Aktivitätsformen handeln. Wir finden es gut, am Leben zu sein, gewisse Dinge zu tun und bestimmte Erlebnisse zu haben. Doch sofern der Tod ein Übel ist, ist es eher der Verlust des Lebens als irgendein Zustand, tot, nicht mehr existent oder bewußtlos zu sein, an dem wir etwas auszusetzen haben.1 Diese Asymmetrie ist entscheidend. Ist es gut, am Leben zu sein, kann man dieses Gut einer Person zeit ihres Lebens zuschreiben. Mithin war Bach darin reicher als Schubert, einfach weil er länger lebte. Beim Tod hingegen handelt es sich nicht um ein Übel, von dem Shakespeare bis heute eine erheblichere Portion einstecken mußte als Proust. Ist der Tod etwas Schlechtes, fällt es nicht leicht zu sagen, wann jemand eigentlich unter dem entsprechenden Nachteil leiden sollte.

      Es gibt zwei weitere Anzeichen dafür, daß wir am Tod nicht bloß auszusetzen haben, daß er lange Perioden der Nichtexistenz einschließt. Wie gesagt würden erstens die meisten von uns ein zeitweiliges Aussetzen des Lebens, selbst für eine beträchtliche Zeitspanne, nicht schon per se für ein vergleichbares Unglück erachten. Sollte es dereinst einmal möglich werden, Menschen einzufrieren, ohne daß sich dadurch ihr bewußtes Leben verkürzte, wäre es im Grunde unangebracht, einen zu bedauern, der auf diese Weise eine Zeitlang aus dem Verkehr gezogen würde. Zweitens gilt ebensogut, daß keiner von uns existierte, bevor er geboren (oder gezeugt) wurde, daß jedoch kaum jemand dies jemals als Unglück empfindet. Davon wird später noch zu reden sein.

      Das Faktum, daß wir uns den Tod nicht als einen unglückseligen Zustand denken, gestattet es uns, eine ebenso merkwürdige wie verbreitete Vermutung über die Ursache unserer Angst vor dem Tode zurückzuweisen. Nicht selten hört man, der Fehler all derer, die etwas gegen den Tod einzuwenden hätten, bestehe in dem Versuch sich vorzustellen, wie es sich anfühlt, tot zu sein. Man versichert, daß just dieses Unvermögen, die logische Unmöglichkeit eines solchen Unterfangens einzusehen – die schlicht daher rührt, daß es da gar nichts vorzustellen gibt – das Moment sei, das zu der Überzeugung führt, der Tod sei ein mysteriöser und deshalb furchterregender künftiger Zustand. Doch kann diese Diagnose unmöglich richtig sein, und der Grund dafür ist der folgende: Es ist nicht minder unmöglich sich vorzustellen, wie es sich anfühlt, vollständig ohne Bewußtsein zu sein, wie sich vorzustellen, tot zu sein (obwohl man sich aus der Außenperspektive freilich mühelos vorstellen kann, in einem dieser beiden Zustände zu sein), und doch haben zahllose Menschen, die allerhand gegen den Tod haben, in der Regel gegen den Zustand der Bewußtlosigkeit nichts einzuwenden (jedenfalls solange damit keine entscheidende Einbuße in der Gesamtdauer ihres wachen Lebens verbunden ist).

      Soll die Auffassung überhaupt einen guten Sinn ergeben, daß es schlecht ist zu sterben, so deshalb, weil das Leben etwas Gutes ist und der Tod der entsprechende Verlust oder Mangel. Zu sterben ist nicht etwa schlecht aufgrund positiv damit einhergehender Qualitäten, sondern aufgrund des negativen Sachverhalts, daß da vormals etwas Wünschenswertes war, das uns der Tod genommen hat. Ich möchte nun zu den ernsthaften Schwierigkeiten übergehen, die diese Hypothese mit sich bringt, zu Schwierigkeiten, die sich in Angelegenheiten des Verlusts und Mangels im allgemeinen und der Frage des Todes im besonderen ergeben.

      Wir haben es im Wesentlichen mit drei Arten von Problemen zu tun. Zum ersten könnte man bezweifeln, daß für einen Menschen überhaupt etwas schlecht sein kann, ohne ihm wirklich unangenehm zu sein. Man mag insbesondere bezweifeln, daß es Übel gibt, die rein darin aufgehen, daß Gutes fehlt oder verloren geht, dabei aber niemanden voraussetzen, dem der Verlust etwas ausmacht. Zum zweiten tauchen im Zusammenhang mit dem Tod eine Reihe besonderer Schwierigkeiten auf, die damit zusammenhängen, wie man das vermeintliche Unglück überhaupt einem Subjekt zuschreiben kann. Es ist sowohl zweifelhaft, wer sein Subjekt ist, als auch, wann es vom Tod betroffen sein soll. Solange eine Person existiert, ist sie ja noch nicht gestorben, und wenn sie gestorben ist, existiert sie nicht mehr. Mithin scheint es erst gar keinen Zeitpunkt geben zu können, zu dem wir das Übel, das der Tod doch sein soll, seinem bedauernswerten Subjekt zuschreiben können. Und eine dritte Schwierigkeit betrifft die oben erwähnte Asymmetrie zwischen unseren Einstellungen gegenüber posthumer und pränataler Nichtexistenz: Wie kann die erstere schlecht sein, letztere aber nicht?

