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von ihren Eltern in die meisten Gesellschaften miteinbezogen wurden. Dort erhielten Sprechstil, Wortgewandtheit und Urteilsvermögen ihren letzten Schliff. Da Erzherzogin Sophie eine besonders aufmerksame und liebende Mutter war, hat sie ihre Söhne schon früh als vollwertige Gesprächspartner anerkannt, weshalb es ihnen nicht schwer fiel, sich bald auch im größeren Gesellschaftskreis zurechtzufinden.

      Im Hinblick auf die stilistische Entwicklung sei darauf hingewiesen, daß die Eintragungen anfangs etwas knapp gehalten und die Höhepunkte des Tages in wenigzeiligen Bemerkungen abgehandelt wurden. Sehr bald ist aber auch zu erkennen, daß das Erzählvolumen vom Grad der Begeisterung des jungen Erzherzogs abhing. Denn auch in den ersten Aufzeichnungen finden sich längere, spannend erzählte Geschichten. Zu den am ausführlichsten behandelten Themen zählen die Besichtigungen technischer Errungenschaften wie die eines Eisenbahnwagens, der erstmals die Strecke zwischen Wien und Graz befuhr (22. Oktober 1844), oder Ballonfahrten (22. und 25. September 1845, 26. Oktober 1845); Familienfeste, die im Zusammenhang mit Kostümierungen, Tanzveranstaltungen oder Theateraufführungen standen (1. und 4. Februar 1845, 15. Mai 1845, 4. November 1845); eine mehrwöchige Bildungsreise durch Oberitalien (2. September bis 5. Oktober 1845); öffentliche Empfänge oder Veranstaltungen (30. Dezember 1845, 18. Juni 1846); Kinderulk (1. April 1846) sowie historische (Tages)Ereignisse wie der Selbstmord eines Mannes während einer Burgtheatervorstellung (16. Mai 1846), der Tod Papst Gregors XVI. (6. Juni 1846) oder ein Aufstand der nationalistischen Polen in Krakau (23. Februar bis 5. März 1846).

      Zurück zum Schreibstil und zum erzieherischen Wert des Tagebuchs. Im Hinblick auf die Rechtschreibung wurden anfangs (wahrscheinlich von einem der Erzieher) stilistische und orthographische Unebenheiten korrigiert und einige ausländische Namen oder Fremdwörter, die der junge Erzherzog nur phonetisch wiedergab, ausgebessert. Sie enden – vermutlich auf Wunsch des Verfassers – nach einigen Seiten. Im gedruckten Text werden aber, unabhängig vom Original, die bekannten Familien- und Geschlechternamen in der richtigen Schreibung wiedergegeben sowie der einfacheren Lektüre halber einige fehlende Kommata ergänzt. Vornamen wurden, um Verwirrungen zwischen Originaltexten und Erläuterungen zu vermeiden, unverändert belassen (alle Karls mit »C« und Viktor mit »c« geschrieben). Wenn von einer Person nur ein Initial des Vornamens erscheint, dann war der Taufname nicht zu eruieren.

      Im allgemeinen wurde die Schreibung Erzherzog Carl Ludwigs beibehalten, die hauptsächlich den Regeln der Zeit entsprach. Wenn das Verständnis eines Absatzes gefährdet schien, wurde dem Text eine Erklärung hinzugefügt. Außerdem sei darauf hingewiesen, daß in den vergangenen 150 Jahren die Bedeutung einiger Wörter wechselte: So verwendete man »artig« im Sinn von freundlich/freundschaftlich, »merkwürdig« im Sinn von bemerkenswert, »peinlich« im Sinn von peinigend usf.

      In Bezug auf die – oft innerhalb einer Eintragung wechselnden – grammatikalischen Zeiten Vergangenheit und Gegenwart sei bemerkt, daß die Berichte nicht immer zur selben Tageszeit verfaßt wurden. Schon Erlebtes wird in einer Vergangenheitsform erzählt: »Nachmittags waren wir im Kaisergarten …«, während auf eben stattfindende oder kommende Ereignisse in der Gegenwart hingewiesen wird: »Der Hildegarde zu Ehren ist heute große Familientafel beim Kaiser. Abends sind wir allein.« (aus der Eintragung vom 14. Mai 1844)

      Mit der Veröffentlichung dieses Bandes wird Einblick in einen sehr privaten Lebensbereich der kaiserlichen Familie gewährt. Denn abgesehen von der Wiedergabe der Tageserlebnisse und von der Nähe des Erzählers zu den Ersten Personen des Landes entsprang dem Kindermund doch viel Spontanes und Wahrhaftes, das ein erwachsener Schreiber (im Hinblick darauf, daß ein Späterer seine Zeilen lesen könnte) sicherlich unterdrückt hätte.

      Gabriele Praschl-Bichler

      Wien, im September 1997

»TAGEBUCH ANGEFANGEN DEN 13. APRIL 1844«

      April .1844.

