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dass sie kaum den Stift halten konnte. Ihre Augen brannten. Tränen hatte sie jedoch keine mehr.

      »Du musst gesund werden, mein Liebling«, flüsterte sie. »Du musst gesund werden. Wir lieben dich doch so sehr.«

      *

      Mit Friedrich Brink, dem Schwager seiner Schwester Sandra, hatte Leon Laurin an diesem Abend nicht mehr sprechen können, aber etwas Interessantes erfuhr er dennoch, denn Antonia hatte mit Sandra telefoniert, und die hatte ihr gesagt, dass sich Friedrich an diesem Abend mit Uwe Heltcamp treffen wollte.

      Antonia wunderte sich, dass Sandra so gut informiert war, aber sie bekam bereitwillig Auskunft darüber.

      »Du ahnst nicht, was man im Club so nebenbei alles hört, Antonia. Es ist hochinteressant.«

      Dass Sandra die Augen und Ohren überall hatte, wusste Antonia. Heute hatte die Schwägerin tatsächlich interessante Neuigkeiten zu berichten.

      »Ich hatte ja keine Ahnung, was mit Anja Heltcamp passiert ist«, erklärte Sandra. »Aber als sich ein paar Leute über die Party bei Perlaus unterhielten, wurde ich aufmerksam, besonders, als jemand sagte, dass Anja jetzt in der Prof.-Kayser-Klinik liegen solle. Es wurden so ein paar dumme Bemerkungen gemacht, von wegen Fehlgeburt und vertuschen wollen. Du kennst ja diesen Tratsch. Aber dann sagte die kleine Pichler, dass Anja und André Malten wegen einer gewissen Marina in Streit geraten wären. Die Pichler wurde daraufhin von einer anderen Frau, die ich nur vom Sehen kenne, angefaucht, dass sie lieber den Mund halten solle. Ja, das war es. Als dann Heltcamp bei uns anrief und Friedrich sprechen wollte, habe ich meinen lieben Schwager natürlich angebohrt. Aber von ihm erfährt man ja nichts.«

      »Hast du ihm wenigstens gesagt, was du gehört hast?«

      »Natürlich, und dann hat er mir sogar ein Bussi gegeben, wo er sonst doch immer meckert, wenn ich ihm Tratsch wiedererzähle. Er hat mir sogar gesagt, worum es geht. Es ist schrecklich.«

      »Aber du wirst es für dich behalten, Sandra«, sagte Antonia mahnend.

      »Ist doch selbstverständlich. Wie geht es Anja Heltcamp denn?«

      »Ich glaube, etwas besser.«

      »Sie ist ein entzückendes Mädchen, so natürlich. Die kleine Pichler ist eine kesse Person. Anja passt gar nicht in diese Gesellschaft.«

      An diese Worte sollte sich Antonia erinnern, als Leon erwähnte, was Anja im Halbschlaf gesagt hatte.

      »Wahrscheinlich wollte jemand Anja zu verstehen geben, dass sie nicht in diese Gesellschaft passt«, erklärte Antonia ihrem Mann, um ihm dann zu berichten, was sie von Sandra erfahren hatte.

      »Das ist wirklich interessant. Aber wenn ein Mann diese Worte ehrlich meint, nimmt er sie doch nicht mit, um ihr dann so etwas anzutun.«

      »Es muss sich ganz anders verhalten haben«, sagte Antonia gedankenvoll. »Von wem wissen diese Leute überhaupt, dass Anja in der Prof.-Kayser-Klinik ist? Es wissen angeblich doch nur die nächsten Angehörigen, und es ist nicht publik gemacht worden. Eine undichte Stelle beim Personal?«

      »Das glaube ich nicht. Ich tippe auf den Verlobten. Also scheint nicht nur ein anderer Mann im Spiel zu sein, sondern auch eine andere Frau.«

      *

      Dr. Friedrich Brink gab sich zuerst sehr reserviert, aber Uwe Heltcamp machte einen guten Eindruck auf ihn, und was er vorzubringen hatte, klang auch dem gewieften Juristen sehr logisch.

      »Ich bin für meinen Klienten sehr froh, dass Sie bereit sind, die Situation objektiv zu betrachten, Herr Heltcamp«, erklärte Friedrich nach einer Weile. »Jedenfalls sprechen mehr Argumente für Herrn Heyms Unschuld als für seine Schuld. Er ist selbst sehr interessiert, den Schuldigen vor Gericht zu bringen.«

      Uwe berichtete, dass Lena bei ihnen gewesen sei. Friedrich erklärte ihm darauf, dass Patrick mehr positive Eigenschaften hätte, als ihm gemeinhin zugetraut würde.

