Скачать книгу

wurde noch blasser, hob das Bündel schnell auf und reichte es an Savior weiter.

      Dieser steckte das Geld in die Tasche. »In einer Woche kommt mein Freund Thug zum Abkassieren. Dann hast du das Geld.« An der Tür drehte er sich noch mal zu Tony. »Beinahe hätte ich es vergessen. Solltest du irgendwelche miesen Tricks versuchen, ficke ich vor deinen Augen erst deine Frau, dann deine Tochter und im Anschluss breche ich deinem begnadeten Footballer-Sohn beide Beine, bevor ich dich in meinen Spezialkeller sperre.«

      Tony taumelte keuchend zurück und plumpste erneut auf seinen Sessel. Brauchte der Wichser ja nicht zu wissen, dass Savior niemals eine Frau vergewaltigen würde. Dem Sohn hingegen würde er tatsächlich die Beine brechen.

      Draußen vor der Tür zündete Savior sich eine Zigarette an und blickte an der bröckelnden grauen Putzfassade hoch. »Ich trau dem Kerl nicht.«

      »Ich auch nicht.« Thug ließ die Schultern kreisen, dehnte seine Halsmuskulatur. Er war seit längerem rastlos und auf Streit aus. Savior hatte ihn schon mehrfach davon abhalten müssen, irgendeinen Waschlappen tot zu prügeln. Irgendetwas ging in seinem Kopf vor, was er Savior nicht anvertrauen wollte. Für gewöhnlich störte es ihn nicht, wenn niemand über Gefühle und so´n Quatsch mit ihm reden wollte. Allerdings war es etwas anderes, wenn es den Club in Gefahr brachte. Auch wenn sie Bullen und Richter schmierten, waren sie oft genug auf dem Radar des Gesetzes und mussten Hausdurchsuchungen und Übernachtungen im Knast über sich ergehen lassen. Ein randalierendes Bandenmitglied würde nur dafür sorgen, dass ein neuer Grund gefunden wurde, um ihr Clubhaus auseinanderzunehmen.

      Savior warf die Kippe auf den Gehweg und stieg ins Auto. »Am besten du gehst nicht zum vereinbarten Termin, sondern einen Tag später hin und nimmst noch zwei Leute mit. Soll der fette Sack ruhig ein bisschen ins Schwitzen kommen. Und tu mir den Gefallen und halt dich ein bisschen zurück, Kumpel, wir wollen keine Leichen verscharren. Wo müssen wir jetzt hin?«

      »Zu Russels Corner. Dann haben wir noch zwei Läden.«

      Savior warf seinem Vize einen nachdenklichen Seitenblick zu. »Ihr habt euren Job in der letzten Zeit nicht sonderlich gut gemacht, oder?«

      Thug streckte ihm zur Antwort den Mittelfinger entgegen.

image

      Abby wartete. Auf was, wusste sie selbst nicht genau. Besseres Wetter. Oder auf den nächsten Tag. Vielleicht auch auf eine Antwort ihres Dads. Ein Lebenszeichen wäre nett. Ein kleines: Hey Krümel, ich lebe noch. Liebe Grüße Dad.

      Könnte ein Anfang sein. Aber nein. Stattdessen saß sie im Studio, tauchte die Nadel in Farbe und tätowierte dieser Tusse vor sich ein Einhorn auf das Steißbein. Ein verdammtes Einhorn!

      Als wäre das noch nicht schlimm genug, jammerte und heulte das Mädchen ohne Ende, drückte die Hand ihrer Freundin fast zu Brei und wischte sich theatralisch die Tränen von den Wangen. Musste nicht erwähnt werden, dass ihr Make-up sich längst über das Gesicht verteilte. Hatte ein bisschen was von einem Waschbär.

      »Musst du mir so weh tun?«, schnauzte sie gerade und zog ihre Nase hoch. Anscheinend hatte sie für einen Moment ihren Mumm wiedergefunden.

      »Willst du ein Tattoo oder nicht?« Abby unterbrach die Arbeit. Sie musste noch eine Vorlage für ein gigantisches Rückentattoo zeichnen. Wenn die Tussi die Schmerzen nicht aushielt, war es besser abzubrechen, bevor sie noch auf den Boden kotzte oder ohnmächtig wurde.

      »Dauert es noch lange?«, schniefte die Kundin, nun wieder kleinlaut und wehleidig. Die Freundin tätschelte ihr mitleidig die Schulter.

      »Nope«, antwortete Abby. »Vielleicht noch fünfzehn Minuten.«

      Sie fuhr mit ihrer Arbeit fort. Wann waren Einhörner in Mode gekommen und wieso? Sie konnte es fast selbst nicht glauben, dass sie in diesem Monat schon drei verdammte Einhörner tätowiert hatte. Drei! Und der Monat war gerade mal zur Hälfte herum.

