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verließen.

      »Vielleicht ertragen die Veteranen nach zwanzigjährigem Dienst nichts anderes?«, bemerkte ich, ein Gedanke, der mir unterwegs mehrmals in den Sinn gekommen war.

      Mit den letzten Strahlen der Sonne erreichten wir das Haus des Decurio: Ein schmuckes Atriumhaus, das es jedoch nicht mit den Prachtbauten der Nachbarschaft aufnehmen konnte. Ohne die hohe Stadtmauer hätte es jedoch einen schönen Blick auf den Rhein geboten.

      »Iss und trink nichts, das der Hausherr nicht vorher gekostet hat«, ermahnte ich Lucius, bevor ich anklopfte.

      »Meinst du, der Decurio vergiftet jeden, der ihn zufällig besucht?«

      »Denk dran, dass wir Freunde des Legaten sind. Auch kannten wir den verstorbenen Bankier und werden uns nach ihm erkundigen. Aber nimm bitte auf keinen Fall das Wort Mord in den Mund. Das würde unseren Gastgeber argwöhnisch machen«, fuhr ich fort, ohne die unqualifizierte Frage meines Bruders zu beantworten.

      »Das ist ganz schön kompliziert«, erwiderte Lucius lachend.

      »Am besten überlasse ich dir die Konversation.«

      Ich widersprach nicht, sondern pochte mit dem ringförmigen Türklopfer gegen das Portal.

      Der korrekte, grauhaarige Sklave, der uns öffnete, hätte der Sekretär eines Senators sein können. Er stand auf dem Mosaikbild eines knurrenden Molossers mit der begleitenden Inschrift Achtung vor dem Hund.

      »Seid ihr die beiden Gäste aus Mogontiacum?«, fragte er in einem ungläubigen Tonfall, verzog aber keine Miene. Ihn konnte allenfalls unsere Jugend verwirren, denn wir waren manierlich gekleidet. Ich hatte mir zur Feier des Tages meine Toga umgelegt und Lucius trug seine militärische Aufmachung.

      Freudig bejahte mein Bruder. Ich hingegen hatte tief in meinem Inneren gehofft, der Decurio könnte die Nachricht des Lagerkommandanten nicht erhalten haben.

      »Dann kommt doch bitte herein!«, forderte uns der Diener mit einer tiefen Verbeugung auf und wir betraten die mit schwarzen Steinplatten geflieste Empfangshalle.

      Eine Zimmertür öffnete sich und Marcella Petronia schritt uns entgegen. Der Gesichtsausdruck der kleinen, fülligen Frau, die eine altmodische Frisur mit Knoten und Nackenzopf trug, war genauso trist wie der schummrige Eingangsbereich ihres Hauses. Das Maiglöckchenparfüm und die in Pastelltönen gehaltenen Gewänder der Hausherrin standen in extremen Kontrast zur grellen Aufmachung der Bankierswitwe.

      »Ich hoffe, ihr hattet eine gute Reise?«, fragte sie und musterte uns dabei mit scharfen Augen. Ihr Blick blieb an meinen schmutzigen Sandalen haften

      »Ja, es hat alles gut geklappt«, entgegnete ich höflichkeitshalber, hätte aber lieber wenn ihr uns abgeholt hättet, sähen wir jetzt präsentabler aus geantwortet.

      »Es freut mich, das zu hören. Ihr kommt gerade richtig zur Cena«, erklärte Marcella Petronia tapfer, obwohl bekanntlich das Abendessen vor Sonnenuntergang beendet sein sollte, damit die Gäste nicht in der Dunkelheit nach Hause gehen mussten.

      Auf einen Wink unserer Gastgeberin trug ein schlaksiger, dunkelhäutiger Diener einen Schemel und eine Wasserschale herbei. Der Hausdiener zog uns die Schuhe aus und wusch unsere schmutzigen Füße. Die Hausherrin hingegen zog sich mit einer gemurmelten Entschuldigung zurück.

      Als wir einigermaßen präsentabel waren, geleitete der Diener uns ins Triclinium, das sich zum Atrium öffnete, eine Bauweise, die wenig geeignet für nördliche Gefilde war. Im trüben Zwielicht der Dämmerung stand inmitten von Kübelpflanzen ein randvolles Marmorbecken. Es hatte heftig zu regnen begonnen und aus den Mündern der Tonfiguren am Dachrand strömte das Wasser in das Becken. Von dort füllte das Regenwasser sicherlich eine unterirdische Zisterne.

      Der Hausherr lagerte behäbig auf einer mit weichen Kissen bedeckten Kline. Junius Petronius war ein jovialer Mann um die vierzig, dem die Leutseligkeit ins Gesicht geschrieben war. Sah so ein heimtückischer Mörder aus, der die heilige Gastfreundschaft verletzte? Doch ich durfte mich vom Auftreten des Decurio nicht täuschen lassen. Schließlich war er Politiker und gab wahrscheinlich nur vor, ein phlegmatischer Biedermann zu sein. Auch war mir seine Gemahlin nicht geheuer, die ebenfalls hinreichend Gelegenheit gehabt hatte, den Bankier zu vergiften.

