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alte Herrschaft und versucht ihr zweierlei klar zu machen: Dass sie vom Ruin bedroht ist und wie sie den drohenden Untergang abwenden kann. Sein Vorschlag lautet, den schönsten Teil des Geländes, den Kirschgarten, zu parzellieren und dort Sommerhäuschen für Städter zu bauen. Lopachin dringt aber weder mit dem einen noch mit dem anderen durch, denn die Familie klammert sich lieber an luftige Hoffnungen, als sich mit ödem Zahlenwerk und angeblicher wirtschaftlicher Notwendigkeit die Laune verderben zu lassen:

      Gajew. Die Tante in Jaroslawl hat uns Geld versprochen – aber wann sie es schickt, und wieviel, kann ich noch nicht sagen.

      Lopachin. Wieviel wird sie schicken? Hundert-, zweihunderttausend?

      Ljubow Andrejewna. Nun, wenn’s auch nur zehn- oder fünfzehntausend sind, ist uns schon geholfen.

      Lopachin. Verzeihen sie, so leichtsinnige Herrschaften wie Sie, so unerfahrene, sonderbare Leute sind mir noch nie vorgekommen. Ich sage Ihnen klipp und klar: Ihr Gut kommt unter den Hammer, und Sie tun, als sei das gar nichts.

      Ljubow Andrejewna. Was sollen wir machen? So belehren Sie uns doch!

      Lopachin. Tag für Tag gebe ich mir Mühe, Sie zu belehren. Tag für Tag rede und rede ich, immer ein und dasselbe. Sie sollen den Kirschgarten und das ganze Terrain am Flusse parzellieren und Sommerhäuschen darauf bauen, und zwar sofort, jetzt, in diesem Augenblick. Der Versteigerungstermin steht vor der Tür. Begreifen sie doch endlich! Sobald Sie sich erst mal zu der Parzellierung entschlossen haben, steht Ihnen so viel Geld zur Verfügung, wie Sie nur wollen, und Sie sind gerettet.

      Ljubow Andrejewna. Sommerhäuschen, Sommergäste – das klingt so gewöhnlich, nehmen Sie mir’s nicht übel.

      Gajew. Ich bin ganz deiner Meinung.

      Lopachin. Weinen möcht’ ich, schreien, in Ohnmacht fallen, wenn ich das höre. Ich halt’s nicht länger aus, Sie foltern mich zu Tode.

      Es kommt, wie es kommen muss, es passiert nichts. Auf der Zwangsversteigerung kauft Lopachin selbst das Gut und tut dann das wirtschaftlich Sinnvolle. Der Kirschgarten wird abgeholzt. Am Ende hört man im Hintergrund die Sägen, welche die wunderschönen Bäumen, die aber leider keinen Ertrag bringen, aus dem Weg schaffen. So ergeht es Gesellschaften, in denen die Privilegien die Phantasie zerstört haben: Sie gehen eher unter, als sich zu reformieren. Das ist der tiefere Grund der schlechten Prognosen für das Europäische Projekt.

      Das Spielfeld, das eine offene Gesellschaft und eine funktionierende Ökonomie benötigen, sollte ein perfekter Rasen sein und kommt doch selten über einen holprigen Bolzplatz hinaus. Umso kühner war die Idee des eitlen Voltaire, eine Welt von Verstand und Verdienst, Gleichheit und Gerechtigkeit zu imaginieren, in der das Paradies auf die Erde geholt und dort zur allgemeinen Wirklichkeit gemacht wurde. So etwas gab es nie und so etwas kann es wohl auch gar nicht geben, jedenfalls nicht solange der Mensch den Vorteil sucht und die Mühe scheut. Aber dem Utopisten ist das einerlei, er darf kühn über die träge Beharrungsfähigkeit der Menschen hinausgreifen und sich ausmalen, wie das hiesige Himmelreich aussehen könnte.

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