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mich hieß es jetzt: mich sputen. Zimmer und Bett waren herzurichten. Ich vereinbarte mit der Organisation, dass der Junge aus Zeitgründen zu uns ins Haus gebracht würde.

      So kam es, dass der Sohn auf Zeit schon vor unseren drei Kindern im Hause war. Die stutzten, brauchten aber nur einen kurzen Moment und schon redeten alle miteinander. Rud sprach passabel Deutsch, unsere Kinder recht gut Englisch und Australien war sowieso interessant. Traumland.

      Rud war 19 Jahre alt und ein zurückhaltender junger Mann. Man sah ihm an, dass ihn die veränderte Situation strapazierte. Er hatte erst bei der Ankunft am Flughafen von der Änderung erfahren. Ich zeigte ihm sein Quartier in der ersten Etage und er stellte mit zufriedenem Lächeln fest, dass alle Jugendlichen auf dieser einen Etage wohnten.

      So geschah es, dass ich am Abend sogar die Zeit anmahnen musste, denn am nächsten Tag war Schule und die beginnt in Deutschland früher als in Australien.

      Rud hatte sein vorgegebenes Programm. Er musste in die Stadt zur Universität. Das war kein Problem, da wir nicht weit von der Straßenbahn entfernt wohnten. Die Gruppe hatte einen Treffpunkt festgelegt, der auch erklärt worden war. Die Jugendlichen kamen aus einer Millionenstadt und so waren Straßenverkehr und Verkehrsmittel kein Problem. Rud würde sechs Wochen bei uns bleiben, würde mit uns Weihnachten feiern, auch Silvester und erst Mitte Januar wieder zurückfliegen. Die sechs Wochen waren organisiert mit einem interessanten Besichtigungs- und Lernprogramm. Ich hatte jetzt eine um einen Leihsohn vergrößerte Familie, versorgte seine Wäsche und auch das Zimmer. Unsere Kinder waren in der Woche mit Schule und Sport beschäftigt und ich hatte zu tun mit Vorbereitungen und Backwerk für die Feiertage. Manchmal sah Rud mir dabei zu und die neugierigen Katzen schnupperten mit hochgestellten Nasen.

      Heiligabend fuhr Rud morgens in die Stadt, um kleine Überraschungen einzukaufen. „Bis nachher!“, sagte ich nichts ahnend. Aber der vielseitig interessierte Bursche war zum Mittag immer noch nicht da und auch nicht um zwei Uhr, nicht um drei.

      Gegen halb vier kam er aufgeregt an. „Bei euch sind ja die Geschäfte zu. Erst habe ich mir alles angeschaut – und jetzt, wo ich mich entschieden habe und in den Laden zurückgehen wollte – da ist der geschlossen! Was ist das?“

      Das war eine neue Erkenntnis: In anderen Ländern gab es den halben Feiertag nicht und ich hatte Rud nicht darauf aufmerksam gemacht. Jetzt hieß es, sich zu beeilen, um noch pünktlich in der Kirche zu sein. Danach gab es ein ausgewähltes Essen, hinterher die Bescherung im feierlich mit Kerzen erleuchteten Wohnzimmer. Dazu gehörte auch der bunte Teller, den ich mit Naschereien, Keksen und Süßigkeiten aufgefüllt hatte. Die gemeinsame Zeit verlief harmonisch und familiär. Muntere Anrufe kamen aus Australien. Dort stöhnte man über die lähmende Hitze. Die Eltern erfrischten sich im kühlenden Swimming Pool. Wir aber saßen am Silvesterabend gemütlich vor dem flackernden Kamin und schlürften barfüßig unseren würzigen Glühwein.

      Die Wochen vergingen und wir waren richtig traurig, als Rud uns nach den Heiligen Drei Königen wieder verlassen musste.

      Ein Jahr war vergangen, als uns Anfang Dezember ein Brief aus Italien ins Haus flatterte.

      Ich bin hier in Italien und könnte superpreisgünstig ein Anschlussticket nach Deutschland bekommen. Seid ihr über die Feiertage zu Hause? Rud.

      Das war eine freudige Überraschung! Da wir über Weihnachten nie verreisen, sagten wir zu.

      Wieder stand Weihnachten vor der Tür und ich machte mich ans Keksebacken. Rud schaute zu und auch unsere Schmusekatze Aliki. Ich erzählte so nebenbei, dass man bei ihr aufpassen müsste, da sie gern Kokosmakronen und süße Kekse möge. Bei Kokosmakronen hatte sie einen besonderen Trick: Mit ihren kleinen Vorderzähnen nagte sie den Kokoshügel ab und ließ den Schokoladenfuß übrig. Sie war eine richtige Naschkatze. Rud schaute mich tiefsinnig an und lachte los, aber wie! Er konnte sich gar nicht einkriegen. „Was ist?“, fragte ich.

      „Jetzt weiß ich es. In meinem Zimmer oben, da hat im vergangenen Jahr oft vom bunten Teller ein Keks gefehlt. Einmal lag sogar einer auf dem Tisch. Die Tür zu meinem Zimmer habe ich nie zugemacht. Und ich habe gedacht, dass SIE sich beim Saubermachen eine Belohnung gegönnt hätten. Ich fass es nicht!“ Spontan nahm er Aliki auf den Arm. „Du Lausebacke!“

      Seitdem gab es bei uns zu Weihnachten keinen süßen Teller mehr, sondern am Weihnachtsmorgen hing ein Filzstiefel, gefüllt mit Keksen und anderen süßen Dingen, an der jeweiligen Zimmertür.

