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zog seinen Hut und verneigte sich.

      »Ich bin ein Eindringling im Märchenland, Mademoiselle.«

      »Eindringling, gewiß«, entgegnete sie kühl. »Bitte verlassen Sie das Grundstück augenblicklich auf dem Wege, auf dem Sie gekommen sind!«

      »So grausam können Sie doch nicht sein!«

      Ohne auf ihre Reaktion zu warten, stieg er die Stufen hinauf und stellte sich neben sie, so daß sie ihn deutlich im Mondschein erkennen konnte.

      Einen Moment blickte sie ihm offen ins Gesicht, dann fragte sie: »Was wollen Sie hier?«

      »Nichts!« antwortete Armand. »Ich bin ein Reisender, der sich verirrt hat - oder sollte ich sagen, der den Weg in eine verzauberte Märchenwelt gefunden hat.«

      Offensichtlich hatte seine Antwort sie beruhigt, vielleicht hatte sie etwas Schlimmeres, Gefährlicheres erwartet. Die Hand an ihrem Busen hörte auf zu zittern, und sie erwiderte ruhig und ohne Eile: »Dieser Park ist privat. Bitte entfernen Sie sich!«

      »Darf ich zuerst noch fragen, wer Sie befugt hat, derartige Befehle zu erteilen?«

      Das Mädchen richtete sich auf und erwiderte mit stolzer Stimme: »Mich braucht niemand dazu zu befugen! Ich bin die Comtesse Rêve de Valmont, und dieses Grundstück gehört mir!«

      »Rêve!« wiederholte Armand sanft. »Dann habe ich mich doch nicht getäuscht. Das hier ist ein Traum, und Sie sind der Traum im Traum!«

      »Ein Traum, Monsieur, aus dem Sie gewaltsam erwachen werden, falls Sie nicht augenblicklich gehen.«

      »Und wenn ich mich weigere?«

      Ihre Blicke trafen sich, und sie sah hastig zur Seite. Hilfesuchend schaute sie sich in dem dunklen, stillen Wald um, und er wußte, daß sie sich der Zwecklosigkeit ihrer Drohungen bewußt war. Er sah, wie sie plötzlich von einem Gefühl der Hilflosigkeit erfaßt wurde, und trat instinktiv einen Schritt zurück.

      »Verzeihen Sie mir! Ich wollte Sie nicht erschrecken. Wenn Sie möchten, daß ich gehe, werde ich es augenblicklich tun.«

      Jetzt, da er so vollkommen nachgegeben hatte, schien ihre Neugier geweckt. Sie sah ihn von oben bis unten an, sein hübsches Gesicht, die gutgeschnittenen, teuren Kleider, das Glitzern eines Diamanten an seinem kleinen Finger.

      »Sie sagten, Sie seien ein Reisender, Monsieur. Haben Sie sich vielleicht verirrt?«

      »Nein, verirrt nicht - aber mir ist etwas viel Schlimmeres passiert.«

      »Tatsächlich?« Sie zog die Brauen fragend hoch.

      »Es ist etwas, was mir noch nie zuvor passiert ist«, fuhr Armand fort. »Als ich dort hinten zwischen den Bäumen stand, nachdem ich - wie ich zugebe, Mademoiselle - durch eine verfallene Mauer in Ihr Grundstück eingedrungen war, sah ich etwas so Wunderschönes, so Erlesenes, daß mein Herz meinem Körper entflog und, wie ich glaube, für immer verloren ist.«

      Ihre Hände bewegten sich unruhig hin und her, und sie wagte es nicht, ihn anzusehen.

      »Sie - Sie meinen, Sie sind - Sie sind schon - längere Zeit hier?« stammelte sie.

      »Ein paar Sekunden - eine ganze Ewigkeit lang; einen Augenblick, der sich nicht mit den irdischen Grenzen der Zeit messen läßt.«

      Röte schoß ihr in die Wangen, die sie - falls das überhaupt möglich war - noch anmutiger machte. Schließlich sagte sie mit einer Geste, die Stolz mit Schüchternheit verband: »Ich muß Sie bitten, Monsieur, sich daran zu erinnern, daß Sie hier eingedrungen sind und daß das, was Sie sahen, weder für Ihre Augen noch für die eines anderen bestimmt war.«

      »Ich erinnere mich an nichts weiter, als daß Sie der wundervollste Mensch sind, der mir in meinem ganzen Leben begegnet ist.«

      Seine Stimme war ganz leise, und obwohl sie ihn plötzlich angsterfüllt ansah, rührte sie sich nicht vom Fleck. Beide waren sich einer geheimen Kraft bewußt, die sie zueinander hinzog, einer Art Magnetismus, der sie durchströmte und alles fremd und doch sprühend vor Leben erscheinen ließ. Dieser Strom verwandelte ihre Worte und erfüllte sie mit Erregung und einem nie gekannten Zauber.

