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      Das hörte Valerie schon gar nicht mehr. Mit zärtlichem Blick sah sie auf ihren kleinen Sohn hinunter.

      »Mein Liebling«, murmelte sie, und als das Baby ein wenig unruhig wurde, schob sie das Klinikhemd zur Seite und unternahm einen ersten Stillversuch, was hier auf diesem schmalen Bett nicht ganz einfach war.

      »Was machen Sie denn da?« wollte die Schwester wissen, die in diesem Augenblick zurückkam.

      »Ich lege mein Kind an«, erklärte Valerie.

      »Das hat ja nun wirklich keinen Sinn«, entgegnete die Schwester spöttisch. »Der Milcheinschuß kommt frühestens in drei Tagen.«

      »Jetzt hören Sie mir mal ganz genau zu«, brauste Valerie auf. »Ich mußte mich bei der Geburt Ihrer Methode beugen, aber was ich mit meinem Kind mache, müssen Sie schon mir selbst überlassen.«

      Erstaunt sah Sigrid ihre Freundin an. Von der Schwäche, die sie noch vor ein paar Minuten gezeigt hatte, war nichts mehr zu spüren. Es

      schien, als hätte ihr das Kind alle Kraft zurückgegeben, die sie zuvor verloren hatte.

      Die Schwester war über Valeries Ton so empört, daß ihr sekundenlang die Worte fehlten.

      »Das ist doch wirklich die Höhe«, schnappte sie schließlich, dann rauschte sie hinaus.

      »Wann kannst du gehen?« wollte Sigrid wissen.

      »Der Arzt hat irgend etwas von zwei Stunden gesagt«, antwortete Valerie. »Angeblich muß ich so lange zur Beobachtung hierbleiben.«

      Allerdings ging es dann doch etwas schneller. Der Arzt kam zurück, untersuchte Valerie und händigte ihr einen verschlossenen Umschlag und ihren Mutterpaß aus.

      »Der Brief ist für Dr. Daniel bestimmt«, erklärte er. »Wie aus dem Mutterpaß hervorgeht, hat er sie während der Schwangerschaft betreut, und ich nehme an, daß Sie ihn auch jetzt nach der Geburt wieder aufsuchen werden.«

      »Worauf Sie sich verlassen können«, meinte Valerie. »Einen besseren Arzt als Dr. Daniel könnte ich bestimmt nicht finden.«

      Dr. Hellmann ging kommentarlos über diese Bemerkung hinweg und gab ihr ein beschriebenes Blatt Papier.

      »Unterschreiben Sie das, dann können Sie nach Hause fahren.«

      Valerie nahm sich nicht die Mühe, das Geschriebene zu lesen. Hastig setzte sie ihre Unterschrift auf das Papier, dann kletterte sie mühsam von dem schmalen Bett herunter, während Sigrid ihren kleinen Sohn hielt.

      »Trag du ihn hinaus«, bat Valerie ihre Freundin. »Ich bin noch ein wenig wacklig auf den Beinen.« Sie sah Dr. Hellmann an. »Die Sachen, die mein kleiner Tobias trägt, werde ich Ihnen gleich morgen früh per Post zurückschicken.«

      Der Arzt nickte. »Darum möchte ich gebeten haben.« Er reichte Valerie die Hand. »Trotz der kleinen Mißstimmungen wünsche ich Ihnen alles Gute.«

      Valerie sah ihn an. »Danke, Herr Doktor. Sie haben vermutlich getan, was Sie konnten, aber ich hatte mir die Geburt meines ersten Kindes eben ganz anders vorgestellt – mit mehr Gefühl und weniger Technik. Vielleicht statten Sie der Waldsee-Klinik in Steinhausen einmal einen Besuch ab, dann werden Sie verstehen, was ich meine.«

      *

      Manfred Klein war am Boden zerstört. Er konnte einfach nicht begreifen, weshalb Ines so plötzlich mit ihm Schluß gemacht hatte. Sicher, in letzter Zeit hatte es zwischen ihnen des öfteren gekriselt, und das war ja auch der Grund gewesen, weshalb Ines für mehrere Monate nach Japan gegangen war. Doch nach ihrer Rückkehr hatte zumindest für Manfred wieder alles ganz anders ausgesehen. Er liebte Ines und hatte gedacht, sie würde ebenso empfinden. Und gerade die letzte Nacht war für ihn das schönste gewesen, was er seit langem erlebt hatte. Er war sich Ines’ Liebe wieder so sicher gewesen, und nun… Schluß. Einfach so. Ohne Erklärung… besser gesagt, fast ohne Erklärung.

