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skalpiert. Wie ein Wunder hatte der Gequälte die Tortur überlebt.

      Großer Gott, wie konntest du das zulassen?

      Miller zog sein Messer, durchschnitt die Fessel und ließ den Stöhnenden zu Boden sinken. Der Mann war kaum dreißig, nicht groß, dafür aber breit in den Schultern und muskulös. Ein Farmer, dachte der Scout. Er wußte nicht, was er tun sollte.

      Helfen konnte er dem armen Teufel nicht mehr. Nicht einmal dessen Schmerzen konnte er lindern. Er konnte sich lediglich so stellen, daß der Verwundete in seinem Schatten lag.

      »Wer…«

      Der Sterbende verstummte wieder, schloß die Augen, die Curt Miller angestarrt hatten, ohne ihn zu sehen.

      »Wer sind Sie?« fragte Curt und wunderte sich über seinen krächzenden Tonfall. »Kann ich etwas für Sie tun?«

      Der Mann schlug die Augen auf. Sie waren blau. Sein Mund öffnete sich, aber kein Laut kam über seine Lippen. Schließlich gelang es ihm unter äußerster Anstrengung doch, ein paar Worte hervorzubringen. Miller kniete sofort nieder, um das geflüsterte Gestammel zu verstehen.

      »Ward… Im Canyon… Frau…« Ein Hauch, dann fiel der Kopf zur Seite. Curt war es, als hätte der Mann nur noch gelebt, um die kurze Nachricht der Nachwelt zu übermitteln.

      Er blickte hoch. In der Felswand im Norden erkannte er den Eingang zu einem Canyon.

      Hatte der Sterbende diesen Canyon gemeint? Es konnte nicht anders sein, denn weit und breit sah der

      Scout keinen weiteren Einschnitt.

      Er lief los. Schweiß drang ihm aus allen Poren. Wie ein Labsal empfand er die Kühle in der engen Schlucht. Spähend blieb er stehen – nichts. Nach 100 Yards machte der Canyon einen scharfen Knick nach rechts.

      Vielleicht dort?

      Miller eilte hin, hastete um die Kurve. Entsetzt blieb er stehen. Hier war der Canyon etwas breiter. Volles Sonnenlicht prallte auf den sandigen Boden.

      Und mitten in dieser glutheißen Hölle lag eine splitternackte Frau. Die Apachen hatten sie niedergeworfen, vier Holzpflöcke in den Boden geschlagen und die Bedauernswerte festgebunden.

      Mit Brandblasen am ganzen Körper bedeckt, hatte sie lange versucht, sich von den einschnürenden Riemen zu befreien. Miller sah es an dem zur Seite geworfenen Sand. Er ging hin.

      Die Frau lebte mindestens seit zwei Tagen nicht mehr. Ihre gebrochenen braunen Augen starrten in den Himmel, sahen ihn aber nicht. Oder doch? Vielleicht den wahren Himmel?

      John konnte so gut wie nichts mehr tun, nur begraben mußte er die beiden noch. Er kehrte um, lud den toten Mann auf sein Pferd, führte es in die Schlucht, nahm den Leichnam herab und bettete ihn neben der Frau.

      Dann begann er Steine zu sammeln. Er schleppte sie heran und schichtete sie rund um die Toten auf. Lange nach Mittag war das Grab fertig. Curt nahm den Hut ab und murmelte ein Gebet.

      Mit dem Pferd am Zügel ging er zurück. In der Nähe der Ruinen blieb er stehen. Wo es eine Ansiedlung gab, mußte auch Wasser sein. Er suchte, fand die Quelle aber nicht, oder was es immer auch war.

      Sein Pferd machte ein paar Schritte in Richtung einer abgebrannten Scheune und warf plötzlich den Kopf in die Höhe. Unvermittelt eilte es weiter, drang trotz des Brandgeruchs in das zerstörte Bauwerk ein und blieb verschwunden.

      Curt Miller lief hinüber. Das Pferd stand vor einem Trog und trank. Es prustete und wieherte, als es den Reiter gewahrte.

      Hier war das Wasser. Die Leute hatten die Scheune darübergebaut und die Quelle eingefaßt. Miller bückte sich, schöpfte Wasser mit den hohlen Händen und spritzte es sich ins Gesicht. Dann spülte er sich den Sand aus dem Mund und trank schließlich.

      Frische Kräfte rannen durch seine Adern. Er fühlte sich wie neugeboren. Er nahm beide Feldflaschen vom Sattelhorn, öffnete die Verschlüsse und tauchte sie in das wenigstens drei Fuß tiefe Becken. Als sie gefüllt waren, hing er sie wieder an den Sattel.

