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Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland Band 7. Martina Meier
Читать онлайн.Название Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland Band 7
Год выпуска 0
isbn 9783960743248
Автор произведения Martina Meier
Серия Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland
Издательство Bookwire
„Übrigens hat mich heute der Pastor angerufen“, begann seine Mutter unvermittelt. „Er möchte gerne, dass am Heiligabend möglichst viele Kinder den Gottesdienst mitgestalten. Und da er weiß, dass du Oboe spielst, hat er mich gefragt, ob du während des Krippenspiels zwei oder drei weihnachtliche Stücke spielen würdest.“ Seine Mutter setzte das gewinnendste Lächeln auf, das ihr zu Gebote stand, und sah ihrem Sohn direkt in die Augen. „Ich habe dem Pastor gesagt, dass du es bestimmt machst. – Das wirst du doch, oder?“
Vor Schreck hätte sich Daniel beinahe verschluckt. Er ließ den Blick von seiner Mutter zu seinem Vater wandern, dessen Miene noch immer etwas verkniffen wirkte. Wenn er jetzt seine Mutter enttäuschte, würde sich der Zorn seiner Eltern wegen seiner Unpünktlichkeit möglicherweise doch noch Luft machen, das spürte er instinktiv. Und so antwortete er – genauer: So antwortete es aus ihm heraus: „Wenn’s denn sein muss. Meinetwegen.“
„Siehst du, ich hab es doch gewusst“, sagte seine Mutter triumphierend.
Dieser Satz hatte seinem Vater gegolten. Vielleicht hatten seine Eltern bereits Wetten darauf abgeschlossen, ob er sein Einverständnis geben würde, aber danach fragte er lieber nicht mehr. Ihm war sowieso kaum noch nach Sprechen zumute. Worauf hatte er sich bloß eingelassen?
Weihnachten rückte näher, und eines Morgens war es so weit: Der Kalender zeigte unmissverständlich den 24. Dezember an. Draußen schneite es, richtiges Weihnachtswetter. Normalerweise hätte spätestens jetzt die Vorfreude auf das Fest von Daniel Besitz ergriffen, aber normal war seit drei Wochen für ihn gar nichts mehr. Stattdessen steckte ihm schon am frühen Morgen ein dicker Kloß im Hals. In wenigen Stunden begann der Heiligabend-Gottesdienst, und damit auch sein Soloauftritt. Natürlich hatten schon einige Proben stattgefunden, und der Pastor hatte sich über alle mitwirkenden Kinder lobend geäußert. Aber was war eine Probe in der leeren Kirche im Vergleich zu einer Aufführung am Heiligen Abend, an dem die kleine Kirche – es handelte sich um eine Kapelle aus dem zwölften Jahrhundert – aus allen Nähten platzen würde? Jeder falsche Ton stünde unerbittlich für Sekundenbruchteile im Raum, bevor er von den nachfolgenden Tönen abgelöst würde. Oder, noch schlimmer als ein bloßes Verspielen: Was wäre, wenn er plötzlich ins Stocken geriete, überhaupt nicht mehr weiter spielen könnte, eine totale Blockade hätte? Gar nicht auszudenken.
Für einen Augenblick war Daniel furchtbar wütend, wütend auf den Pastor, der seine Mutter angerufen hatte, wütend auf seine Mutter, die dem Pastor eine Zusage gegeben hatte, noch bevor sie mit ihm selbst gesprochen hatte, und wütend auf sich selbst, sich auf diese Geschichte eingelassen zu haben. Dann sah er durch die Fensterscheiben die Schneeflocken tanzen, sacht durch die Luft wirbeln und sanft zu Boden gleiten, und seine Wut schrumpfte zu einem bloßen Unbehagen, einer nervösen Anspannung.
Daniel saß mit seinen Eltern und der Oma im gemütlich warmen Wohnzimmer. Der Duft der großen Nordmanntanne, die prächtig geschmückt vom Boden bis zur Decke ragte, mischte sich mit dem Geruch der Kerzen und der Leckereien, die auf mit weihnachtlichen Motiven bemalten Tellern vor ihnen standen. Unter dem Baum lagen viele in buntes Weihnachtspapier eingewickelte Päckchen. Daniel bemerkte drei auf ihn gerichtete Augenpaare.