      Doris Giesler wurde in Oberhausen/Rhld. geboren. Sie machte eine Ausbildung zur Fremdsprachen-Korrespondentin und arbeitete bei verschiedenen internationalen Industriefirmen. Nach ihrem Umzug nach Süddeutschland moderierte sie ehrenamtlich beim Klinik-Rundfunk und unterrichtete lernschwache Kinder/Jugendliche. Sie ist Mitglied einer Schreibwerkstatt und veröffentlichte bereits in mehreren Anthologien des Papierfresserchens MTM-Verlags. Sie schreibt gerne Geschichten und liebt Tiere, besonders Katzen.

      *

      Lumi bedeutet Rettung

      Lumi war, wie ihr Name schon sagte, eine Schneefee, denn Lumi bedeutete Schnee. Sie lebte im Norden Finnlands, dort, wo der Weihnachtsmann sein Reich hatte. Das Gerücht, dass der Weihnachtsmann am Nordpol lebte, war gestreut worden, um Schaulustige fernzuhalten. Es war anstrengend, wenn man immer bei seiner Arbeit unterbrochen wurde, weil sich wieder jemand durch die Sicherheitssysteme gemogelt hatte. Die wirklichen Kenner wussten jedoch, dass der Weihnachtsmann in der Nähe Rovaniemis lebte. Dort war es auch viel schöner als am Nordpol.

      Die kleine Schneefeedame zupfte ihr Kleid zurecht. Es war weiß wie der Schnee, wie sollte es auch anders sein. Lumis Haut war ebenso hell und hatte die Farbe von Milch. So gehörte es sich auch für eine anständige Schneefee. Sie sollten im Schneegestöber nicht gesehen werden, sondern unauffällig wie der Wind dorthin treiben, wo noch Schnee benötigt wurde. Lumi war jedoch anders als andere ihrer Art: Sie hatte rabenschwarzes Haar, das ihr weit in den Rücken fiel. Warum sie so anders war, konnte keiner sagen, nicht einmal der Weihnachtsmann. Ihre Familie liebte sie, das wusste sie. Sie musste auch keinen Spott ertragen, alle waren lieb und freundlich zu ihr, aber sie konnte ihre Aufgabe nicht so erfüllen, wie sie es sollte. Sie durfte nur in Gebiete, wo keine Gefahr bestand, dass ein Mensch sie sah. Aber sie war schon froh, dass sie überhaupt etwas zum Schneegestöber beitragen durfte, denn es war ihr sehr wichtig, dass sie niemandem zur Last fiel.

      Heute war sie tief in der finnischen Tundra im Einsatz. Sie lockte den Schnee zu sich, beschwor ein richtiges Schneegestöber herauf. Es fühlte sich gut an. Die Schneeflocken umtanzten sie und gemeinsam sangen sie ihr Lied des Winters. Lumi lachte glücklich auf, denn nur mit dem Schnee fühlte sie sich wirklich froh. Ein einzelner Schneekristall landete auf ihrer Hand, kicherte leise und ließ sich dann weitertreiben. Einer ihrer Verwandten hatte am Tag zuvor bereits gute Arbeit geleistet, aber Lumi schaffte es, die Landschaft wirklich zu verzaubern. Sie gehörte zu den talentierten Schneefeen, aber sie blieb bescheiden, war einfach nur dankbar, dass sie Teil des großen Ganzen sein durfte.

      Plötzlich hörte sie Stimmen. Wie konnte das sein? Hier sollten keine Menschen sein, denn sie war hier und durfte nicht gesehen werden. Ein wahrer Schneesturm entstand. Lumi spitzte die Ohren und versuchte, die Stimmen zu verstehen. Sie musste sich konzentrieren, aber es klappte ganz gut. Schnell wurde klar, die Menschen wollten nicht hier sein. Sie hatten sich verlaufen und der Schnee machte alles nur noch schlimmer. Seit Stunden irrten sie durch die Gegend und waren langsam aber sicher am Ende ihrer Kräfte.

      Lumi konnte nicht zulassen, dass sie hier draußen starben. Sie befahl dem Schnee, innezuhalten. Das allein reichte jedoch nicht. Egal, in welche Richtung man schaute, alles war weiß. Sogar der Himmel hob sich kaum von der verschneiten Erdoberfläche ab. Die Menschen würden immer noch nicht wissen, in welche Richtung sie laufen mussten, um wieder in bewohntes Gebiet zu kommen. Einen Moment blieb sie unschlüssig in der Luft schweben, die weißen Flügel schlugen aufgeregt, dann aber hatte sie ihre Entscheidung getroffen. Als Schneefee durfte sie nicht gesehen werden, aber noch weniger durfte sie zulassen, dass Menschen ums Leben kamen in einer Situation, in der sie gar nicht sein sollten.

      Entschlossen flog sie zu den drei Personen. Es

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