       Samstag

      13. Man fürchtet, daß der Franzi Scharlach bekommen. Zur Vorsorge bin ich Nachmittags in den rothen Saal geschickt worden und habe dort geschlafen.

      Mit Franzi ist der älteste Bruder Erzherzog Carl Ludwigs gemeint, der damals vierzehnjährige Franz Joseph und spätere Kaiser. Er war tatsächlich an Scharlach erkrankt, doch verlief die Krankheit – wie sich bald herausstellen sollte – für ihn und seine Familie sehr harmlos. Als Vorsichtsmaßnahme war er aber sofort von seinen Brüdern getrennt worden, mit denen er üblicherweise ein Appartement bewohnte. Für Carl Ludwig bedeutete die Krankheit des Bruders zunächst den Auszug in einen ›rothen Saal‹. Später übersiedelte er in ein noch weiter entfernt liegendes Quartier, in dem er in den folgenden Wochen wohnen sollte.

       Sonntag

      14. Heute hat sich der Scharlach entschieden ausgesprochen. Wir sind in der Früh mit dem kleinen Ludwig in den ersten Stock gezogen und bleiben nun von der Mama geschieden. Der Maxi geht zwar Früh und Abends zur Mama, weil er den Scharlach schon überstanden und folglich keine Ansteckung mehr zu fürchten hat; aber ich darf die Mama nur im Prater und auf dem Gang von Weitem sehen.

      Bei den »Übersiedlern« handelt es sich um die drei Brüder Ferdinand Maximilian (›Maxi‹), Carl Ludwig und den ›kleinen Ludwig‹ (Victor). Daß die drei gesunden Kinder – und nicht das kranke – von der Mutter getrennt wurden, war unüblich für die Zeit. Denn Erzherzogin Sophie pflegte – im Unterschied zu den meisten Frauen der obersten Gesellschaftsschichten – die kranken Familienmitglieder selbst. Im Fall von ansteckenden Krankheiten – wie dem Scharlach, der damals bei mehr als einem Viertel der Bevölkerung tödlich endete – begab sie sich mit dem Betroffenen in Quarantäne. Sie übernahm meist alle Tag- und Nachtdienste und ließ sich nur selten von Pflegern unterstützen. Als im Jahr 1840 ihre einzige Tochter Maria Anna im Alter von knapp viereinhalb Jahren an einer schweren Krankheit litt (an deren Folgen sie auch verstarb), war sie keinen Augenblick lang von ihrer Seite gewichen und hatte das Kind bis zu seinem Tod ununterbrochen betreut.

      Die Bemerkung, daß Carl Ludwig seine Mutter ›nur im Prater‹ und ›auf dem Gang von Weitem sehen‹ durfte, bezieht sich auf die Trennung von ihr, die den scharlachkranken Sohn Franz Joseph versorgte. Treffen durfte er sie nur auf den Gängen der Hofburg und bei Spaziergängen im Prater, wo keine Ansteckung zu befürchten war. Der Wiener Prater hatte ursprünglich zu den kaiserlichen Jagdrevieren gehört, seit 1766 war er der Öffentlichkeit zugänglich. Dorthin führten – solange man in der Hofburg wohnte – viele Spaziergänge der kaiserlichen Familie. Die elegante Welt Wiens fand sich allnachmittäglich im Prater ein, und Erzherzog Carl Ludwig sollte die Spaziergänge dorthin bis ins Alter pflegen. Als Erwachsener marschierte er meist die gesamte Strecke von der Innenstadt bis in den Prater und zurück (das dauerte je nach Route zwei bis drei Stunden), wohin er sich von einem Mann seines Gefolges oder von einem Verwandten begleiten ließ.

       Montag

      15. Heute hat uns der Franzi durch den Baron Gorizzutti einen Brief schreiben lassen. Heute begegneten wir der Mama und dem kleinen Ludwig. Ich bin zur Toilette zum kleinen Ludwig gegangen. Abends kamen die Bombelles.

      Baron Franz Gorizzutti, einer der Kammerherren Erzherzog Franz Carls und Erzieher seiner drei älteren Söhne – Franz Joseph, Ferdinand Maximilian und Carl Ludwig – hatte sich offensichtlich mit dem Scharlachkranken in Quarantäne begeben.

      Daß man die Mama und den kleinen Bruder Ludwig traf, muß bedeuten, daß man beiden – getrennt – begegnete, da Erzherzogin Sophie sicherlich auch mit ihrem zweijährigen Sohn jeden Kontakt vermied.

      ›Die Bombelles‹ waren Studien- und Spielkameraden der jungen Erzherzoge und Söhne des kaiserlichen Ajos Heinrich Graf Bombelles. Sie hießen Markus (›Marko‹) und Carl (›Charli‹) und entsprachen im Alter den Erzherzogen Franz Joseph und Ferdinand Maximilian.

       Dienstag

      16. Dem Franzi geht es besser. Ich habe zum ersten Mahle die Urika geritten. Zum ersten Mahl bin ich zum Frühstück vom kleinen Ludwig gegangen.

      Der Scharlach Franz Josephs nahm

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