„Na, möchtest du nicht deine Geschenke auspacken?“, fragte ihn die Mutter. „Im letzten Jahr konntest du es gar nicht erwarten.“
Daniel blieb noch einen Moment regungslos sitzen. Er dachte an den Gottesdienst, daran, dass das Krippenspiel und auch sein Oboenspiel ohne Pannen verlaufen waren. Nach dem Gottesdienst hatte sich der Pastor bei allen Kindern mit einem großen Schokoladennikolaus für die gelungene Aufführung bedankt. Der gesamte Ablauf des Gottesdienstes – das Singen der Gemeinde, die Weihnachtsbotschaft, die der Pastor verkündet hatte, und das Krippenspiel mit seiner musikalischen Begleitung auf der Oboe - hatte ihn in eine Stimmung heiterer Gelassenheit versetzt. Vor der Kirche, als die Gemeinde noch bei einem Glas Glühwein für die Erwachsenen und Orangensaft für die Kinder zusammenstand, hatte ihn Oma ganz gerührt in die Arme geschlossen und mehrfach geschluchzt, wie schön er doch gespielt habe. Auch die Mutter hatte ihm liebevoll über das Haar gestrichen und gesagt, wie toll die Aufführung gewesen sei, und dass er sich nicht ein einziges Mal verspielt habe. Selbst sein Vater brachte seine Anerkennung durch zweimaliges Klopfen auf seine Schultern zum Ausdruck. All dies hatte in Daniel ein Gefühl dankbarer Zufriedenheit ausgelöst. Mit einem Mal hatte er die tiefe Sehnsucht verstanden, die aus dem Feldpostbrief vom 26.11.1944 seines verstorbenen Uropas Josef herauszulesen war, den ihm Oma neulich gezeigt hatte:
In vier Wochen haben wir schon den 2ten Weihnachtstag. Wir wollen hoffen, dass wir nächstes Jahr Weihnachten alle zusammen in der Heimat feiern können, denn das ist doch eins unserer schönsten Feste.
Daniel hatte die leichte Enttäuschung in der Stimme seiner Mutter nicht überhört. Natürlich freute er sich auf die Geschenke, darauf, langsam und bedächtig ein Päckchen nach dem anderen auszupacken. Aber er spürte deutlich wie nie zuvor, dass die Geschenke nicht das Wichtigste am Fest waren, sondern der weihnachtliche Friede, der sich in sein Herz gesenkt hatte. Er lächelte seiner Mutter zu. Dann stand er auf, ging zum Weihnachtsbaum und griff behutsam nach einem der bunten Päckchen.
Norbert J. Wiegelmann wurde 1956 in Bochum geboren, wohnt in Arnsberg, ist verheiratet, Vater zweier erwachsener Töchter und arbeitet als Verwaltungsjurist. Ein Faible für Sprache, Bücher und das Schreiben hat er seit der Schulzeit. Mit neun Jahren veröffentlichte er erste Texte in der Wochenbeilage der Tageszeitung. Mittlerweile literarische Veröffentlichungen (Lyrik, Kurzprosa) in fast sechzig Anthologien verschiedener Verlage sowie in Zeitungen und Zeitschriften und Buchveröffentlichungen.
*
Tina und der Flug mit dem Schlitten
Tina saß auf der Couch und hörte das Knistern verbrennenden Holzes im Kamin. Es duftete nach frischem Tannenholz und der Weihnachtsbaum stand bereit zum Schmücken in seinem Ständer. Tina wartete auf die Rückkehr ihres Mannes und schaute durch das große Fenster auf den Wald mit seinen vielen Lichtungen. Karl hatte versprochen, pünktlich zu sein, aber Tina wusste, dass er den Abend vor dem 24. Dezember immer mit seinen Freunden verbrachte, und sie meistens bei Glühwein und Backfisch kein Ende fanden. Verträumt blickte sie auf die dunklen Tannenspitzen und genoss die Wärme des Feuers. Der Tee vor ihr in ihrer roten Lieblingstasse dampfte verlockend und ihr Kater schmiegte sich an ihre Beine. Liebevoll streichelte sie ihm den Kopf. Er schnurrte genussvoll.
Plötzlich sah sie ein Licht über den Baumwipfeln. „Eine Sternschnuppe“, dachte sie.
Aber dann hörte sie das leise Läuten von Glocken. Das Licht kam immer näher, und sie erkannte die Umrisse eines Schlittens. Überrascht stand sie auf. Schnell zog sie ihre Jacke über und warf sich den grünen Schal um den Hals. Innerhalb von Sekunden stand sie draußen vor der Tür ihres gemütlichen Fachwerkhauses und blickte neugierig auf das entgegenkommende Licht. Es wurde immer heller und Tina schloss die Augen.
Als sie sie wieder öffnete, stand ein großer Schlitten vor ihr, welcher von sechs Rentieren gezogen wurde. In dem Schlitten saß ein alter Mann mit weißem Haar und einem weißen Bart. Gekleidet war er in einen roten Mantel, und seinen Kopf zierte eine rote Mütze mit einem weißen Bommel.
„Sei gegrüßt Tina“, sprach er. „Ich habe deinen Mann gesehen. Er wird sicherlich erst in zwei Stunden bei dir sein, und ich dachte, du könntest mir in dieser Zeit ein wenig Gesellschaft leisten.“ Tina war sprachlos, aber sie konnte den gütigen Augen des Mannes nicht widerstehen und vorsichtig stieg sie in den Schlitten ein. Die Rentiere scharrten schon ungeduldig mit den Hufen. Nachdem sie in eine warme Decke eingepackt war, schnalzte der Mann mit der Zunge und der Schlitten kam langsam in Bewegung. Er wurde immer schneller und irgendwann hoben die Kufen vom Boden ab. Lautlos flogen sie durch die stille Nacht.
Tina sah ihr Fachwerkhaus unter sich und glaubte, zu träumen. Der Wind war eisig und kleine Schneeflocken schimmerten im Mondlicht. „Habe keine Angst“, sprach der Mann, „in zwei Stunden bist du wieder zu Hause. Wir müssen