      »Wir haben uns auseinandergelebt.«

      Das war die einzige Begründung, die Ines hatte vorbringen können, und die Tatsache, daß sie ihn angeblich nicht mehr lieben würde, doch gerade das konnte Manfred nicht glauben. Sie war an jenem Abend so zärtlich gewesen.

      »Manfred! Schläfst du?«

      Die Stimme seiner Arbeitskollegin Michaela Weller riß ihn aus seinen Gedanken. Mit einem tiefen Seufzer blickte er auf und direkt in ihre sanften grauen Augen.

      »Nein, Michaela, ich schlafe nicht, ich träume nur«, erklärte er.

      Aufmerksam sah sie in sein ernstes, trauriges Gesicht.

      »Scheint mir aber eher ein Alptraum zu sein«, stellte sie fest, dann setzte sie sich neben ihn. »Möchtest du darüber sprechen?«

      »Jetzt?« Manfred betrachtete den Stapel Akten, der nahezu anklagend vor ihm lag.

      »Nein«, entgegnete Michaela, »aber heute abend vielleicht.«

      Manfred betrachtete die hübsche junge Frau. Er wußte, daß die Hälfte der hier arbeitenden Männer in Michaela verliebt war. So mancher vergaß in ihrer Anwesenheit sogar seine Ehefrau, doch die schöne Michaela hatte bisher noch an keinem ihrer Verehrer Interesse gezeigt. Sie war nett und freundlich, für jeden Spaß zu haben und dazu eine Kollegin, auf die man sich verlassen konnte. Darüber hinaus half sie, wann immer sie konnte. Manfred war daher nicht sicher, ob ihr Angebot einfach nur aus dem Bedürfnis kam, einem anderen zu helfen, oder ob hinter dieser Hilfsbereitschaft vielleicht mehr stecken könnte.

      »Du hast recht«, stimmte Manfred schließlich zu. »Vielleicht wäre es wirklich nicht schlecht, einmal über alles zu sprechen.«

      Michaela nickte. »Gut, dann erwarte ich dich heute abend bei mir, einverstanden?«

      Manfred stimmte zu, doch als er sich ein paar Stunden später auf dem Weg zu Michaela befand, bemerkte er zu seinem eigenen Erstaunen, wie nervös er war. Einen Augenblick spielte er sogar mit dem Gedanken, einfach wieder nach Hause zu gehen und diese Verabredung abzusagen. Aber schließlich stand er doch vor ihrer Wohnungstür und klingelte.

      Michaela öffnete, dann glitt ein herzliches Lächeln über ihr Gesicht.

      »Ich dachte schon, du hättest es dir anders überlegt«, meinte sie.

      Manfred errötete ein wenig.

      »Hätte ich auch beinahe«, gestand er. »Irgendwie ist es eine komische Situation. Wir treffen uns wie ein Liebespaar in deiner Wohnung, um über meine Probleme zu sprechen.«

      »Über deine Probleme mit Ines«, ergänzte Michaela.

      Wieder errötete Manfred. »Woher weißt du das?«

      »Ich bin nicht dumm, Manfred, und schon gar nicht blind«, entgegnete Michaela ernst. »Glaubst du denn, ich hätte nicht bemerkt, daß es zwischen euch kriselt?«

      Manfred seufzte. »Ich verstehe sie nicht.«

      Ich auch nicht, dachte Michaela. Wenn ich einen Freund wie dich hätte, würde ich keinen anderen Mann mehr ansehen.

      Doch das sprach sie natürlich nicht aus. Manfred mußte schon selbst merken, wie tief ihre Gefühle für ihn waren. Und vor allen Dingen mußte er sich erst mal von Ines lösen.

      »Sie wollte für ein halbes Jahr nach Japan«, begann Manfred zu erzählen. »Um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern und um Abstand zu gewinnen – von mir.« Er schwieg kurz. »Das hat mich am meisten getroffen… daß sie meine Gesellschaft als bedrückend empfand.« Dann seufzte er. »Ich habe auf sie eingeredet wie auf ein krankes Pferd, doch es nützte nichts. Sie reiste ab, kam aber schon nach vier Monaten zurück. Ich hatte gehofft, die Sehnsucht nach mir hätte sie getrieben, aber das war es nicht. Sie behauptete zwar, sie hätte sich nach mir gesehnt, doch ich habe gespürt, daß das nicht der Wahrheit entsprach. Aber wie auch immer – wir hatten eine schöne Zeit… bis gestern. Wir haben einen traumhaften Abend verbracht, und am nächsten Morgen sagte sie mir, es wäre Schluß.«

      »Einfach

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