      »Wir müssen weiter«, murmelte er. »Komm, Alter, wir müssen die Armee verständigen!«

      Er führte den Falben aus der Scheune, stieg in den Sattel und ritt an. Während er ritt, blickte er über die Schulter. Je weiter er ritt, desto kleiner wurde das Bild, bis es schließlich mit der Wüste verschmolz.

      *

      In wilder Flucht preschten vier Reiter nach Norden. Sie ritten ihre Pferde aus Angst vor Verfolgung halb zuschanden und hielten erst an, als sie Meilen von der Stelle des Überfalls entfernt waren.

      Auf der Talsohle wuchsen Chollas, Agaven und Mescal, an den Hängen Wacholder, Pinien und Krüppeleichen. Hank Doolin sprang aus dem Sattel und zerrte sein erschöpftes, schweißnasses Tier in den Schatten einer Gruppe Eichen. Er richtete seinen Blick nach vorn, zur Seite und nach hinten.

      In seinem Rücken stand das Gebirge wie eine Mauer. Vorn stiegen die Berge steil in den Himmel, unnahbar und scheinbar endlos. Doolin wußte nicht mehr, wo er war. Er sah sich um, suchte Curt Miller.

      Der war nicht bei der Gruppe. Hatten sie ihn unterwegs verloren? Doolin erinnerte sich, daß Miller die letzte Wache gehabt hatte, und von da an hatte er ihn nicht mehr gesehen.

      Mörderisch fluchend schnallte er die Wasserflasche vom Sattel und trank einen langen Schluck. Wash kam heran. Seine Miene war finster, fast ausdruckslos. Seine Stimme klang zurückhaltend.

      »Er hat sich aus dem Staub gemacht, wie? Anstatt uns zu warnen, haute er einfach ab. Wenn ich ihn erwische, schieße ich ihm die Haare einzeln vom Kopf.«

      »Nichts dagegen«, warf Doolin ein. »Wenn du ihn erwischst…«

      »Was willst du damit sagen?«

      »Nichts Bestimmtes, aber der Kerl ist mir nie ganz geheuer vorgekommen.«

      »Du hast ihn doch angeschleppt. Verdammt, willst du uns dafür verantwortlich machen?«

      »Schwätzer!« erwiderte Doolin und wandte sich ab. Er betrachtete die Hände. Ein Bär tappte linkisch durch das Unterholz. Es gab kein Anzeichen, daß Menschen durchgekommen waren. Doolin war ziemlich sicher, daß sich keine Apachen in der Nähe aufhielten. Er nahm noch einen Schluck aus der Flasche, schraubte sie zu und hing sie wieder ans Sattelhorn. An das Pferd dachte er nicht.

      Hugh McDonnel warf ihm einen verächtlichen Blick zu, schüttete etwas Wasser in seinen Hut, hielt ihn seinem Tier vor und ließ es sich wenigstens die Nüstern anfeuchten.

      »Wo sind wir hier?« fragte er.

      Doolin zuckte mit den Achseln, Wash brummte etwas, und Honda gab überhaupt keine Antwort. Die Stimmung der Männer war auf den Nullpunkt gesunken.

      »Aus dem Überfall auf die Pferde-ranch wird wohl nichts mehr?« fragte Wash und drehte sich eine Zigarette. Sein bärtiges Gesicht drückte Ungeduld und Gereiztheit aus.

      Hank Doolin schlug sich mit der geballten Rechten in die linke Hand.

      »Bist du denn von allen guten Geistern verlassen? Wie sollten wir die Tiere durch das Apachengebiet treiben bei der augenblicklichen Situation? Mensch, El, denk doch mal ein bißchen.«

      »Das Denken hast doch du übernommen«, sagte Wash aufsässig.

      Doolin schnaubte verächtlich und wandte sich ab. Sie mußten weiter, wenn sie nicht Gefahr laufen wollten, doch noch mit den Apachen zusammenzustoßen. Er ging zu seinem Pferd.

      »Wir reiten«, sagte er. »Unterwegs müssen wir nach Wasser Ausschau halten. Haltet die Augen offen, Jungs, unsere Skalps sitzen verdammt locker.«

      Elvis Wash baute sich vor ihm auf.

      »Und das hier?« fragte er und rieb Daumen und Zeigefinger.

      Hank Doolin stieß ihn grob zur Seite.

      »Geh aus dem Weg, du Narr! Soll ich vielleicht aus Sand und Steinen Geld machen?«

      Er zog

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