      Einen Augenblick lang konnte keiner von beiden sich bewegen. Sie standen wie angewurzelt da, sahen einander an, ihre Blicke aneinandergeheftet wie durch eine Macht, die stärker als ihr eigener Wille und ihre Gedanken war.

      Armand spürte, daß sein Herz heftig schlug. An dem weißen Hals des Mädchens sah er das Pochen ihres Pulses und wußte, daß sie den Atem schnell und heftig zwischen ihren geöffneten Lippen ausstieß.

      Nun fragte sie flüsternd: »Wer sind Sie?«

      Es kostete ihn große Mühe, auf den Boden der Wirklichkeit zurückzukehren.

      »Ich bin Armand de Segury«, antwortete er, »und bin auf der Reise von der Normandie, meiner Heimat, nach Paris.«

      »Armand de Segury«, wiederholte sie. »Wie merkwürdig! Der Name meines Bruders ist ebenfalls Armand, und ich erwarte seine Ankunft.«

      »Heute Abend? Jetzt?« fragte Armand nur zu dem einen Zweck, die Unterhaltung fortzusetzen.

      Was spielte es schon für eine Rolle, was sie laut sagten, wenn ihre Herzen doch eine ganz andere Sprache sprachen?

      »Heute Abend, morgen oder, wie Sie sagen, vielleicht auch jetzt! Wer weiß? Er kommt von weit her und hätte eigentlich schon vor ein paar Tagen hier eintreffen sollen. Aber das interessiert Sie gewiß nicht, mein Herr! Ich habe es auch nur erwähnt, weil Sie zufällig denselben Namen tragen wir er.«

      »Doch, es interessiert mich sogar sehr«, entgegnete Armand.

      »Warum?«

      Die Frage war ziemlich naiv. Er antwortete lächelnd: »Möchten Sie wirklich die Antwort darauf hören?«

      Wieder errötete sie. Dann schien sie sich mühsam an die Regeln des Anstands zu erinnern und sagte: »Ich muß ins Haus zurück. Es ist schon spät.«

      »Ich bitte Sie, mich nicht allein zu lassen!« Seine Worte waren impulsiv, eindringlich.

      »Aber ich muß gehen! Auf Wiedersehen, Monsieur!«

      Sie streckte die Hand aus, doch statt sie, der Etikette entsprechend, zu küssen, nahm er sie in seine beiden Hände und hielt sie fest.

      »Manchmal geschehen Dinge im Leben«, sagte er, »die so außergewöhnlich sind, wie man sie sich niemals erträumt hätte. Es gibt Momente, die einzigartig sind - wundervolle Momente, wie vom Himmel gesandt. Wir wären wirklich töricht, wollten wir solche Momente, solche Ereignisse ignorieren, oder wollten wir sie als alltäglich abtun. Heute Abend ist mir ein Wunder widerfahren. Als ich dort drüben den Wald betrat, war ich ein ganz anderer Mensch, als ich es jetzt, in diesem Augenblick, bin. Können Sie mich jetzt verlassen und von mir erwarten, nach Paris zu fahren, als wäre nichts geschehen?«

      Er spürte, daß ihre Finger in seinen Händen zitterten, doch er ließ ihre Hand nicht los.

      »Ihre Reise ist zweifellos wichtig, mein Herr.«

      »Nichts ist wichtiger, als daß wir uns wiedersehen.«

      »Aber das ist unmöglich!«

      »Warum?«

      Sie zögerte.

      »Es gibt so viele Gründe, die dagegen sprechen«, meinte sie schließlich. »Sie sind ein Fremder, ich kenne Sie nicht! Wenn ich Ihnen gestattete, mir einen kurzen Besuch abzustatten, wie sollte ich dann Ihre Bekanntschaft erklären? Meine Großtante, die auch meine Anstandsdame ist, würde Fragen stellen. Außerdem erwarten wir meinen Bruder.«

      »So viele Ausreden«, murmelte Armand, »und doch würde ich ohne Eitelkeit, in aller Bescheidenheit, schwören, daß Sie mich ebenso sehr wiedersehen möchten, wie ich Sie.«

      Sie blickte zu ihm auf, und ihre Widerrede erstarb ihr auf den Lippen.

      Sie

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