      Der Hausherr erhob sich nicht, um uns zu begrüßen, aber wenigstens war bereits für vier Personen gedeckt. In der Mitte des Tisches standen Schalen mit eingelegten Oliven und Nüssen. Passenderweise bedeckte ein Mosaik, das Essensabfälle zum Motiv hatte, den Boden unter der Tafel. Derartige Böden waren sehr praktisch, denn sie kaschierten die Speisereste, die während des Essens auf den Boden geworfen wurden. Aber die Ausführung des Mosaiks war zu grob, um diese Illusion tatsächlich entstehen zu lassen.

      »Wie gefällt euch unsere Stadt? Agrippina ist doch etwas ganz anderes als Mogontiacum«, erklärte der Decurio, nachdem wir uns auf einer Kline niedergelassen hatten. »Agrippina ist schließlich die größte Stadt nördlich der Alpen«, fuhr er mit seiner Lobpreisung fort, ohne auf eine Reaktion unsererseits zu warten.

      Die Tür wurde geöffnet und ein jäher Windstoß ließ mich frösteln. Leider konnte ich mich nicht beschweren, denn die Hausherrin, die sich inzwischen umgezogen hatte, kam hereingeschwebt. Sie trug ein naturweißes Gewand aus feinem Leinen mit passendem Umhang. In dieser Aufmachung versuchte sie vergeblich, wie eine feine Dame aus republikanischer Zeit auszusehen.

      Ihr folgten der wohl aus Afrika stammende Diener, der uns die Füße gewaschen hatte, und ein zweiter etwas älterer Sklave. Sie zündeten die Kandelaber in den Ecken und die an der Wand hängenden Öllampen an.

      Als die Diener sich anschickten, mit breiten, faltbaren Holztafeln den Wanddurchbruch zum Atrium zu verhüllen, fiel das Licht ihrer Lampen auf eine mit Bronzebeschlägen und Eisennägeln gesicherte, kniehohe Holzkiste. Es war eine weit verbreitete Sitte, den Geldschrank im Innersten des Hauses, dem Atrium, aufzustellen, wo er vom Türsteher bewacht wurde. Seltsamerweise hatte ich aber im Haus des Bankiers nirgends einen Tresor gesehen, obwohl sein Geldschrank alles andere als klein sein musste.

      Endlich trug einer der Diener versilberte Platten mit gekochten Eiern, Käse und Salat herein. Der andere folgte mit einem Weinkrug. Marcella Petronia nahm auf einem Stuhl Platz, der neben der Kline ihres Gemahls stand, womit die Cena eröffnet war.

      Als der Mundschenk uns eine Wein-Honig-Mischung eingoss, warf ich Lucius einen warnenden Blick zu, um ihn vor übermäßigem Weingenuss zu warnen. Aber mein Bruder lächelte nur freundlich zurück.

      »Als Einwohner einer Kolonie sind wir den Bürgern Roms rechtlich gleichgestellt. Es gibt übrigens in Germanien nur zwei Veteranenkolonien.«

      Der Decurio hörte sich an, als ob er sich um ein öffentliches Amt bewerben würde. Mit angehaltenem Atem wartete ich, bis er an seinem warmen Wein genippt hatte.

      »Das gilt aber nur für die Veteranen. Den Einheimischen wird das römische Bürgerrecht verwehrt«, präzisierte ich, bevor ich meinen Becher an die Lippen führte.

      In meiner Nervosität hätte ich nicht zu sagen vermocht, wie der Wein schmeckte. Lucius hatte, leichtsinnig wie immer, schon vorher getrunken.

      Wieder ging Junius Petronius nicht auf meine Worte ein, sondern griff mit spitzen Fingern nach einem gekochten Ei und schob es sich genüsslich in den Mund. Er wurde mir zunehmend unsympathisch. Doch das machte ihn nicht gleich zum Mörder. Was ich benötigte, war ein Motiv für den Mord an Probus Marcellus. Wer außer den Erben profitierte vom Tod des Bankiers?

      »Die Stadt ist immerhin ein Fünftel so groß wie Rom!«, stellte der Decurio etwas unmotiviert fest. Eine Behauptung, die ich bezweifelte.

      Erleichtert beobachtete ich, wie die Hausherrin vom Salat probierte und so konnte auch ich endlich meinen Hunger stillen.

      »Dann gibt es hier doch bestimmt einen Circus?«, fragte Lucius und ich begriff schlagartig, warum er die Veteranenkolonie besuchen wollte.

      »Was für eine Frage! Selbstverständlich!«, bestätigte der Hausherr

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