      »Dürfte ich Ihnen einige Fragen stellen, Herr Heltcamp?«, fragte Friedrich dann.

      »Jede, wenn ich sie beantworten kann. Wir möchten alles tun, um schnellstens Klarheit zu bekommen.«

      »Herr Malten ist auch nach dem Vorfall entschlossen, Ihre Schwester zu heiraten?«

      »Er hat sich meinem Vater gegenüber entsprechend geäußert.«

      »Und was meint Ihr Vater dazu?«

      »Er will abwarten, was Anja über den Streit zu sagen hat. Er hat André untersagt, sie zu besuchen, bis Anja Auskunft geben kann.«

      »Sie verstehen sich gut mit Herrn Malten?«

      Uwe sah den Anwalt irritiert an. »Ich will ihn nicht heiraten«, meinte er sarkastisch. »Ich bin ein Pedant, Herr Dr. Brink. Ich habe etwas gegen Leute, die ihr Studium verbummeln. Das habe ich im Familienkreis auch deutlich gesagt. Anja hat sich meiner Ansicht nach mit der schnellen Verlobung ein bisschen überrumpeln lassen. Sie ist ein eigenartiges Mädchen. Sie hat überhaupt keine Erfahrung mit Männern. Der erste Freund sollte anscheinend auch gleich der einzige Mann bleiben. Es wird für sie ein schreckliches Erwachen geben, wenn ihr bewusst wird, was in dieser Nacht geschah.«

      »Sie hat liebevolle, verstehende Eltern und einen sehr vernünftigen Bruder«, sagte Friedrich.

      »Wird ihr das helfen können? Ich habe noch kein Mädchen kennengelernt, das so ist wie meine Schwester. Ihre Welt muss zerstört sein.«

      »Wir wollen hoffen, dass es nicht so ist, Herr Heltcamp. Wir sind uns jetzt schon etwas nähergekommen. Ich würde nicht die Verteidigung von Herrn Heym übernehmen, wenn ich auch nur den geringsten Zweifel an seiner Schuldlosigkeit hegen würde.«

      »Das habe ich auch zu meinen Eltern gesagt«, erklärte Uwe.

      »Wieso?«, fragte Friedrich erstaunt.

      »Weil ich mich mit dem Fall befasst habe, bei dem Sie damals die Verteidigung niederlegten. Ich wäre auch nicht zu Ihnen gekommen, wenn ich Sie nicht als ein Vorbild unseres Berufes betrachten würde.«

      Friedrich lächelte. »Ja, dann wollen wir mal wie Kollegen miteinander reden. Nehmen wir mal an, Sie wären der Verteidiger von Herrn Malten. Er hat Ihrer Ansicht nach ja eine gewisse Mitschuld, weil er Ihre Schwester nicht heimbegleitet hat, was sich – ungeachtet der angeblichen Differenzen – doch gehört hätte.«

      »Ich würde seine Verteidigung nicht übernehmen. Ich bin befangen«, sagte Uwe.

      »Und misstrauisch.«

      »Genau. Ich verstehe wirklich nicht, warum er Anja nicht heimbegleitet hat.«

      »Gut, diesbezüglich sind Sie subjektiv eingestellt. Kennen Sie eine Frau Pichler?«

      Uwe war völlig überrascht. »Was hat Bessi mit der Sache zu tun?«

      »Sie kennen Frau Pichler also«, stellte Dr. Brink fest. »Nun, ich habe eine Information, dass sie auch auf dieser Party war.«

      »Das hat mir André nicht gesagt. Ich habe ihn ausgefragt, wer alles dort gewesen sei. Ich war bei den Perlaus. Sie haben mir auch keine Auskünfte gegeben. Ich kenne Frau Pichler auch nur flüchtig, sie ist im gleichen Club Mitglied wie wir. Sie ist ganz anders als Anja. Sie ist auf jeder Hundehochzeit dabei, wie man so sagt.«

      »Aber Malten kennt sie?«

      »Natürlich. Er war doch oft mit uns im Club, obwohl er kein Mitglied ist.«

      »Es gibt nicht viele, die es sich leisten können, Mitglied in diesem Club zu sein«, sagte Friedrich.

      Uwe wurde verlegen. »Mein Vater gehört zu den Mitbegründern«, erwiderte er. »Er hat auch nicht geahnt, dass es sich mal so entwickeln würde.«

      »War Patrick Heym auch Mitglied? Vielmehr – ist er es?«

      »Ja, aber er war ganz selten dort.«

      »Aber er könnte Anja dort kennengelernt haben.«

      »Möglich wäre es, aber warum

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