      Man sollte sich jedoch über folgendes im klaren sein: Wären dies wirklich stichhaltige Einwände dagegen, im Tod ein Übel zu sehen, dann müßten sie sich auch auf viele andere vermeintliche Übel anwenden lassen. Die erste Art von Einwänden wird in allgemeiner Form durch das Sprichwort ausgedrückt: »Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß«. Das würde bedeuten, daß wir sogar von jemandem, der von seinen Freunden betrogen, hinterrücks verspottet und von denselben Leuten, die ihm freundlich ins Gesicht lächeln, verachtet wird, solange nicht sagen können, er sei unglücklich, wie er nicht darunter leidet. Ebensogut würde es besagen, daß derjenige nicht gekränkt wird, dessen letzter Wille vom Testamentsvollstrecker mißachtet oder über den nach seinem Tod das Gerücht verbreitet wird, das literarische Werk, das ihn berühmt gemacht habe, sei in Wahrheit von seinem Bruder verfaßt worden, der im Alter von achtundzwanzig Jahren in Mexiko gestorben sei. Es scheint mir die Frage angezeigt, welche Annahmen es in Sachen dessen, was gut oder schlecht ist, eigentlich sein sollten, die zu derart drastischen Einschränkungen führen?

      Alle diese Fragen haben etwas mit der Zeit zu tun. Zweifellos gibt es Dinge (darunter mancherlei Freuden und Schmerzen), die für einen Menschen einfach aufgrund des Zustands, in dem er sich zu dieser Zeit befindet, gut oder schlecht sind. Doch gilt dies nicht von allem und jedem, das wir als gut oder schlecht für einen Menschen erachten. Häufig müssen wir erst seine Geschichte kennen, um sagen zu können, ob etwas ein Unglück für ihn ist oder nicht, vor allem, wenn es sich darum handelt, daß sich seine Situation verschlechtert oder daß er einen Verlust oder Schaden erlitten hat. Ja, in einigen Fällen ist es hierfür sogar ziemlich uninteressant, wie es ihm momentan gerade geht – so etwa im Falle des Mannes, der sein Leben damit vergeudet, quietschvergnügt nach der Spargelsprache zu suchen. Wer die Meinung vertritt, daß nur Zustände einer Person, die ihr mit Angabe eines Zeitpunkts zugeschrieben werden können, gut oder schlecht seien, könnte solchen Problemfällen natürlich dadurch Rechnung tragen wollen, daß er auf die Freuden oder Leiden hinwiese, die durch diese komplizierteren Fälle verursacht würden. Dieser Ansicht zufolge wäre es schlecht, etwas zu verlieren, verraten, betrogen und verspottet zu werden, weil der Betroffene darunter leidet – so er davon erfährt. Wir sollten uns aber fragen, welche Vorstellungen davon, was für den Menschen welchen Wert hat, es uns erlauben würden, mit diesen problematischen Fällen statt dessen auf direktem Wege fertig zu werden. Das hätte unter anderem den Vorteil, daß wir erklären könnten, warum einer eigentlich leidet, wenn er erfährt, wie glücklos er ist, und es auf eine Weise erklären könnten, die dieses Leiden als gerechtfertigt erscheinen ließe. Denn für gewöhnlich sagt man ja, daß das Aufdecken eines Verrats uns unglücklich macht, weil es schlecht ist, verraten zu werden, und nicht etwa, daß es schlecht ist, verraten zu werden, weil die Entdeckung uns unglücklich macht.

      Deshalb scheint es mir einen Versuch wert zu sein, die Ansicht zu untersuchen, daß das Subjekt fast jeden Glücks oder Unglücks eine Person ist, die nicht durch den kategorischen Zustand, in dem sie sich im betreffenden Augenblick befindet, sondern durch die Geschichte ihres Lebens und all das, was ihr in diesem Leben möglich ist, identifiziert wird – so daß sich zwar das Subjekt räumlich und zeitlich exakt lokalisieren ließe, nicht aber unbedingt auch alles Gute und Schlechte, das ihm widerfahren kann.2

      Diese Überlegungen lassen sich gut am Beispiel einer Privation veranschaulichen, die fast so schwer wiegt wie der Tod. Angenommen eine intelligente Person verletzte sich am Gehirn so stark, daß sie den Geisteszustand eines zufriedenen Säuglings zurückfällt. Alle ihr noch bleibenden Bedürfnisse können von einem Pfleger befriedigt werden, sie hat also keine Sorgen. Nahezu jedermann würde diesen Vorgang als schreckliches Unglück ansehen, und zwar nicht nur für ihre Verwandten und

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