      Mit einem Tuch wischte sie Blut und Farbe weg, trug eine Salbe auf und machte ein Bild von ihrer Arbeit, bevor sie mit einer Folie das frisch gestochene Tattoo abdeckte.

      »Fertig.« Abby zog sich die Handschuhe aus und warf sie in den Mülleimer.

      »Hatten wir schon über einen Preis gesprochen?«, wollte die Tussi jetzt wieder affektiert wissen.

      »Jepp, zweihundert.« Was ein bisschen übertrieben war, normalerweise nahm sie hundert für so ein winziges Ding. Aber sie hatte schon beim Beratungsgespräch mitbekommen, dass Geld keine Rolle spielte und die Mädels ohnehin keine Ahnung von den gängigen Preisen hatten.

      »Einhundertfünfzig.«

      »Nein, zweihundert.«

      »Einhundertsiebzig.«

      Abby setzte ihren besten bösen Blick auf und knurrte: »Wir sind hier nicht auf dem türkischen Basar wo du feilschen kannst, Mädel. Zweihundert und das Ganze ein bisschen zackig, ich habe noch einen Haufen Arbeit zu erledigen.«

      Die Kundin gab ihr das Geld und verschwand mit den Worten, sie wäre total unhöflich und nie wieder würde sie hierherkommen. Sollte Abby nur recht sein, sie hatte ihre Stammkunden und die ihres Vaters. Stammkunden brachten neue Stammkunden. Das war ein ungeschriebenes Gesetz. Ihr wurde nie langweilig und das Geschäft lief ausgesprochen gut.

      Weil sie ein bisschen paranoid war, schloss sie die Vorder- und Hintertür ab und setzte sich an den Tresen, um die Vorlage fertigzustellen.

      Unaufhörlich tickte die Uhr. Tick. Tack. Tick. Tack. Abby seufzte. Sie wusste nicht mal, an wen sie sich wenden sollte. Ihr Vater pflegte kaum Freundschaften. Und die wenigen, die er hatte, wussten nichts von seiner Mission. Das hatte sie längst geprüft. Es hätte sie ehrlich gesagt auch gewundert, hätte er jemanden ins Vertrauen gezogen. Trotzdem. Er konnte doch nicht einfach von der Bildfläche verschwinden. Sie wollte auch nicht bei den Bullen anrufen und fragen, ob er zufällig im Knast saß oder tot in irgendeinem Graben aufgefunden worden war.

      Bloß nicht unnötig Aufmerksamkeit erregen. Ihr Vater wusste schon, was er machte, das tat er immer.

      Er war aber auch noch nie solange weg gewesen, mischte sich eine fiese Stimme in ihrem Kopf ein.

      Stimmt.

      Verdammt.

      Abby stieß einen langen Seufzer aus. In einer Stunde würde ihr nächster Kunde kommen. Das Tattoo war genug Arbeit, um sie den Rest des Tages zu beschäftigen. Zumindest bis sie alleine in ihrem Bett lag und wieder ins Grübeln verfiel.

      »Die Nacht ist dunkel und voller Schrecken«, zitierte sie aus ihrer momentanen Lieblingsserie Game of Thrones.

      Ein plötzliches Rütteln an der Tür erschreckte sie. Ihr nächster Kunde konnte das noch nicht sein. Sie kannte den Mann nicht, der dort stand. Vorsichtig und misstrauisch ging sie um den Tresen herum zur Tür. Nur selten traute sie Menschen über den Weg. Eine Angewohnheit, die sie von ihrem Dad hatte.

      Der Mann mit dem zotteligen blonden Haar, das an den Seiten kahl rasiert und oben zu einem Dutt frisiert war, blickte sie aus braunen Augen forschend an. Seine Kleidung war nicht schmutzig, wirkte aber heruntergekommen. Verschlissene Jeans und ein ausgeblichenes Shirt mit kleinen Löchern am Saum. Der war sicher nicht wegen eines Tattoos hier.

      »Mach auf, mein Täubchen.«

      »Ich bin kein Täubchen, schon gar nicht Ihres.« Sie verschränkte die Arme. Etwas an der Art des Mannes war ihr nicht geheuer. Vielleicht war es der abgestumpfte Ausdruck in den Augen oder das humorlose Lächeln im Gesicht, mit dem er seine gelben Zähne entblößte. Nicht die »Ich scheiße auf den Zahnarzt«-Art, sondern die »Ich rauche täglich zwei Schachteln Kippen und trinke dazu zehn Liter Kaffee«-Art.

      »Was wollen Sie?«, fragte sie als er keine Anstalten machte, etwas zu sagen. Sie standen sich fast direkt gegenüber, getrennt durch die Glastür.

      Sein Blick glitt

Скачать книгу