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diese weniger von Anregungen etwa durch die Schönheit einer Landschaft oder die Verschiedenartigkeit der besuchten Orte abhängt als von gesellschaftlich definierten Anlässen.31 In dem Maße, wie die Ferien Gelegenheit zur Intensivierung der Familienbeziehungen (z.B. für alle, die ihren Urlaub mit der Familie verbringen wollen) und zu vermehrter Geselligkeit mit Freunden bieten, beflügeln sie auch die photographische Praxis, wobei freilich die in dieser Zeit aufgenommenen Bilder in der Regel ebenfalls Familienphotos, allerdings in Urlaubskonstellationen sind.32 Zwar erweitern die Ferien das Spektrum des Photographierbaren und fördern die Neigung zum Photographieren; aber diese Neigung ist nicht qualitativ verschieden von der traditionellen, sondern deren bloße Verlängerung: Eine Praxis, die so eng mit außeralltäglichen Anlässen verwoben ist, daß man sie für eine Technik des Festlichen halten könnte, muß sich notwendig in einer Periode verstärken, für die der Bruch mit der vertrauten Umwelt und mit den Routinen des regulären Daseins charakteristisch ist. Wer in eine quasi-touristische Haltung schlüpft, der entzieht sich dem Verhältnis achtloser Vertrautheit zur alltäglichen Welt, jenem unscharfen Hintergrund, vor dem sich die Formen abzeichnen, die für eine kurze Zeitspanne die Alltagssorgen ausblenden. Nun wird alles zu einer Quelle des Staunens, und der Reiseführer, der ständig zum Bewundern anhält, dient als Leitfaden einer gewappneten und geleiteten Wahrnehmung.33 Photographieren ist etwas, was man während der Ferien tut, und es ist zugleich das, was die Ferien ausmacht: »Ja, das ist meine Frau, die da die Straße entlanggeht; aber sicher, das war im Urlaub, da haben wir dieses Photo gemacht.« (Angestellter aus Paris, 28 Jahre, der sein Familienalbum zeigt.) Indem man noch die nebensächlichsten Orte und Augenblicke im Bild festschreibt, verwandelt man sie in Monumente der Muße: Das Photo soll und wird auf ewig bezeugen, daß man Muße gehabt hat und überdies die Muße, sie ins Bild zu bannen. Die Photographie, die die vergängliche Ungewißheit subjektiver Eindrücke durch die endgültige Gewißheit eines objektiven Bildes ersetzt, ist wie dazu geschaffen, als Trophäe zu fungieren. Während die bekannte alltägliche Umgebung niemals mit der Kamera aufgezeichnet wird, erscheinen Landschaften und Baudenkmäler auf den Ferienphotos als Schmuck oder als Zeichen. Das Photo in seiner allgemeinen Gestalt fixiert die ganz besondere Interaktion (obgleich diese unter identischen Umständen von tausend anderen ebenfalls erlebt werden kann) zwischen einer Person und einem sanktionierten Ort, zwischen einem außergewöhnlichen Augenblick des Lebens und einem durch seinen hohen symbolischen Wert außergewöhnlichen Ort. Der Anlaß der Reise (die Flitterwochen) erhebt die besuchten Orte in den Rang von feierlichen Stätten, und die eklatantesten von ihnen lassen wiederum den Anlaß der Reise noch feierlicher erscheinen. Von einer »wirklichen Hochzeitsreise« spricht man erst dann, wenn sich das Paar vor dem Eiffelturm hat photographieren lassen, denn Paris, das ist der Eiffelturm, und eine »wirkliche Hochzeitsreise« führt eben nach Paris. Eins der Bilder aus der Sammlung von J.B. wird in der Mitte durch den Eiffelturm geteilt, zu dessen Füßen die Frau von J. B. steht. Was uns wie Barbarismus oder Barbarei vorkommt, ist in Wahrheit die vollständige Verwirklichung einer Intention34: Die beiden Objekte, dazu bestimmt, sich gegenseitig zu erhöhen, sind genau in der Mitte des Bildes plaziert, und Zentrierung und Frontalität sind in der Tat die wirkungsvollsten Mittel, dem festgehaltenen Objekt Bedeutung zu verleihen.

      So gesehen wird die Photographie zu einer Art Ideogramm oder Allegorie, wobei die individuellen oder zufälligen Züge in den Hintergrund treten. Die photographierte Person wird in eine Umgebung gestellt, die man ihres starken Symbolwertes wegen ausgewählt hat (obwohl sie daneben auch einen ästhetischen Wert haben kann) und die als Zeichen aufgefaßt und gebraucht wird. Typisch dafür ist ein Photo, auf dem man P. vermutet (eine winzige Figur vor der Kirche Sacré Cœur, die den Arm bewegt) und das, wie meist, aus sehr großer Entfernung »geschossen« worden ist, weil man das gesamte Monument zusammen mit der Person auf dem Bild unterbringen wollte: Um die Person zu entdecken, muß man sozusagen »wissen, daß sie sich dort befindet«. Zahlreiche andere Abzüge zeigen eine Person, die nicht mit einem bedeutungsschweren Monument gekoppelt ist, sondern mit einem Schauplatz, der ebenso bedeutungslos ist wie ein Zeichen, zu dem der Schlüssel fehlt. Das gilt beispielsweise für solche Photos, die auf der ersten Plattform des Eiffelturms oder in den Fußgängertunnels der Pariser Metro aufgenommen wurden. Zur reinen Allegorie stilisiert, bedarf die Photographie der Erläuterung: »P. auf der Terrasse der ersten Plattform des Eiffelturms.« Es kommt auch vor, daß der Hintergrund ganz und gar belanglos und anonym ist – eine Tür, ein Haus oder ein Garten –, allerdings niemals in einem Grade, daß der informative Gehalt völlig verlorenginge, da der Hintergrund immerhin die Begegnung einer Person und eines Ortes in einem außergewöhnlichen Augenblick zum Ausdruck bringt: Dies ist die Tür zum Haus der Familie Untel, bei der man während der Hochzeitsreise in Paris gewohnt hat. Anders gewendet, die Logik der wechselseitigen Erhöhung von Person und Umgebung geht darauf aus, aus der Photographie ein Ideogramm zu machen, das aus der Konstellation alle zufälligen und zeitlichen Elemente, also alles, was Leben anzeigt, ausschließt. In der Sammlung von J. B. finden sich von Paris nur zeitlose Zeichen: In diesem Paris kommen Geschichte oder Passanten allenfalls beiläufig vor, es ist eine Stadt ohne Ereignisse.35 Obgleich sich das Spektrum des Photographierbaren ständig erweitert, ist die photographische Praxis deswegen nicht freier, da man nur das photographieren darf, was man photographieren muß, und weil es Bilder gibt, die man »unbedingt aufnehmen« muß, so wie es Naturschönheiten und Monumente gibt, die man »mitnehmen« muß. Traditionellen Funktionen unterworfen, bleibt die Praxis deshalb auch in der Wahl der Objekte, der Augenblicke und sogar in ihrer Intention traditionell: Sie verhält sich zur Ansichtskarte, von der sie häufig ihre Ästhetik und ihre Themen borgt, wie die häusliche Photographie zu der im Atelier. Selbst dort, wo sie den vertrauten Personen keinen Platz mehr gewährt und von einem genuinen Interesse am dargestellten Gegenstand geleitet scheint, seien es Landschaften oder Mahnmale, besteht ihre eigentliche Gebrauchsbestimmung noch darin, eine Beziehung zwischen Photograph und photographiertem Gegenstand zu signalisieren. Wenn die zeremoniellen Vorführungen von Diapositiven Langeweile hervorrufen (wofür die ritualisierten scherzhaften Kommentare sprechen), dann eben deshalb, weil die Bilder in Intention und Ästhetik von äußeren Vorgaben beherrscht sind und sich in ihnen oft nichts anderes ausdrückt als die schlichte und private Konstellation zwischen dem Photographen und seinem Objekt, so daß sie jede Bedeutung und allen Wert verlieren, sobald sie von einem Betrachter als Bilder an und für sich wahrgenommen werden, einem Betrachter, der gegenüber dem besonderen Erlebnis ihres Urhebers gleichgültig bleibt.36 Es kann sich also die traditionellen Funktionen verhaftete Praxis quantitativ erweitern, ohne daß jemals eine im strengen Sinne ästhetische Komponente zum Zuge kommt. Der Schritt in eine engagierte Praxis setzt nämlich mehr und etwas anderes voraus als die schlichte Intensivierung des Gelegenheitshandelns. Es besteht zwischen einer Photographie im Dienste des familialen Gebrauchs und einer engagierten Praxis ein gravierender Unterschied. Indem erstere den Akzent auf das erzeugte Bild setzt, kann sie sich per definitionem nicht endlos intensivieren – stets an außergewöhnliche Anlässe gebunden, bleibt sie oftmals zeitlich befristet. Demgegenüber ist eine passioniert betriebene Praxis, die den Akt der Produktion in den Vordergrund rückt, einer unbegrenzten Erweiterung fähig, da sie von Grund auf und ständig, als Anstrengung zu technischer und ästhetischer Vollkommenheit, die Überwindung des eigenen Produkts produziert. Zweifellos ist das Bemühen um eine hohe technische Qualität des Bildes ein Anreiz, sich mit einer hochwertigen Ausrüstung zu versehen. Doch es entfaltet sich auf einer anderen Ebene als der Wunsch nach einer ästhetischen Qualität des Bildes. Das ist auch der Grund dafür, daß das private Filmen noch nachdrücklicher als das Photographieren von familialen Verwendungszusammenhängen geprägt ist: Daß der Ehrgeiz, das Filmen wie eine Kunst zu betreiben, sogar unter passionierten Amateurfilmern äußerst selten ist, liegt nicht lediglich daran, daß damit neben technischer Versiertheit Zeit und Mühe verbunden sind, die für Operationen aufgewendet werden müssen, die weniger interessant sind als die Filmaufnahme selbst, sondern auch daran, daß man die Szenarios erst erfinden und konstruieren müßte, die das Familienleben in Gestalt organisierter Abfolgen von Ereignissen bereits fix und fertig liefert – mit unmittelbarer Bedeutung zumindest für denjenigen, der sie filmt, und für die, die sich das Gefilmte ansehen werden.37

      Weil sie stets den Blick auf die Erfüllung gesellschaftlicher und gesellschaftlich definierter Funktionen gerichtet hält, ist die übliche Praxis zwangsläufig rituell und zeremoniell, folglich ebenso stereotyp in der Wahl ihrer Objekte

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